„EGO UPDATE“ - Selfies en masse im NRW-Forum

Frischer Wind im NRW-Forum
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Es weht ein frischer Wind durchs NRW-Forum. Durchgelüftet hat Alain Bieber, vormals Chefredakteur bei Arte Creative. Seit April 2015 ist der deutsch-französische Journalist und Autor neuer Leiter und Geschäftsführer des NRW-Forums im Düsseldorfer Ehrenhof. Mit seiner ersten Ausstellung „EGO UPDATE. Die Zukunft der digitalen Identität“ trifft er genau den Nerv der Zeit. Es geht um das „Selfie“.

Ca. 25 Millionen Deutsche „tun es“. Das auf Armeslänge aus der eigenen Hand aufgenommen und dann oft in die sozialen Netzwerke hochgeladene Selbstporträt ist ein Phänomen unserer Zeit. Das Selfie als Beweis der Existenz. In einem internationalen Vergleich landete Düsseldorf auf Platz 136 und wurde damit laut Time Magazine im Jahr 2014 zur Selfie-Hauptstadt der Bundesrepublik, weit vor Berlin oder Hamburg. Es passt demnach, die Ausstellung in Düsseldorf zu platzieren.

EGO UPDATE – was heißt denn das?

Schlicht übersetzt könnte man sagen, dass das Ich zu aktualisieren oder gar zu optimieren ist. Heutzutage kann jeder sein virtuelles Wunschbild erschaffen. Das digitale Ich kann nicht nur optimiert, verschönt, es kann total verändert werden. Die kreativen Ausdrucksmöglichkeiten sind vielfältig. Genauso vielfältig sind die künstlerischen Arbeiten, die das Thema im NRW-Forum beleuchten. Alain Bieber hat 23 KünstlerInnen aus dem In- und Ausland eingeladen, sich mit dem Selfie und mit anderen Formen der digitalen Selbstdarstellung auseinanderzusetzen. Das Resultat ist ein spannend aufgebauter Parcours durch zwei große Ausstellungshallen.

Gleich zu Anfang wird der Besucher mit dem eigenen Ich konfrontiert. Er steht vor hohen Spiegelfolien, dahinter der Text zur Ausstellung mit dem Hinweis „…lesbar in 2 Minuten“. Das kriegt man hin. In der Ausstellung gibt es übrigens weitere witzige Beschriftungen. Sitzbänke sind beschriftet für „Vater, Mutter, Kind“ oder „Tierfreund“ und draußen gibt es einen „Meeting Point“, eine „Kissing Zone“ oder eine „Tanzfläche“. Das NRW-Forum hat sich passend zur Ausstellung ebenfalls neu erfunden oder besser gesagt: optimiert.

Eine Flut von Fotos

Da kommt eine Menge Fotos auf einen zu. Eine hölzerne Skaterbahn ist mit tausend Fuß-Selfies beklebt, digitale Spuren von Internetbesuchen auf eine Endlosrolle gedruckt, gähnende Menschen, waghalsige Jungs auf den höchsten Gebäuden der Welt, schlecht bezahlte Arbeiter recken vielfach ihren Mittelfinger, Affenselfies, die einen Urheberrechtsstreit entfachten, intime Posen, die einmal ins World Wide Web gestellt, nie mehr privat sein können, bewusst online gestellte Performance, die Bronze-Büste des Rappers MC Fitti in gewohnter Selfie-Pose und, und, und…schauen wir mal genauer hin:

Da wird man zum Paparazzo

Es fing noch harmlos an, als Jonas Unger Prominente, wie Herbert Grönemeyer, Gérard Depardieu oder Jogi Löw, bat sich mit einer analogen Kamera selbst zu fotografieren. Das ist noch gar nicht so lange her. Die Entwicklung schreitet rasant voran. Wenn einem das eigene Ich heute nicht gefällt, schlüpft man in eine Rolle. Der britische Fotograf Robbie Cooper zeigt in seiner Serie Alter Ego Online-Spieler und ihre Avatare. Avatare sind erfundene Figuren, mit denen die Online-Spieler in der virtuellen Welt auftreten. Die Arbeit von Oliver Sieber geht in eine ähnliche Richtung. Der Düsseldorfer fotografierte Cosplayer für seine Serie Character Thieves in ihrer realen Umwelt. Cosplayer tragen Kostüme aus Filmen, Mangas oder Computerspielen. Da treffen Realität und Wunschwelt hart aufeinander. Ganz aus der realen Welt zurückgezogen hat sich LaTurbo Avedon. Sie existiert als Kunstfigur nur im Net.

Täuschend echt wirken die Fotos von Alison Jackson. Da knipst sich die Queen auf dem Sofa in mitten der königlichen Familie, auf dem Foto daneben sitzt sie auf dem Klo. Angela Merkel liegt etwas ramponiert in den Armen von Francois Hollande. Diese oft peinlichen Posen hat Jackson mit Doppelgängern inszeniert. Die „Biohackerin“ Heather Dewey-Hagborg stellt mit gefundener DNA, z.B. aus einem weggeworfenen Zigarettenstummel, ein computergeneriertes 3-D-Porträt her. Mit ihrer Arbeit Stranger Visions will sie auf die Gefahren genetischer Überwachung hinweisen.

Es gibt wahrlich eine Menge zu gucken. Eine generationsübergreifende Ausstellung, die wird Eltern und Jugendliche interessieren. Über das eigene Selfie und dessen Verbreitung kann man dann auch mal nachdenken. Die Gruppenausstellung ist insgesamt gut aufgestellt, informativ, unterhaltsam und macht Spaß. Die Ausstellungsarchitektur bietet Überraschungen und hat Pep.

Die Besucher können sich übrigens auch fotografieren lassen. In einem Fotoautomaten wird man für 5 Euro im Stil der bekannten Magnum Fotografen abgelichtet.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 17. Januar 2016
Vom 06. bis 08.November 2015 wird es eine Cyborg-Messe geben.
Mehr Infos unter www.nrw-forum.de

NRW-Forum Düsseldorf
Ehrenhof 2
40479 Düsseldorf

Autor:

Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg

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