25 Jahre deutsch-polnischer Schüleraustausch

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Deutsch-polnischer Schüleraustausch
- Ein Beispiel mit Vorbildcharakter -

Die Comenius-Schule in Duisburg war zumindest in dieser deutschen Großstadt die erste Schule überhaupt, die nach der politischen Wende der Jahre 1989/90 eine Partnerschaft mit einer Schule in Polen abschloss. Aber auch landesweit dürfte die nunmehr 25 Jahre währende Partnerschaft eine der ersten überhaupt zwischen den beiden Ländern gewesen sein, und schon 1995 war sie der Bezirksregierung Düsseldorf in ihren „Empfehlungen für den Schüleraustausch mit den Staaten Mittel- und Osteuropas“ eine besondere Erwähnung wert: In anschaulicher Weise wurde ein Besuch an der polnischen Partnerschule geschildert, der weiteren Schulpartnerschaften als Vorbild dienen sollte. Immer noch sind die Beziehungen lebendig, und inzwischen haben fast 40 offizielle Austauschbesuche stattgefunden, nicht mitgerechnet die vielen privaten Begegnungen, die oft zwischendurch noch erfolgten.

Begonnen hatte alles bereits im September 1988, als der damalige Sportlehrer (und spätere Schulleiter) an der Skoła Podstawowa im. Tadeusza Kościuszki in Racot, einem Ortsteil der Kleinstadt Kościan (südlich von Posen/Poznań), zu Besuch bei Verwandten in Duisburg weilte und zufällig beim Vorbeifahren auf die dortige Comenius-Schule aufmerksam wurde. Der über dem Eingang des Gebäudes angebrachte Name der Schule erweckte nämlich bei ihm Assoziationen an Leszno, Nachbarstadt von Kościan und damals noch Hauptstadt der gleichnamigen Wojewodschaft, wo dermaleinst der berühmte Pädagoge Comenius gelebt hatte und wo ihm zu Ehren deshalb noch heute eine Schule diesen Namen trägt. Der polnische Lehrer, der damals wegen seiner Verwandten in Deutschland schon relativ gut Deutsch sprach, begab sich daraufhin in das Gebäude der Comenius-Schule, wo er auf den Schulleiter traf, dem er im Gespräch eine Partnerschaft mit seiner Schule in Racot vorschlug.

Obwohl seinerzeit noch die Kommunisten in Polen herrschten, zeichneten sich doch schon erste Aufweichungs- und Liberalisierungstendenzen ab, die eine künftige Schulpartnerschaft einfacher und unbürokratischer erhoffen ließen. So sprach sich das Lehrerkollegium der Comenius-Schule Anfang 1989 zunächst vorbehaltlich der weiteren politischen Entwicklung in Polen für die Partnerschaft aus, und als im Herbst desselben Jahres das Regime in Warschau die Macht abgab, um demokratischen Reformen den Weg zu ebnen, war der Durchbruch geschafft: Zu Beginn des Jahres 1990 reiste der Schulleiter der Comenius-Schule zu einem ersten Informationsbesuch nach Racot, in dessen Verlauf ein Partnerschaftsvertrag zwischen beiden Schulen unterzeichnet wurde, nachdem zuvor die Schulaufsichtsbehörden in Deutschland und Polen ihre Zustimmung dazu erteilt hatten. Im März 1990 erfolgte der Gegenbesuch der polnischen Seite in Duisburg, bestehend aus der Schulrätin, dem Schulleiter, dem Sportlehrer, der die Partnerschaft angestoßen hatte, sowie einem Vertreter der Gemeinde Kościan, und im Beisein des Schulrates und des gesamten Lehrerkollegiums wurde hier nun das offizielle Partnerschaftsabkommen unterschrieben. Noch im Mai desselben Jahres fuhr eine erste Gruppe von Schülern und Lehrern der Comenius-Schule nach Polen (die Einladung dazu war bereits am 29. September 1989 ausgesprochen worden), und im September 1990 erfolgte – zur 80-Jahr-Feier der Comenius-Schule – der Gegenbesuch aus Racot. Inzwischen sind daraus fast vierzig Begegnungen geworden, was für eine dauerhafte Partnerschaft spricht, aus der inzwischen längst eine zum Teil feste Freundschaft geworden ist.

