Uschi Glas: Brot geben - Zeit geben

Uschi Glas beim Frühstück in der Regenbogenschule  in Marxloh. Fotos: Florian Boos
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  • Uschi Glas beim Frühstück in der Regenbogenschule in Marxloh. Fotos: Florian Boos
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„Hast du bei Shopping Queen mitgemacht?“ Verlegen kichernd stehen die drei Mädchen vor Uschi Glas. Die Schauspielerin lacht: „Nee, aber vielleicht kennt ihr mich aus 'Fack ju Göhte'.“ Nein, haben sie nicht gesehen. Aber egal, schließlich ist Frau Glas heute nicht als Aktrice, sondern als Initiatorin der brotZeit an der Marxloher Regenbogenschule zu Besuch. Gemeinsam mit ihrem Mann Dieter Hermann setzt sie sich bundesweit dafür ein, dass Kinder an Grund- und Lernförderschulen ein Frühstück erhalten.

Es ist 7.15 Uhr. Noch ist es still und leer im Frühstücksraum der Grundschule, doch in der angeschlossenen Küche herrscht bereits geschäftiges Treiben. Ingrid Ackermann und Birgittt Stolp­mann schneiden Wurst und Käse auf, stellen Teller bereit, rühren Obstsalat an. Sie sind zwei von jeweils vier „Senioren“, die hier an fünf Schultagen pro Woche ehrenamtlich dafür sorgen, dass gut 30 Kinder ab 7.30 Uhr ein reichhaltiges Frühstücksbuffet vorfinden. Warum sich die beiden zweimal wöchentlich in den Dienst der guten Sache stellen? „Ich bin in Rente, habe Zeit und möchte etwas Sinnvolles damit tun. Die Arbeit mit den Kindern macht großen Spaß, man bekommt viel zurück“, erklärt Birgitt Stolpmann. Ingrid Ackermann nickt zustimmend: „Es ist eine große Freude zu sehen, wie gut unser Angebot den Kindern bekommt.“

"Was braucht ihr? Was können wir tun?"

Nach und nach strömen die kleinen Frühstücksgäste in den Raum, setzen sich an Vierertischen zusammen und lassen es sich schmecken. „Salami und Fleischwurst sind der Renner“, sagt „Seniorin“ Ulrike Grohnert lachend und eilt in die Küche, um Nachschub zu holen. Es wird gegessen, getrunken und gelacht. Da bleibt es fast unbemerkt, dass Uschi Glas und Dieter Hermann den Raum betreten haben. Die Schauspielerin und ihr Mann gründeten 2009 den Verein brotZeit. Hermann erinnert sich: „Meine Frau hatte im Radio einen Bericht darüber gehört, dass viele Münchner Grundschulkinder ohne Frühstück in die Schule kommen und einfach nicht leistungsfähig sind, manchmal sogar im Unterricht einschlafen. Das hat sie sehr aufgebracht, und dagegen wollten wir etwas unternehmen.“ Allein in München schilderten 17 von 135 Grundschulleitern, dass hungrige Schüler ein gravierendes Problem darstellten. „Da haben wir gefragt: 'Was braucht ihr? Was können wir tun?“

Was mit Zwieback und Notfallboxen begann, weitete sich schnell zu einem bundesweiten Projekt mit starken Kooperationspartnern aus. Mittlerweile profitieren 145 Grund- und Lernförderschulen von der brotZeit, täglich werden rund 6 300 Kinder mit einem Frühstück versorgt. Allein in Duisburg sind 15 Schulen dabei. Zu Anfang stellte besonders die Logistik ein großes Problem dar. „Die Schulen fanden die Lebensmittelspenden toll. Die Frage war nur – wer soll das austeilen?“, erklärt Hermann, „Per Zufall stießen wir auf aktive Senioren. Menschen, die nicht mehr im Berufsleben stehen, aber die nötige Lebenserfahrung und Gelassenheit mitbringen, sich hier zu engagieren.“ 1 000 dieser „Senioren“ – sorgfältig ausgewählt – sorgen nun täglich an deutschen Schulen nicht nur für ein leckeres Frühstück, sondern sind für die Kinder Kummerkasten und Kümmerer in Personalunion.

Nicht nur satt, sondern auch ein bisschen glücklich

Haris Kondza wirft einen Blick in den Frühstücksraum und strahlt. Er ist Schulleiter der Regenbogenschule, hat 250 Kinder unter seinen Fittichen. Viele von ihnen stammen aus Südosteuropa, aus Familien, die ausschließlich von Kindergeld leben. Teilweise zu acht in einem Raum, am Existenzminimum. Die wenigsten Eltern haben Arbeit. Ein morgendliches Familienfrühstück findet bei den Wenigsten statt. Seit Januar nimmt seine Schule an der brotZeit teil. Kondza ist begeistert: „Ohne diese Unterstützung hätten wir das gar nicht leisten können. Es ist schön zu sehen, dass die brotZeit die Kinder nicht nur satt, sondern auch ein bisschen glücklich macht. Sie erfahren Zuwendung, können sich austauschen.“

So wie Cedric, Kilian und Falon. Sie sitzen zusammen an einem Tisch, futtern begeistert Fleischwurstbrote und lachen sich kaputt. Über alles. Ob sie denn zuhause kein Frühstück bekämen? Doch, antworten alle Drei. „Aber hier mit den anderen macht das ganz viel Spaß und ist sehr lustig.“

"Dann ist sie toll!"

Am Nebentisch frage ich drei Drittklässlerinnen, ob sie aufgeregt seien, dass die berühmte Schauspielerin Uschi Glas heute zu Besuch sei. „Uschi Glas? Wer ist das“, fragt ein Mädchen. „Na die Erfinderin von eurem Frühstück“, sage ich. Anerkennender Blick aus sechs Augen: „Dann ist sie toll.“

Zahlen & Fakten:

40 bis 45 Kinder kommen durchschnittlich täglich pro Schule zum Frühstück.
145 Grund- und Lernförderschulen sind derzeit im Programm.
Bundesweit werden täglich rund 6 300 Kinder mit einem Frühstück versorgt.
Rund 1 000 Senioren bereiten das Frühstück zu, verteilen und betreuen es.
Zahlreiche Kooperationspartner gewährleisten einen reibungslosen Ablauf und eine verlässliche Versorgung: Ein Discounter stellt die Lebensmittel. Außerdem werden Kühlfahrzeuge, Personaldienstleistungen und Lieferlogistik gestellt.

Autor:

Claudia Brück aus Düsseldorf

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