Im Juni geht´s für Essener Gehörlosensportler zur EM nach Slowenien

Johannes Behr ist ein großes Tennistalent. Jetzt schlug der 19-Jährige beim Deutschen Gehörlosen Sportfest in Essen auf. Neben Tennis standen Fußball, Dart, Schießen oder Leichtathletik-Disziplinen auf dem Wettkampfplan. Foto: Gohl
  • Johannes Behr ist ein großes Tennistalent. Jetzt schlug der 19-Jährige beim Deutschen Gehörlosen Sportfest in Essen auf. Neben Tennis standen Fußball, Dart, Schießen oder Leichtathletik-Disziplinen auf dem Wettkampfplan. Foto: Gohl
  • hochgeladen von Lokalkompass Borbeck

Essen stand drei Tage lang im Fokus des Sports. In 17 Sportarten – von Badminton bis Wasserball – wurden hier die Deutschen Meisterschaften der Gehörlosen ausgetragen.

Vor vier Jahren hatte der Gehörlosen Turn- und Sportverein 1910 Essen e.V. (GTSV) den Zuschlag zur Ausrichtung des traditionellen Deutschen Gehörlosen Sportfestes, das 24. seiner Art seit 1920, bekommen. Und seitdem arbeiten die Organisatoren daran, die Wettkämpfe vorzubereiten. 1.300 Sportlerinnen und Sportler aus ganz Deutschland sind gemeldet. Schon allein das war eine logistische Herausforderung für die Macher.

Stolz wie Bolle

„Wir haben uns erst monatlich getroffen und in der letzten Zeit wöchentlich, um alles für diese drei Tage zu organisieren“, erzählt Christian Aengenheister, Abteilungsleiter der Tennisabteilung des GTSV.
Auf der Außenanlage des Tennisverbandes Niederrhein an der Hafenstraße in Bergeborbeck sind an diesem Tag alle acht Plätze belegt. Es wird heftig um Punkte, Satz und Siege gekämpft. Karsten Frömter vom GSV Schwerte ist an diesem Vormittag nicht zu bezwingen. In zwei Sätzen setzt er sich mehr als deutlich 6:0, 6:0 gegen Henning Egge vom GBF München durch und kann somit den ersten Tagessieg für sich verbuchen.
Bei Nationalspieler Johannes Behr vom GTSV Essen ist noch nichts entschieden. Er befindet sich im zweiten Satz. Den ersten Durchgang gegen Tilmann Asendorf vom HTV Frankfurt hat er klar mit 6:1 für sich entschieden. Doch das Match wird enger. Derzeit liegt der Essener mit 2:3 Spielen hinten. Aber Behr kämpft, bringt den eigenen Aufschlag durch und schafft das erneute Break. Am Ende holt er sich auch Satz Nummer zwei mit 6:3 und kann als jubelnder Sieger vom Feld gehen.
Dr. Peter Behr und Barbara Behr, die Eltern des 19-jährigen Ausnahmespielers, fiebern am Rande des Platzes mit. „Wenn unser Sohn spielt, ist mein Mann immer sehr aufgeregt und es hält ihn kaum auf der Bank“, schmunzelt Barbara Behr. Sie selbst ist einfach nur stolz auf ihren erfolgreichen Sohn. Fünf Deutsche Meistertitel hat er in der Jugend gewonnen. Bei der Weltmeisterschaft in Nottingham ist ihm im vergangenen Jahr sein bisher größter sportlicher Erfolg gelungen: Der Gewinn des Vizeweltmeistertitels.

Tollster Sport der Welt

Johannes ist gehörlos zur Welt gekommen. Auf dem Tennisplatz scheint das für ihn allerdings kein Handicap zu sein. Und auch im Alltag geht er seinen Weg. „Wir hatten großes Glück, dass eine der wenigen Therapeutinnen in Deutschland, die mit auditiv-verbaler Therapie arbeiten, ihre Praxis in Duisburg hat“, berichtet Barbara Behr. Bei ihr hat Johannes sprechen gelernt. Vor neun Jahren hat er dann ein Cochlea-Implantat bekommen. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Seitdem kann der erfolgreiche Tennissportler Töne wahrnehmen. Sein Vater erinnert sich an einen ganz besonderen Tag: „Als Johannes das Implantat hatte, habe ich ihm zu Hause Klavier vorgespielt. Er konnte die Musik das erste Mal hören“, beschreibt Dr. Behr dieses bislang unvergessliche Moment. Auch für Johannes. Der spielt seit sieben Jahren nun selbst mit Begeisterung Klavier.
Johannes Behr, verschwitzt, aber zufrieden mit seinem ersten Sieg heute, strahlt: „Tennis ist für mich die tollste Sportart der Welt – weil ich jeden Ball bekomme." An Selbstbewusstsein fehlt es dem erfolgreichen Essener nicht. Gelegenheit, die Sportwelt von seinem Talent zu überzeugen, hat er beim Gehörlosen Sportfest reichlich. Tritt er doch in der Gruppe der Jugendlichen, der Herren, im Doppel und im Mixed an.

Ab zur EM!

Johannes, der im normalen Leben gerade für sein Abitur arbeitet, hat auch schon klare Berufswünsche: „Ich möchte Lehrer für Gehörlose im Bereich Naturwissenschaften werden und auch noch Ingenieur“, betont er. Auch deshalb würde er es sehr begrüßen, wenn es am Rheinisch-Westfälischen Berufskolleg Essen eine Gebärdensprache-AG geben würde, hat er sich doch bis jetzt die Gebärden durch Beobachten und Nachahmen auf dem Schulhof selbst beigebracht.
Im Juni steht die Europameisterschaft der Gehörlosen in Slowenien auf dem Programm. Und 2017 die Deaflympics, die Paralympics für Gehörlose. 4.000 Teilnehmer werden dazu in der Türkei erwartet und Johannes ist auf jeden Fall dabei.

Text: Doris Brändlein

Autor:

Lokalkompass Borbeck aus Essen-Borbeck

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

10 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.