Ruhrtriennale in Duisburg: Freude? Schöner? Götterfunken?

Gemeinsam mit NRW-Kultur-Ministerin Christina Kampmann stimmte Intendant Johan Simons auf sein drittes Ruhrtriennale-Jahr ein. Foto: Caro Dai
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Sein drittes und letztes Jahr als Leiter der Ruhrtriennale stellt der Niederländer Johan Simons unter den berühmten Schiller-Titel der Europa-Hymne „Freude schöner Götterfunken“. Um dann schon bei der Programmvorstellung auch für die Duisburger Programmteile zu fragen, ob es diese Funken überhaupt noch gibt.

Simons sieht so vieles in rasantem Tempo und auf unglaublich unvorhersehbare Weise sich ändern, noch 2016 hatte er die Begriffe „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ befragt: „Inzwischen scheint es mir manchmal so, als ob sich die Menschheit nicht mehr selbstverständlich auf diese Werte und Ideale verständigen kann. Unsere europäische Sicht auf diese Welt, ich nenne es eine humanistisch aufgeklärte Sicht, ist nicht die einzig denkbare. Wir sind mit aggressiven Gegen-Entwürfen konfrontiert.“ Und fragt sich „Waren wir uns zu sicher?“ und „Wie lange können wir in diesem absurden Luxus leben – auch moralisch? Ist meine „Freude“ der Schmerz der Anderen? Ist „schöner“ noch ein haltbares Versprechen? Verspüren wir noch „Götterfunken?“, fragt er die drei Motto-Worte nacheinander ab.

Die allein schon durch ihre schiere Zahl beeindruckenden 135 Veranstaltungen, der 41 Produktionen (darunter 26 Eigen- und Co-Produktionen, 22 Uraufführungen, Neuinszenierungen, Deutschlandpremieren und Installationen) in 14 außergewöhnlichen Spielstätten der Ruhrtriennale in Duisburg, auch wieder Dinslaken, Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Gladbeck und Mülheim an der Ruhr, stellen sich diesen Fragen.

Mit den unerschöpflichen Mitteln der Kunst und mit Welt-Künstlern aus Oper, Theater und Tanz. Und - nimmt man die beiden ersten RT-Jahre unter Simons als Maßstab - versprechen auch sie in ihren tiefsten und schönsten Momenten wieder „Freude schöner Götterfunken“ satt.

Eröffnung feiert die Ruhrtriennale am 18. August wieder rund um die Bochumer Jahrhunderthalle mit der Eröffnungsrede, diesmal von der Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller. Danach geht’s abends dort weiter mit der Neuinszenierung der Oper „Pelléas und Mélisande“ von Claude Debussy als Auftakt des Festivals. Intendant Simons, nach seinen drei Triennale-Jahren dann Bochumer Theater-Chef, inszeniert diesmal ein Schauspiel statt großem Musiktheater.

Duisburg wieder wichtiger Spielort

Die Duisburger Ruhrtriennale-Premiere „Kein Licht“ steigt eine Woche nach der Eröffnung, am 25. August um 20 Uhr in der Gebläsehalle im Landschaftspark Duisburg-Nord. Hier kommt ebenfalls eine Literatur-Nobelpreisträgerin zu Wort: Elfriede Jelinek hat das Werk in einer 140 Seiten langen Wutattacke „in Einem durch runtergehackt“, wie Jelinek-Kenner Simons zu berichten weiß. In der Ruhrtriennale-Inszenierung von Nikolaus Stegmann wird aus dem Text der Österreicherin das Libretto einer musikalischen Welturaufführung, die Musik dazu komponierte Philipp Manoury.

