Zusammenbruch der Zivilisation

Zusammenbruch der Zivilisation

Nun ist es sozusagen offiziell: Unsere Zivilisation ist am Ende. Wenn nicht in den nächsten Jahren eine radikale Umkehr erfolgt, ist der Untergang unserer Zivilisation auf dieser Erde nicht mehr aufzuhalten. Das ist das Ergebnis einer mathematischen Studie der NASA.

Es ist nicht nur unser Verhalten, es ist die ganze Natur und Dynamik unserer Zivilisation, die einen Kollaps unausweichlich macht – wie bei vielen anderen historischen Hochkulturen zuvor.

„Der Prozess des Aufstiegs und Kollapses ist ein immer wiederkehrender Prozess wie die Geschichte zeigt“, heißt es in der Studie des NASA Goddard Space Flight Center, für die Mathematiker, Soziologen und Ökologen zusammenarbeiteten und, beruhend auf heutigen Daten, die verschiedensten Szenarien für den Verlauf komplexer Zivilisation durchspielten.

Mithilfe eines theoretsich-mathematischen Modells namens „Human And Nature Dynamical‘ (HANDY) kann auch der Niedergang der vielen untergegangenen Hochkulturen wie den Römern, Maya, Han, Maurya und Gupta erklärt werden – allesamt fortschrittliche, hochentwickelte, komplexe und kreative Zivilisationen, die schließlich trotz ihrer Macht und Größe hilflos zusammenbrachen.

Zusammenbruch unausweichlich

Die Gründe dafür liegen laut NASA-Modell in den menschlichen Dynamiken und dem Verhältnis der Kultur zu Rahmenbedingungen wie Bevölkerungswachstum, Klimaveränderung, Wasser, Landwirtschaft und Energie.

Ein Zusammenbruch wird unausweichlich, sobald diese Faktoren zwei bestimmte Dynamiken produzieren: Die Überlastung der Ökosysteme durch zu hohen Verbrauch der globalen Ressourcen bei gleichzeitiger Aufspaltung der Gesellschaft in reiche Eliten und einen armen Rest.

Beim Untergang aller vergangenen Hochkulturen der letzten 5000 Jahre läutete das Auftreten dieser beiden Dynamiken unfehlbar den Untergang ein – und auch heute sind sie bereits so stark ausgeprägt, dass sie nicht mehr aufzuhalten scheinen. Die implizite Schlussfolgerung: Gibt es nicht einen sofortigen und radikalen Richtungswechsel, wird die westliche Zivilisation in den nächsten Jahrzehnten zusammenbrechen.

Nicht unbedingt die Botschaft, die man aus dem Tagesfernsehen gewohnt ist – aber dass diese Dynamiken tatsächlich bereits in erschreckendem Ausmaß eingetreten sind, ist unübersehbar. Die Menschheit verbraucht derzeit so viele Ressourcen, dass wir drei Erden benötigen würden, um diese Gier zu dauerhaft befriedigen – und der Verbrauch steigt sogar noch jedes Jahr, während unsere Politik realitätsfern nach immer noch mehr Wachstum verlangt. Gleichzeitig geht die Schere von Arm und Reich immer schneller auseinander und der Reichtum sammelt sich in den Händen einer kleinen Elite: Gerade mal ein Prozent der weltweiten Bevölkerung besitzt heute die Hälfte allen Reichtums. Und die 85 reichsten Menschen verfügen sogar über so viel Geld, wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung zusammengenommen.

Nur wenn die Weltbevölkerung sich auf ein für das Ökosystem verträgliches Maß einpendelt und Ressourcen sparsam und gleichmäßig verteilt werden, wäre der Kollaps noch aufzuhalten, so die Forscher.

Technologie kann uns nicht retten

Lässt sich der Niedergang also noch umkehren? Beides sind doch relativ utopische Ideen und die Chancen, dass sie in den nächsten Jahren Realität werden, stehen wohl nicht besonders gut, wenn man mal ganz ehrlich ist. Doch noch hält sich scheinbar die Hoffnung, irgendeine technologische Entwicklung oder ein grüner Wandel zu „Nachhaltigkeit“ könne die Menschheit noch retten – eine Hoffnung, welche die NASA-Forscher, leider auch zerstreuen.

