Inside Duisburg-Marxloh: Zwischen Alltag und Angst?

Ein Kind des Ruhrgebiets: Franz Voll. | Foto: privat
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Deutschlands erste "No-Go-Area", das Detroit Deutschlands oder Problembezirk Nr. 1: Wenn es um Marxloh geht, ist das Urteil schnell gefällt - oft von Menschen, die noch nie hier waren. Dies und noch viel mehr kritisiert der Autor und Journalist Franz Voll, der im letzten Jahr sein Buch "Inside Duisburg-Marxloh" veröffentlicht hat.

Für dieses Buch lebte und recherchierte der 61-Jährige über sechs Monate direkt vor Ort in Marxloh, mischte sich direkt unter die Menschen und sprach mit Politikern ebenso wie mit ganz normalen Leuten auf der Straße. Der gebürtige Essener hat bereits für das "Team Wallraff" gearbeitet, hat aber inzwischen dem Ruhrgebiet den Rücken gekehrt und lebt auf Usedom. Wir sprachen mit ihm über seine Erlebnisse in Duisburg.

Wochen-Anzeiger: Der Untertitel Ihres Buches lautet "Ein Stadtteil zwischen Alltag und Angst". Ist das nicht etwas reißerisch?
Franz Voll: Das war eine Kooperation zwischen mir und dem Verlag. Ich wollte eigentlich "Ein Stadtteil und seine Bürger", aber das wollte der Verlag nicht, der wollte einen Titel mit "Angst" darin. Das mag etwas reißerisch klingen. Aber das sollte aufrütteln, die Leute sollen ins Regal greifen.

Ihr Buch ist gespickt mit vielen Zahlen und Fakten. Woher haben Sie die?
Ich bin ins Landesarchiv gegangen, habe bei der Polizei und beim Bürgermeister nachgefragt.

Was sagen Sie zum Thema Integration, das ja zu den größten Problemen in Marxloh gehört? Glauben Sie dem Oberbürgermeister, wenn er im Gespräch mit Ihnen sagt: "Integration ist hier Herzenssache"?
Ja, das nehme ich ihm ab. Aber eine Herzenssache muss auch bezahlt werden. Viele würden mehr machen, wenn es ginge. Das gilt auch für den Oberbürgermeister.

Hat Marxloh viel unter Vorurteilen zu leiden?
Ich habe einige Vorurteile in der Realität bestätigt gefunden. Zwei oder drei Straßen sind ein "heißes Pflaster". Was mich stört, ist, wie das medial umgesetzt wird. Eine Mitarbeiterin meines Verlages (der Schweizer Verlag Orell Füssli, Anm. d. Red.) hat mich gefragt: "Da trauen Sie sich hin?". Für die Schweiz ist Marxloh wie ein Kriegsgebiet. Das ist nicht realistisch.

Sorgen Bewegungen wie Pegida für zusätzliche Probleme?
Das hatte ich eigentlich befürchtet. Ich bin ja auch zur Montagsdemo gegangen. Aber so, wie die sich aufgeführt haben, war das eine Lachnummer. 180 Personen waren da. Eigentlich müssten in Duisburg Tausende kommen. 80 bis 100 von denen waren noch nicht mal Duisburger. Für Duisburg ist Pegida keine Gefahr. Pegida sagt zum Beispiel, dass die Rumänen abgeschoben werden müssen. Aber das sind EU-Bürger, die kann man gar nicht abschieben!

Sie haben für das Buch mit sehr vielen unterschiedlichen Menschen gesprochen.
Das hat sich so ergeben. Ich bin einfach über die Straße gegangen und habe die Leute angesprochen. Jeden, der wollte, haben wir genommen, auch eine Prositituierte und einen rumänischen Halbkriminellen. Ich wollte keinen Sozialökonomen, ich wollte vor allem junge Menschen, die in Marxloh leben und dort auch bleiben.

Hat es Sie nicht wütend gemacht, als Ihnen Zuwanderer sinngemäß gesagt haben: Wir stehlen nicht, wir nehmen uns einfach, was wir wollen, denn es gibt doch hier soviel? Oder wenn diese Menschen zugeben, dass sie kriminelle Geschäfte machen und obendrein auch noch Sozialleistungen beziehen?
Das macht einen richtig sauer. Manche kriegen tatsächlich Hartz IV, verkaufen Drogen, fahren Mercedes und bauen sich in ihrer Heimat auch noch zwei Häuser. Das ist eine ganz andere Mentalität. Da hat man die Faust in der Tasche. Und was sagt zum Beispiel die rumänische Regierung dazu? "Das sind keine Rumänen, das sind Roma."

Autor:

Susanne Schmengler aus Duisburg

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