Tabuthema Inkontinenz bewegte viele Anrufer

Aquagymnastik kann helfen. Foto: Helios
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Harn- und Stuhlinkontinenz sind immer noch Tabuthemen. Und das, obwohl rund acht Millionen Deutsche unter der Volkskrankheit leiden. Das war der Grund, warum der Wochen Anzeiger Duisburg Ärzte der Helios Kliniken zu einer Telefon-Aktion in den Redaktionsräumen eingeladen hatte. Die häufigsten Fragen und Antworten lesen Sie hier zusammen gefasst.

Wie entsteht eine Inkontinenz?
Harninkontinenz: Man unterscheidet verschiedene Formen der Harninkontinenz, auch Blasenschwäche genannt. Die häufigste ist die sogenannte Belastungsinkontinenz. Körperliche Anstrengung, Husten, Lachen oder Niesen führen zu einer Erhöhung des Drucks im Bauchraum und somit auch in der Blase. Diese wird zum einen passiv über die Bauchwand auf den Beckenboden übertragen und kann so ein Zusammendrücken der Harnröhre in Höhe des Durchtritts durch den Beckenboden verursachen. Zum anderen wirkt dem Ganzen eine unbewusste Anspannung des Schließmuskelapparates entgegen und verhindert so unkontrollierten Urinverlust. Bei einer Belastungsinkontinenz ist dieser Mechanismus gestört.
Die Gründe dafür sind je nach Geschlecht verschieden: Bei Frauen ist es häufig durch eine Schwächung der umliegenden Muskulatur und ein Absinken des Blasenhalses bedingt, etwa nach der Geburt eines Kindes. Beim Mann tritt diese Form am ehesten nach Operationen im Becken, zum Beispiel an der Prostata auf.
Eine weitere häufige Form ist die Dranginkontinenz. So wird gehäufter und nicht unterdrückbarer Harndrang, der mit Harnverlust einhergeht, bezeichnet.
Anders als bei der Belas­tungsinkontinenz liegen hier die Ursachen nicht in der Positionierung der Blase zum Beckenboden oder am Schließmuskel, sondern in der Blase oder deren Nervenversorgung. Man spricht deshalb auch vom Syndrom der überaktiven Blase. Unter Umständen kann eine Drangsymptomatik aber auch durch andere Erkrankungen wie Harnwegsinfekte, Blasentumore oder -steine, eine Prostatavergrößerung oder neurologische Erkrankungen bedingt sein. Deshalb sollten Betroffene die genauen Ursachen immer von einem Arzt abklären lassen.
Stuhlinkontinenz: Das ungewollte Ausscheiden von Stuhl kann unterschiedliche Ursachen haben. Häufig ist eine mit der Zeit schwächer werdende Muskulatur in Schließmuskel und Beckenboden oder ein träger Darm verantwortlich. Manchmal können aber auch einfache Eingriffe wie etwa eine Hämorrhoiden-Operation die Erkrankung verursachen, etwa wenn der Schließmuskel dabei in Mitleidenschaft gezogen wird. Bei Frauen kann es unter anderem nach einem Dammriss bei der Geburt zu einer Stuhlinkontinenz kommen.

Ab wann sollte ich zum Arzt gehen?
Natürlich stellt eine Inkontinenz erstmal „nur“ eine Beeinträchtigung der Lebensqualität dar. Doch auf Dauer macht sie den meisten Betroffenen sehr zu schaffen. Viele trauen sich aus Angst vor peinlichen Situationen am Ende kaum noch aus dem Haus, besonders bei einer Stuhlinkontinenz. Deshalb sollte der Gang zum Arzt möglichst früh erfolgen, auch um die ganze Bandbreite möglicher Therapien ausschöpfen zu können. Der Experte kann dann die genaue Ursache mit Hilfe verschiedenster Diagnostikverfahren wie etwa spezieller Ultraschallgeräte oder Druckmessungen feststellen und die geeigneteste Behandlung individuell festlegen.
Darüber hinaus kann etwa eine Dranginkontinenz auch das Symptom einer anderen, ernsteren Erkrankung sein.