„Technologischer Fortschritt kann die Effizienz in der Ressourcen-Nutzung steigern. Aber er steigert ebenfalls den Verbrauch von Ressourcen durch diejenigen, die Kapital besitzen […] Wenn die Politik nicht einschreitet, kompensiert das die Einsparung an Ressourcen durch den technologischen Fortschritt.“

Mehr Technik bedeutet auch mehr Konsum, und egal wie grün der Konsum ist – momentan würde uns nur noch eines helfen: deutlich weniger Konsum. Danach sieht es aber nicht aus.

Es sei eine kleine Elite – und damit ist die gesamte westliche Welt gemeint – welche zu viel konsumiert. Nicht die Millionen von armen Menschen in der Dritten Welt, die kaum nennenswert Ressourcen verbrauchen. Gerade diese Elite ist es laut Studie dann auch, die wirklich wirksame Maßnahmen gegen den Zusammenbruch verhindere, um den eigenen Lebensstandard aufrecht zu erhalten.

Dahinter steckt vor allem ein psychologischer Mechanismus: Die Eliten scheinen für lange Zeit von den Auswirkungen des Zusammenbruchs nicht betroffen, und reden sich daher selbst im Angesicht der Katastrophe noch ein, man könne „weitermachen wie bisher“. Dies erkläre auch warum die „historischen Zusammenbrüche von den Eliten nicht verhindert wurden, die wie blind gegenüber der nahenden Katastrophe erscheinen (am deutlichsten zu sehen im Falle der Römer und Maya)“, vermutet die Studie.

Auch heute ignorieren wir in der westlichen Welt recht hartnäckig, dass die Zivilisation in Teilen Afrikas und Bangladesch längst zusammengebrochen ist, dass jeden Tag Menschen verhungern, Tierarten aussterben – auch wenn bei uns das neue iphone immer noch viel wichtiger erscheint.

„Während einige in der Gesellschaft darauf hinweisen, dass wir auf einen Kollaps zusteuern und grundlegende Veränderungen einfordern, um das Schlimmste zu verhindern, sind es die Eliten, die genau diese Veränderungen verhindern,“ so die Studie.

Wenn man so durch unsere Supermärkte streift und dabei Emails auf dem Smartphone liest, vergisst man es leicht: Die Regenwälder sind abgeholzt, das Wasser vergiftet, die Meere leergefischt, die Böden ausgelaugt, die Ressourcen werden knapp, an der spanischen Küste baut man Zäune und Türme für Scharfschützen, um die verzweifelten Afrikaner daran zu hindern, Europa zu betreten. Wir leben längst in einer apokalyptischen Zeit. Als Teil der Elite sind wir aber womöglich ebenso blind gegenüber der nahenden Katastrophe, wie es die Römer und Maya vor uns waren.

Letzte Chance – vorbei?

Die Forscher sehen eine Chance das Schlimmst zu verhindern, wenn der Konsum drastisch eingeschränkt und das Bevölkerungswachstum eingedämmt wird. Angesichts der Datenlage ist es wohl an der Zeit, sich einzugestehen, dass die gegenwärtige Lebensweise keine Zukunft hat. Es bleibt höchstens sehr kleines Zeitfenster, kaum mehr als eine handvoll Jahre.

Die Prognosen bleiben aber düster: Egal mit welchem Modell und welchen Variablen, das Ergebnis bleibt ziemlich stabil. Alles in allem ist der Zusammenbruch unserer Kultur kaum noch zu verhindern, allenfalls könne man ihn verzögern.

Mit diesen finstren Aussichten sind die NASA-Forscher nicht allein. Schon andere Studien, wie die „Perfect Storm“-Studie der englischen Regierung waren zu dem Schluss gekommen, dass der Zusammenbruch bereits in 15 bis 20 Jahren über uns hereinbrechen dürfte, wenn nicht ein radikales Umdenken stattfindet.

Nachhaltigkeit nur ein Witz?

Und Umdenken heißt in diesem Kontext etwas mehr, als Bio-Croissants kaufen. So wohlmeinend alle Ideen von „grünem Konsum“ auch sein mögen: Letztlich sind sie womöglich nur eine naive Farce. Die westliche Elite versteht schlicht die Größenordnung der Katastrophe nicht. Es reicht nicht, Plastiktüten zu vermeiden, Bio-Äpfel zu kaufen und einmal im Jahr zur Earth Hour das Licht auszuschalten. Das Modell unserer Zivilisation an sich ist unhaltbar – grün oder nicht grün spielt dabei kaum eine nennenswerte Rolle.

Die gesamte westliche Welt müsste ihren Konsum um mehr als zwei Drittel reduzieren, es wäre eine völlig andere Lebensweise – eine die heute nur die sogenannten „Totalaussteiger“ zu begreifen scheinen, und die werden allgemein ausgelacht oder belächelt.