Im absurden Szenario irren zwei Elementarteilchen durch den Raum: Die Stimmen A und B sprechen zueinander ohne sich zu hören. Obwohl die Worte Fukushima oder Atomkraft niemals fallen, entsteht in „Kein Licht“ eine geisterhafte Welt nach dem Super-Gau, Regisseur und Komponist mischen fertig komponierte orchestrale und elektronische Teile mit Live-Elektronik - und dazu Schauspieler und Sänger, „ein Kurzschluss aus Musik- und Sprechtheater in Deutsch, Französisch und Japanisch“, Musikalische Leitung: Julien Leroy. Hochkarätige Mitwirkende auch die Theater-Schauspielerin des Jahres 2016 Caroline Peters (bekannt aus dem Eifel-Schmunzelkrimi „Mord mit Aussicht“), Schauspiel-Kollege Nils Bormann, sowie das renommierte Ensemble Lucilin aus Luxemburg und der Chor des Nationaltheaters Zagreb.
Weitere Termine in Duisburg am 25. + 26. August, 1. + 2. September / 20 Uhr. 27. August + 3. September / 15 Uhr. Karten + Infos: ruhr3.com/kei)

Duisburg darf sich auch auf „Teentalitarismus“ freuen: Hier hat die Jugend die Macht übernommen und arbeitet an neuen Regeln, neuen Rechten und Zukunfts-Modellen. Für sich und die Welt. Action und Erfahrungsaustausch hier bei einer - kostenlosen ! - Nachtwanderung am 26. August: Treffpunkt 20 Uhr, Hüttenmagazin im Landschaftspark Nord. (ruhr3.com/tee). Das Ganze, wie ein weiteres Jugendprojekt der Triennale, gefördert durch die Stiftung Mercator.

Luk Percevals Inszenierungs-Trilogie „Liebe + Geld + Hunger. Trilogie meiner Familie“ nach Émile Zolas Familienroman-Zyklus „Die Rougon-Marquart“ ist am 15. September - in allen drei Stücken nacheinander rund 11 Stunden Theater der Extraklasse ! - in der Gießhalle des Landschaftsparks Nord das zweite herausragende Duisburger Ereignis. „Liebe“ und „Geld“ hatten 2015 und 2016 Premiere. Das dritte Stück „Hunger“ einzeln ist am 7. und 8. September in der Gießhalle zu sehen. Karten: ruhr3.com/hun.

In Emile Zolas Romanen sucht Doktor Pascale in der Geschichte seiner Familie Erklärungen für Elend, Alkohol- und Drogensucht und den hemmungslosen Ehrgeiz. Da ist die arme Wäscherin Gervaise, deren Tochter Nana als Edelprostituierte aus der Armut fliehen will. Ein rücksichtsloser Börsenmakler, der sich unsterblich in seine Angestellte verliebt. Oder Gervaises Söhne, der eine Revolutionär, der andere Lokführer mit Mordgedanken.

Ein großes Fest für das Ensemble des kooperierenden Hamburger Thalia Theaters. Und eine wahre Herausforderung an ein europaweites theaterverrücktes Publikum (Karten: ruhr3.com/tri). Allein dies macht Duisburg wieder zu einem der wichtigsten Spielorte des so erfolgreichen Revier-Festivals: Insgesamt gehen -für alle Veranstaltungen revierweit- ab sofort 40.000 Karten in den Verkauf! Noch im Straßenbahn-Einzugsbereich des Westrevier-Schwerpunkts Duisburg die Spielort Mülheim und wie 2015 Dinslaken mit dortigen Programm-Angeboten. Die Ruhrtriennale schickt auf telefonische oder email-Anforderung zu allem Infomaterial.

Weitere Triennale-Events in Duisburg:

White Circle: Ein Ring aus Leuchtstoffröhren im Zentrum der Kraftzentrale im Landschaftspark Duisburg-Nord. Musik: Alva Noto, Byetone, Frank Bretschneider, Kangding Ray. Konzept+Realisierung: raster-noton. Eröffnung: am 2.9. 17, 13 Uhr. bis 16.9. (am 15.9. geschlossen), Di-So: 13 - 21 Uhr. Eintritt frei. (ruhr3.com/whi).

Homo Instrumentalis: Uraufführung Gebläsehalle. Musik: Georges Aperghis, Luigi Nono, Yannis Kyriakides. Musikalische Leitung: Romain Bischoff. Choreigraphie: Johanne Saunier. Mit: Silbersee. Termine : 21. / 22. / 23. September / 19.30 Uhr + 25. September / 15 Uhr. (Karten: ruhr3.com/hom).

Autor:

Caro Dai aus Essen-Werden

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