„Das Fremde ist plötzlich gar nicht mehr so fremd“: „Über den Tellerrand“ – Gemeinsame Kochabende für Einheimische und Geflüchtete

Organisatoren und Gäste hatten beim jüngsten „Tellerrand-Picknick“ im Jugendzentrum Einstein viel Spaß miteinander. Verständnis geht (auch) den Magen.
Fotos: Reiner Terhorst
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Das europaweite Kochprojekt „Kitchen on the Run“ hat in Neumühl im vergangenen Jahr als einzige Station in Deutschland bundesweit für große Aufmerksamkeit gesorgt. Einen Monat lang hatten Geflüchtete und Einheimische gemeinsam gekocht und gegessen. Das sollte es aber nicht gewesen sein.

„Wir haben viele schöne Kochabende zwischen einheimischen und geflüchteten Menschen erlebt, dass die Frage aufkam, wie diese tollen Begegnungen aufrechterhalten werden können.“ Stefan Ringling, Jugendleiter der Evangelischen Kirchengemeinde Neumühl und einer der Aktivposten im Newcomer Netzwerk, einem Zusammenschluss vom Kinder- und Jugendeinrichtungen im Stadtbezirk Hamborn, berichtet unserer Zeitung, dass man sich ganz schnell einig wurde, dass es weitergeht und vor allem, wie es weitergeht.

Das Newcomer Netzwerk hat kurzentschlossen Angang das Jahres die Duisburger „Über den Tellerrand Community“ gegründet. Jetzt fand zum sechsten Mal ein gemeinsames Kochen mit Geflüchteten und Einheimischen statt, diesmal auf dem Gelände des Neumühler Jugendzentrums Einstein an der Albert-Einstein-, Ecke Fiskusstraße. Diesmal war es ein wenig anders als an den vorausgegangen Abenden.
Es ist Ferienzeit und die Sonne lacht. Der Wettergott meinte schon fast zu gut mit den Organisatoren und den Teilnehmern. „Da haben wir uns im Vorfeld entschlossen, das Ganze als Bring & Share Party aufzuziehen, also, wir selbst haben was vorbereitet, aber die Gäste bringen auch etwas mit“, sagt Samet Yetik. Der 31jährige ist engagiert im Jugendzentrum Zitrone und gemeinsam mit Ringling Koordinator im Newcomer Netzwerk.

Miteinander Füreinander

Yetik und Oguz-Han Uzun (30), Einrichtungsleiter im Jugendzentrum Einstein, heizen den Grill an, der bald mit Köfte, also selbstgemachten Frikos, und Würstchen, bestückt wird. Auf dem benachbarten Bolzplatz kicken trotz der Hitze einige Jugendliche, Deutsche, Geflüchtete und Einstein-Stammbesucher mit Migrationshintergrund. Lorena Hütgens, Vorstandsmitglied im Verein Offene Jugendarbeit e.V. als Betreiber des Einsteins, bereitet derweil in der Küche frische Salate zu. „ Das wird heute eher den Charakter eines Picknicks haben“, ist sich die 26jährige sozial engagierte Studentin sicher.

Das Miteinander Füreinander steht in jedem Fall im Mittelpunkt. Man redet zusammen, lernt sich kennen, tauscht Gedanken aus. Unterschiedliche Kulturen kommen sich näher. Das Fremde ist plötzlich gar nicht mehr so fremd. Der Reihe nach und in kleinen Gruppen kommen jetzt weitere Gäste hinzu, Geflüchtete und Einheimische. Jamil, seine Familie und Freunde bringen eine große Schüssel mit einem orientalischen Reisgericht mit. Lecker, sagen alle. Marvin ist auch eingetroffen. Der 17jährige Schüler aus Bochum hat vom Duisburger Tellerrand-Kochen beim Evangelischen Kirchentag in Berlin erfahren. „Da wollte ich mal dabei sein. Ein bisschen quatschen, lecker essen, und dann geht’s gleich mit dem Zug wieder nach Bochum.“

So weit haben es die Jugendlichen vom „Melting Pot(t)“ im ehemaligen Hotel Heiermann in Marxloh nicht. Sie essen und reden. Fußball steht im Vordergrund. Kein Wunder, schließlich kicken die größtenteils minderjährigen, unbegleiteten Geflüchteten regelmäßig unter Betreuung des Newcomer Netzwerks auf dem Sportplatz von Hertha Hamborn und in der Halle der Realschule Hamborn II. Lorena Hütgens bringt ein Ziel des gemeinsamen Engagements auf den Punkt: „Wir tun alles für eine friedliche Nachbarschaft zwischen Einheimischen, Geflüchteten und Migranten.“

Abbau von Vorurteilen

Für Samet Yetik ist noch ein weiterer Aspekt wichtig: „Neben dem Abbau von Vorurteilen und dem gegenseitigen Verständnis geht es auch um Verantwortung.“ Bei den regelmäßigen Tellerrand-Abenden bekommen Geflüchtete und Einheimische ein bestimmtes Budget zur Verfügung gestellt. Damit wird gemeinsam eingekauft, Gemüse wird „geschnibbelt“, Salat geputzt, gekocht und gebraten. Der Küchentisch als Begegnungsstätte unterschiedlicher Kulturen. Und schließlich wird in großer, fröhlicher und geselliger Runde gegessen
.
Die nächsten Termine stehen bereits fest. Am 3. September gibt es einen offenen Kochevent auf dem AWO-Bauspielplatz an der Alexstraße in Neumühl. Am 9. Oktober geht es zur „Kellerkirche 2.0“ an der Gehrstraße in Hamborn, und am 27. Oktober ist der Melting Pot(t) in Marxloh Gastgeber. Informationen und Anmeldungen gibt es per Mail an: duisburg@ueberdentellerrand.org.

Hintergründe

Hinter „Kirchen on the Run“ steht der Berliner Verein „Über den Tellerrand e.V.“, der es ermöglicht, in verschiedenen Städten kommunale Vertretungen zu gründen, die die auf den Werten und Grundlagen des Vereins beruhen.

„Über den Tellerrand Duisburg“ ist im Januar dieses Jahres ins Leben gerufen worden und wird getragen vom Newcomer Netzwerk, einem Zusammenschluss von Kinder- und Jugendeinrichtungen aus Hamborn, Neumühl und Obermarxloh.

Aufgabe und Ziel ist es, einheimische und geflüchtete Menschen beim Kochen an einen Tisch zu bringen und die Entstehung neuer Freundschaften und Netzwerke im Stadtteil zu fördern und zu ermöglichen.

Autor:

Reiner Terhorst aus Duisburg

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