Wohl am prominentesten vertritt James Lovelock diese Ansicht – kaum einer schüttelt seinen Kopf so fassungslos über die Illusion der Nachhaltigkeit wie er. Die Idee des grünen Konsums sei nichts weiter als „verblendete Phantasterei“ und „protzige, großherrliche Gesten“, lautet seine wenig schmeichelhafte Einschätzung. Für solche kosmetischen Kleinigkeiten sei es längst viel zu spät – in den 60ern hätte es vielleicht noch etwas geändert, nun sei die globale Katastrophe nicht mehr zu verhindern, die Kipppunkte seien längst überschritten, als nächstes kommt der freie Fall.

Für Lovelock ist die Ignoranz, Verblendung und hartnäckige Dummheit der westlichen Welt fast eine Art bewundernswertes Kuriosum. „Ich sehe das bei allen. Die Menschen wollen einfach nur weitermachen, wie immer. Sie sagen: ‚Oh ja, da kommt ein großes Problem auf uns zu‘, aber sie wollen nichts ändern.“ Höchstens ein bisschen grüne Farbe auf ihren Konsum pinseln.

Archen bauen

In wenigen Tagen kommt die Verfilmung der „Arche Noah“ in die Kinos – das Timing könnte nicht besser sein. Wenn es nach Lovelock geht, können wir getrost aufhören, Windkraftwerke zu bauen und anfangen, uns auf die Realität vorzubereiten: Es ist Zeit, Archen zu bauen.

„Alle diese Standard-grünen Dinge, wie nachhaltige Entwicklung, ich glaube, das sind nur Worte, die nichts mehr bedeuten. Viele Leute kommen zu mir und sagen: ‚So kannst du doch nicht reden, dann können wir ja gar nichts mehr tun.‘ Ich sage, im Gegenteil, es gibt eine immense Menge zu tun. Nur nicht die Art von Dingen, die du tun möchtest.“

Nach Lovelocks Modellen wird die Erde bis 2100 völlig kollabieren, 80 Prozent der Weltbevölkerung werden diesen Zusammenbruch nicht überleben, der Rest mit großen Problemen konfrontiert sein, über die man sich schon jetzt Gedanken machen sollte. Das sei keine Weltuntergangs-Phantasie, kein biblisches Armageddon: „Das ist die Realität.“

Für Lovelock ist es ganz simpel der Gang der Natur, es ist genauso Evolution, wie jedes andere Massensterben in der Geschichte dieses Planeten zuvor auch. Wann immer ein Ökosystem aus dem Gleichgewicht gerät, gibt es eine unvermeidliche Korrektur – so auch jetzt. Der Mensch mag glauben, diese Dinge träfen auf ihn nicht zu, sie tun es aber trotzdem. Lovelock sieht das pragmatisch und sogar optimistisch.

„Es gab sieben Katastrophen, seit Menschen auf die Erde kamen, sehr ähnlich der, die nun geschehen wird. Ich sehe diese Ereignisse als die Trennung von Spreu und Weizen. Eines Tages werden wir einen Menschen auf dem Planeten haben, der den Planeten wirklich versteht und mit ihm leben kann. Das ist die Quelle meines Optimismus.“

Lovelock kann wohl als extrem gelten und seine Ansichten sind sicher mit etwas Vorsicht zu genießen, in Zeiten überbordenden Optimismus sind sie aber vielleicht auch eine gute Kur.

Realität und Wunsch

Wie geht man um mit solchen Informationen? Es ist natürlich einfach, so etwas als Schwarzmalerei und Weltuntergangsphantasie abzutun und sich den nächsten Latte Macchiato reinzuschlüfen. Aber vielleicht nennt man genau das Realitätsverleugnung? Es ist immerhin nicht Nostradamus, der hier das Ende der Welt vorhersagt, sondern wissenschaftliche Modelle und gesunder Menschenverstand. Dieses Szenario braucht keinen Planeten Niribu, der plötzlich aus dem All auftaucht – alles, was es braucht, ist das alles so weitergeht, wie bisher.

