Auf den Spuren ihrer jüdischen Familie

Jeanie Schottenstein berührt den Stolperstein ihrer Mutter Hedwig Gompertz. Foto: Jörg Terbrüggen
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Es war ein sehr bewegender Moment, als Jeanie Schottenstein den Stein ihrer jüdischen Mutter Hedwig Gompertz in der Steinstraße berührte. Dort, wo die Familie einst gelebt hat und von wo aus sie 1939 vor den Nazionalsozialisten floh

.

Hedwig Gompertz lebt in Amerika, wollte die Reise nach Deutschland nicht mit antreten. Sie schweigt bis heute über die Ereignisse, die ihrer Familie damals in Emmerich widerfahren sind.Doch die Tochter „stolperte“ im Interner über eine Dokumentation der Stolpersteine und stieß dabei auf ein Foto aus der NRZ. Es zeigte Schüler der Realschule, die am 28. März 2011 genau an der Stelle, wo einst das Geschäftshaus der Familie stand, Steine in der Hand hielten. Eine von ihnen war Ricarda Gabriel aus Elten.
Sie hielt den Stein der Mutter Hedwig in Händen und stand jetzt deren Tochter im Europasaal gegenüber. „Das ist schon etwas Besonderes. Ich wusste damals ja nicht, was mit den Leuten in den USA passiert ist. Ich wusste nur, dass ein junges Mädchen in die USA geflohen ist. Und jetzt treffe ich die Nachfahren. Das ist sehr bewegend.“ Die kleine Emma Schottenstein, fünf Jahre jung, hatte Ricarda sofort in ihr Herz geschlossen und setzte sich mit ihr zusammen. Sie verstanden sich auf Anhieb.

Familie genoss großes Ansehen

Irene Möllenbeck, Vorsitzende der Bürgeraktion Pro Kultur, begrüßte die Familie am Donnerstag im Eurpoasaal. Sie gab einen Einblick in die Lebensgeschichte von Hedwig Gompertz, deren Bürgerrechte man bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen konnte. „Sie genoss großes Ansehen in der Stadt. Richard Gompertz war bis zu seiner Flucht Vorsteher der jüdischen Gemeinde und betrieb in der Steinstraße ein Schuhgeschäft, das am 17. März 1901 von seinem Großvater gegründet wurde. Mutter Hedwig besuchte die jüdische Schule und nach deren Schließung bis 1938 die Waldschule.“
Als Irene Möllenbeck Jeanie Schottenstein ein Foto der Mutter und ein Klassenfoto zeigte, liefen ihr ein paar Tränen die Wangen herunter. Die Großmutter musste mit der Mutter damals um ihr Leben bangen. Irene Möllenbeck: „Wir sind sehr froh, dass sie überlebt haben. Es ist uns sehr wichtig, im Namen aller Ememricher Bürger uns bei ihr für das zugefügte Leid zu entschuldigen. Wir alle sind aufgerufen darauf zu achten, dass dies alles niemals wieder geschehen kann.“

Stammbaum als Geschenk

Die Vorsitzende von Pro Kultur erläuterte der Familie, wie es zu dieser Aktion mit den Stolpersteinen kam. „Keine der jüdischen Familien wird je vergessen.“ 99 Stolpersteine liegen in Emmerich. Jay Schottenstein bemerkte, dass dieses Projekt besonders wichtig sei und es müsse aufrecht erhalten werden, damit solch schreckliche Dinge in Zukunft nie wieder passierten. Und Jeanie Schottenstein freute sich, dass ihre Familie hier in Emmerich nicht vergessen wird. Sie stellte ihre komplette Familie in einem kurzen Video vor. Dann rollte sie den riesigen Stammbaum der Familie aus, den sie dem Verein Pro Kultur als Geschenk überreichte. Eine Kopie davon erhält die Gesamtschule in Emmerich, deren Schüler sich regelmäßig um die Stolpersteine in der Stadt kümmern.
Bei einem gemeisamen Spaziergang durch die Steinstraße besuchte man anschließend das Haus mit der Nummer 1. Dort stand einst das Schuhgeschäft der Familie Gompertz. Vor dem Haus erinnern drei Steine an die Menschen, die aus der Stadt vor den Nazis geflohen sind. Jeanie kniete nieder und legte ihre Hand für einen Moment auf den Stein ihrer Mutter. Vielleicht wird sie ihr ja daheim von der Herzlichkeit der Menschen in Emmerich, von Ricarda und den Steinen erzählen, die die Familie nicht in Vergessenheit geraten lässt.

Autor:

Jörg Terbrüggen aus Emmerich am Rhein

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