Mit dem Beginn der Partnerschaft wurde der Deutsch-Unterricht an der Schule in Racot intensiviert, und bald schon ersetzte er vollständig den Unterricht in Russisch. Auch heute noch ist Deutsch – vor Englisch – an der Schule die wichtigste Fremdsprache, denn die Grenze zum Nachbarland Deutschland ist nicht weit entfernt, und außerdem gibt es immer noch zahlreiche verwandtschaftliche Beziehungen zwischen beiden Seiten, denn das Gebiet (die ehemalige Provinz Posen) war bis 1919 Teil des Deutschen Reiches, und so gab es zumindest in den Anfängen der partnerschaftlichen Beziehungen noch etliche ältere Menschen in der Gegend, die als Kinder eine deutsche Schule besucht hatten. Nach 25 Jahren Partnerschaft sind aber inzwischen viele Jahrgänge von Schülern auf polnischer Seite herangewachsen, die sich in der deutschen Sprache relativ gut verständigen können. Eine der ersten Austauschschülerinnen, die nach ihrem Schulabschluss Germanistik studierte, lehrt heute sogar selbst Deutsch an ihrer alten Schule. Im übrigen wird in den Beziehungen beider Schulen großer Wert auf sportliche Kontakte gelegt, wird doch die Schule in Racot schon seit vielen Jahren vom Nationalen Olympischen Komitee Polens finanziell gefördert, und seit 1992 sind jeweils einige Schüler und Lehrer der Schule als Zuschauer zu allen Olympischen Sommer- und Winterspielen gereist, wobei auch schon Schüler der Duisburger Partnerschule mitgefahren sind. Bei allen Austauschbegegnungen nehmen die Schüler zwar am jeweiligen Unterrichtsgeschehen teil, doch werden darüber hinaus auch gemeinsame Exkursionen und Besichtigungen in die nähere und gelegentlich auch weitere Umgebung unternommen. Erfreulich: Die lokale Presse berichtet hüben und drüben stets über die aktuellen Besuche.

Nach der polnischen Schulreform im Jahre 2000 wurden die bisherigen Volksschulen in Grundschulen (Jahrgänge 1 bis 6) und Mittelschulen („Gimnazjum“, Jahrgänge 7 bis 9) geteilt (die Jahrgänge 10 bis 12 bilden die Oberschule, das „Lyzeum“). Die Grundschule in Racot behielt das alte, noch aus deutscher Zeit (vor 1919) stammende Gebäude, für die Mittelschule wurde Anfang September 2001 ein neues Gebäude eingeweiht, das modernsten pädagogischen Anforderungen gerecht wird. Die Schule erhielt zudem den Namen „Polnische Olympia-Oberschule Racot“ („Gimnazjum im. Polskich Olimpijczyków w Racocie“). Nach der Trennung in die beiden Schulen musste auch das Partnerschaftsverhältnis neu geregelt werden: Die Comenius-Schule in Duisburg (der polnischen Mittelschule entsprechend) unterhält seither eine Partnerschaft mit der entsprechenden Mittelschule in Racot, also dem „Gimnazjum“ (nicht zu verwechseln mit dem deutschen Gymnasium), und im September 2005 wurde der revidierte Partnerschaftsvertrag von beiden Schulleitern und dem stellvertretenden Bürgermeister der Stadt Duisburg vor Ort feierlich unterzeichnet.

Der frühere Sportlehrer der polnischen Schule, der sich schon in den 1980er Jahren in der demokratischen Solidarność-Bewegung betätigt hatte, wurde Anfang der neunziger Jahre – als viele Kräfte aus der kommunistischen Ära ihre Ämter verloren – neuer Schulleiter, und er war eine der treibenden Kräfte der Partnerschaft. Im September 2005 wurde er auf der Liste der Liberalen Bürgerplattform (PO) ins Parlament in Warschau gewählt (wiedergewählt bei den folgenden beiden Wahlen), was sicherlich auch als Würdigung und Anerkennung seiner Rolle bei der Verständigung im Verhältnis zwischen deutschen und polnischen Schülern und Jugendlichen gesehen werden darf.

Das zehnjährige Bestehen der Partnerschaft zwischen beiden Schulen wurde im Jahre 2000 mit großem Aufwand und im Beisein vieler Honoratioren aus dem politischen und kulturellen Leben Polens in Racot gefeiert. Das fünfzehnjährige Partnerschaftsjubiläum fand 2005 im Rahmen einer ausgiebigen Feier und eines Schulfestes in Duisburg statt, und der zwanzigste „Geburtstag“ der Beziehungen wurde 2010 zuerst in Polen und anschließend im Rahmen der 100-Jahr-Feier der Comenius-Schule (1910-2010) noch einmal in Duisburg begangen. Nun freut man sich auf beiden Seiten auf das Vierteljahrhundert, das im Frühjahr 2015 ansteht.

So schreibt es Wolfgang Reith in einem elektronischen Brief, den er mir geschickt hat. Angesichts des doch angenehmen Inhalts gebe ich den Bericht hier ungekürzt wieder. Auch die hier gezeigten Bilder stammen eigentlich von ihm; sie sind für eine Veröffentlichung hier vorgesehen.

Autor:

Andreas Rüdig aus Duisburg

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