Eigentlich ist es ja recht simpel: Wir verbrauchen derzeit drei Erden, und das können wir nicht für immer tun. Unser System baut auf grenzenlosem Wachstum – auch das kann nicht lange gutgehen. Man braucht die Linie, auf der wir gerade wandeln, nur in die Zukunft vorzuzeichnen, um zu erkennen, dass wir auf einen Abgrund zusteuern. Aber begreifen wir das auch wirklich? Und handeln wir auch nach dieser Realisation? Haben wir zu Ende gedacht, was Nachhaltigkeit eigentlich bedeutet? Schließt diese Nachhaltigkeit wirklich alle anderen Lebewesen auf diesem Planeten ein, oder denkt sie nur an Ressourcen? Verbirgt sich unter dieser hohlen Phrase vielleicht nur der Wunsch, weiterzumachen wie bisher? Ist es nur die Verleugnung der Tatsache, dass es für eine größenwahnsinnige Zivilisation wie die unsere langfristig keinen Platz in der Realität gibt?

Weltuntergang oder Bewusstseinswandel?

Gerade in spirituellen Kreisen ist mit 2012 ein großer Optimismus ausgebrochen – die lichtvolle Hoffnung auf einen globalen Bewusstseinswandel, ein großes Umdenken, kurz bevor es zu spät ist, dürfte derzeit populärer sein, als die Idee eines globalen Kollaps. Und ja, es gibt sie durchaus, die Anzeichen für ein Erwachen der Menschheit und ein Aufbruch in ein neues Zeitalter. Aber wird es reichen, schlaue Sprüche auf Facebook zu liken?

Müssen wir der Katastrophe erst direkt ins Gesicht starren, um wirklich zu begreifen, wie sehr wir uns vom natürlichen Fluss entfernt haben, wie irre und ignorant unsere Zivilisation eigentlich wirklich ist? Braucht es die Krise, um einen Durchbruch zu erzwingen? Läuft es kollektiv womöglich genau so, wie im Leben von vielen Einzelnen, die leider erst nach dem Burnout beginnen, ihr Leben wirklich zu überdenken?

Vielleicht. Vielleicht sind Weltuntergang und Bewusstseinswandel auch nicht ‚entweder oder‘, sondern das gleiche. Wie würden wir damit umgehen? Was wenn der Traum von einem sauberen, friedlichen globalen Erwachen in ein neues Zeitalter nur ein weichgezeichneter Wunschtraum ist? Was wenn es eher wird, wie eine Geburt, mit Wehen, Blut und Schmerzen? Könnten wir das akzeptieren? Könnten wir unseren eigenen Tod akzeptieren, wenn er nötig ist, um das Gleichgewicht auf diesem Planeten wieder herzustellen? Wie tief ist der Frieden in uns, wie sicher unser Bewusstsein der Unsterblichkeit? Wie groß die Hingabe an eine höhere Ordnung? Ist unser Wunsch nach einem neuen Zeitalter authentisch und gilt er dem höchsten Gut aller Wesen oder ist er eigentlich mehr ein versteckter Egotrip? So ein Weltuntergang um der Ecke gibt doch reichlich Gelegenheit zu tiefer Kontemplation.

Loslassen

Niemand weiß, wie es weitergeht, auch mathematisch-wissenschaftliche Modelle nicht. Das macht diese Zeit so spannend, das ständig alles passieren könnte. Der Zusammenbruch ist vielleicht nur eine Angstprojektion, bleibt aber eine sehr reale Option und vielleicht lohnt es, sich im Inneren damit auseinanderzusetzen. Nicht um Angst zu kultivieren, sondern Gleichmut, Hingabe und Akzeptanz.

Unsere ganze Gesellschaft scheint mir Angetrieben von Angst, Gier, Kontrolle und dem Kampf ums Überleben. Selbst wenn es keinen Zusammenbruch geben sollte, so gibt uns allein sein drohender Schatten reichlich Gelegenheit, all diese Dinge in uns loszulassen: die Angst vor dem Tod, die Gier nach mehr, die Kontrolle über das Leben und die Natur.

Vielleicht liegt irgendwo darin auch die Erkenntnis, das wir nicht der Mittelpunkt des Universums sind, dass es einen natürlichen Fluss, eine kosmische Ordnung gibt, die weit größer ist als wir – und dass unsere Gier und unsere Sucht nach Kontrolle diesem Fluss niemals die Regeln diktieren wird. Und die Erkenntnis, dass wir nicht getrennt sind von der Natur, sondern Teil von ihr.

Eine indianische Weisheit sagt es sinngemäß so: ‚Der Mensch ist gemacht aus Wasser, Erde und Luft. Wenn aufhört, die Elemente zu achten, vergiftet und tötet er schließlich sich selbst.‘

So einfach ist das.

Autor:

Helmut Achterath aus Duisburg

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