Mein Praktikum (3) ... beim Zug um Zug

Sabine Häuser hat selbst noch nicht gefrühstückt. Obwohl sie seit 6.15 Uhr Milch kocht und Brötchen aufschneidet. „Guten Morgen“, begrüßt sie mich mit einem Strahlen im Gesicht. Heute mache ich mein Praktikum bei zwei ZuZ-Projekten: im „Kinder-Es-S-Bahnhof Borbeck“ und im Café.

Den morgendlichen Weg zum Bäcker hat Häuser bereits hinter sich. „Du kannst die Brötchen belegen!“, gibt mir Sabine - man duzt sich hier - meine erste Arbeitsanweisung. „Aber Halt! Hände waschen vorher nicht vergessen.“ So viel Zeit muss sein. „Wir machen uns hier ohnehin keinen Stress“, verrät die Leiterin der Verpflegungsstation, die an diesem Tag von Norbert und ihrer Tochter Kathrin unterstützt wird. „Es soll ja auch Spaß machen.“ Insgesamt kümmert sich ein elfköpfiges Team - von Häuser abgesehen alles ehrenamtliche Helfer aus der Gemeinde - um das Projekt, immer im Wechsel. „Nur Sabine ist an jedem Tag hier“, erklärt Norbert. Zumindest an jedem Wochentag.

Ich habe mir derweil Brotmesser und Margarine besorgt. Zur Auswahl stehen Mortadella, Schinken, Schnitt- und Schmierkäse. Präzise Vorgaben für die Anrichtung gibt es nicht. „So dass es eben schön aussieht und schmeckt.“ Die Anspielung auf meine mangelnde Kommunikationsfähigkeit, während ich so das Messer schwinge, kommt nicht unversehens: „Du darfst ruhig dabei reden!“ Nun ja, dass ich kein Frühaufsteher bin ist seit meinem Supermarkt-Einsatz ja auch kein Geheimnis mehr.
Schon bald steht das erste Kind an der Durchreiche im Bahnhofsgebäude. „Habt ihr Schmierkäse?“ Klar. Norbert hüpft auf, tütet das gewünschte Brötchen ein und schenkt dazu in einen Einwegbecher Kakao aus. Schüchtern sind die meisten „Kunden“, zu schämen scheinen sie sich aber nicht. Oder? „Manchmal sieht man schon bekannte Gesichter mit gesenkten Köpfen vorbei huschen“, verrät mir das Team. „Dann ist meist ein Elternteil dabei.“ Besonders von denen erhalte man hin und wieder Erklärungsversuche und Rechtfertigungen. „Dabei ist das doch gar nicht nötig!“, betont Sabine.

Gern versorge man alle bedürftigen Schüler mit den gesunden Frühstückspaketen, die meist aus Brötchen (oder, wenn die aus sind, Brot), Äpfeln und zu besonderen Anlässen auch mal einer Süßigkeit bestehen. Wobei Bedürftigkeit leider viele Gesichter hat, wie ich schnell lerne. Während die einen Kids aus finanzschwachen Familien stammen, werden die anderen schlichtweg in Sachen Versorgung vernachlässigt. Gut also, dass beim ZuZ die erste Mahlzeit - gern auch gemütlich mit einer Schale Müsli im Essbereich sitzend - auf sie wartet.

Um kurz vor acht Uhr ist die Schicht schon gelaufen, das Essen, das überwiegend von der Essener Tafel gestellt wird (manchmal auch durch Spenden ergänzt), ausgegeben, die kleinen Gäste längst auf dem Schulgelände. Im „Es-S-Bahnhof“ laufen noch die Aufräum- und Spülarbeiten, die ungenutzten Lebensmittel wandern in den Kühlschrank zurück, zwischendurch knipsen wir noch ein paar Fotos.
Sabine folgend geht es gleich weiter. Schräg gegenüber ist das ZuZ-Café beheimatet, wo Lydia und Eli bereits herumwirbeln. Und mir bietet sich das gleiche Bild wie zum Arbeitsanfang: ein Stapel Brötchen, der geschmiert werden will. Déjà-vu nenne ich das. Nur die Beläge sind andere: Mett und Lachs stehen hier beispielsweise neben Wurst und Käse zur Auswahl, auch Garnitur aus Gurken und Paprika. Nebenan kochen die Eier, es duftet nach Kaffee. „Du kannst noch eine Kanne aufsetzen“, weist mich Lydia ein, nachdem sie auch mir ein kleines Frühstück ans Herz gelegt hat.
Dann trudeln die zumeist älteren Herrschaften ein, „zu 98 Prozent Stammgäste“. Man kennt sich beim Vornamen, man schwatzt, man neckt sich. Tasse für Tasse geht über die Theke, die Handgriffe sitzen. „O-Saft?“, kommt inmitten der Routine eine irritierte Nachfrage. „Habe ich richtig gehört?“ Eigentlich sind die üblichen Bestellungen bekannt, Abweichungen ziehen Aufmerksamkeit auf sich. „Ich gönn mir heute mal was!“, bestätigt der Gast. Alles klar, es kann weiter gehen.

Schwer ist es für mich, in dieser top eingespielten Café-Idylle überhaupt etwas beizutragen. Deshalb sauge ich alle Eindrücke auf, gucke den erfahrenen Kräften auf die Finger und frage, frage, frage. So wird mir schnell klar, wie schnell und fleißig man hier vorgehen muss, trotz herzlicher Wärme herrscht stets auch Professionalität.
Und das, obwohl manche Geräte längst nicht mehr auf dem neusten Stand sind. „Das kostet eben alles auch viel Geld“, weiß Lydia, zudem müsse man große Veränderungen aufgrund des Denkmalschutzes auch stets umgehen. Nicht gerade einfach, auch wenn ZuZ-Chef Frank Kampmann, wie seine gesamte Truppe, an allen Ecken und Enden Arbeit und Liebe reinstecken.

Einige Bestellungen jongliere ich dann doch noch persönlich an die Tische, bevor mein Praktikum schon wieder zu Ende ist. Zugegeben, ins Schwitzen gekommen bin ich im ZuZ nicht. Aber jeder sollte hier mal einen Tag verbracht haben. Denn das war echt nett.

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Autor:

Sara Drees aus Dortmund

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