Warum kann es nach Prostata-OPs zu Inkontinenz kommen und was können Betroffene dagegen tun?
Ursächlich ist entweder eine direkte Verletzung des Schließmuskels durch die Operation oder eine Beckenbodenschwäche, die nun in den Vordergrund tritt. Denn Männer müssen die dort verankerte Muskulatur bis dato in der Regel kaum nutzen, deshalb ist sie häufig nicht ausreichend trainiert, um den Verlust der Prostata auszugleichen.
Bei leichteren Formen können Maßnahmen zur Kräftigung des Beckenbodens wie Beckenbodengymnastik oder Elektrostimulation bereits eine deutliche Besserung erzielen. Daneben ergänzen auch medikamentöse Therapieoptionen zur Kräftigung des Schließmuskels das Spektrum. Liegen die Ursachen in anatomischen Veränderungen, wie dem Absinken der Blase oder der Verletzung des Schließmuskels, ist eine operative Korrektur eine weitere Option.

Welche konservativen und operativen Verfahren gibt es?

Unabhängig von der Form der Inkontinenz können soweit möglich zunächst die konservativen Therapien wie das Beckenbodentraining, eine Ernährungsumstellung oder die sogenannte Bio-Feedback-Therapie zur Linderung der Beschwerden genutzt werden. Letztere ist eine Methode, um intuitive Körperfunktionen bewusst zu machen und so die Kontrolle über sie zu erhöhen. Dabei wandeln spezielle Geräte die-se Funktionen in akustische oder visuelle Signale um. So trainiert der Patient, sich zur richtigen Zeit darauf zu konzentrieren und Einfluss zu nehmen.
Das Spektrum der operativen Therapie bei einer Harn- oder Stuhlinkontinenz reicht von minimal invasiven Eingriffen wie der Unterspritzung des Schließmuskels mit Gel-Implantaten oder dem Einsatz von künstlichen Bändern zur Unterstützung der Harnröhre bis hin zur Lagekorrektur von Beckenboden und Harnblase sowie der Implantation eines künstlichen Schließmuskels oder eines Schrittmachers.

Wann sind Beckenbodenübungen sinnvoll und wer kann mich anleiten?
Bei leichteren Formen einer Belastungsinkontinenz ist ein Beckenbodentraining häufig die sinnvollste und schonendste Option. Da viele Patienten ihren Beckenboden aber noch nie bewusst wahrgenommen haben, sollte die Anleitung idealerweise durch einen Physiotherapeuten erfolgen. In vielen Fällen lässt sich das Leiden so fast vollständig beheben. Über die Finanzierung der Übungseinheiten oder zusätzlicher Hilfsmittel können sich Betroffene bei ihrer Krankenkasse informieren.

Was sollten schwangere Frauen beachten? Können Sie schon vorsorgen?
In der Schwangerschaft selbst macht Beckenbodentraining nur wenig Sinn, da der Körper in Vorbereitung auf die Geburt den gesamten Beckenboden dehnt und „aufweicht“. Einige Wochen nach der Geburt sollten die Betroffenen aber in jeden Fall die Angebote zur Rückbildungsgymnastik nutzen, um den Beckenboden wieder zu festigen und so Spätfolgen zu verhindern.

Die Urologie an der HELIOS Marien Klinik Duisburg in Hochfeld bietet jeweils montags von 10 bis 12 Uhr eine spezielle Harninkontinenz-Sprechstunde an. Terminvereinbarung in der Ambulanz unter der  0203 – 6009 323.

Aquagymnastik kann helfen. Foto: Helios
Physiotherapie kann die Beckenbodengymnastik unterstützen. Foto: Helios
Autor:

Harald Landgraf aus Dinslaken

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