Münzen haben keine Eile

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Allmählich füllen sich die Sitzplätze. Wer kommt, bringt Mappe oder Beutel mit, darin Münzalben oder lose (An-)Sammlungen. Hier muss man aber auch Zeit mitbringen, denn Heinz Josef Kramer nimmt sich diese, wenn er im Ruhr Museum Sammler berät - kostenlos und ausführlich.

84 Jahre alt ist Heinz Josef Kramer, und die Münzberatung macht er seit 25 Jahren. Da darf man von Hölzken auf Stöcksken kommen. Wer ihn aufsucht, bekommt nicht nur individuelle Erläuterungen zu den Stücken, die man mitbringt, sondern eine Einführungsvorlesung in das Thema Münzen und Medaillen und was damit zusammenhängt.
Damit hat nicht jeder gerechnet, denn nach 30 Minuten der auf zwei Stunden angesetzten Beratungszeit nehmen die ersten ihre Tüte und gehen wieder. Wer bleibt, erfährt viel, denn Kramer hat die Museumsabteilung ganz wesentlich - sagen wir mal - geprägt. Das Ehrenamt hat der Experte erst im Ruhrlandmuseum an der Goethestraße ausgeübt, heute im Ruhr Museum auf Zollverein. Dort findet die Beratung vierteljährlich im Kokskohlenbunker statt. Klingt duster, aber der Raum hat Fenster, und Kohlenstaub gibt es lange nicht mehr.

Nach dem Einführungsvortrag nimmt sich Heinz Josef Kramer die Stücke vor, welche die Sammler jeder Altersgruppe mitgebracht haben: „Wilhelm II, 3 Mark, 1910, stark angelaufen, sehr schön.“
Letzteres ist keine persönliche Wertung, sondern Stufe auf der Skala des Zustands. „Sehr schön“ bedeutet: Alle Einzelheiten sind erkennbar. Wenn es sich nicht um etwas ganz Besonderes handelt, sollte das Stück mindestens diese Klassifizierung aufweisen, um einigen Wert zu haben. Bloß „schön“ ist also für Numismatiker gar nicht mehr so schön.
Wilhelm zwo, immerhin 5,5 Millionen mal geprägt, bringt es in Kramers Katalog auf 16 Euro: „Das bedeutet, von einem Händler kriegen sie 8,50 Euro dafür.“ Denn den Katalogwert muss einem erst mal einer geben, und das tun professionelle Händler selten.
An dieser Stelle gehen die beiden Damen mit Papiergeld. Vielleicht, weil Kramer kurz zuvor erwähnte, dass gerade Inflationsgeld oft nur wenige Euro bringt, sich also seit den 1920ern wenig geändert hat.
Mehr bekommen kann man über den Verkauf im Internet. Der Käufer sieht aber nicht, was er kriegt. Da ist Vorsicht geboten, bedenkt man, dass eine Stufe tiefer im Erhaltungsgrad kann den Wert einer Münze von 3.000 auf 380 Euro senken kann. Experte Kramer bietet Expertisen an, die aber bei entsprechender Anzahl durchaus einige Monate dauern können.

Allen, die eine gut sortierte Sammlung verkaufen, rät Heinz-Josef Kramer eher zu einer Auktion. Es sei denn, sie nehmen lieber seinen Tipp fürs Finanzamt wahr: „Wer in einer hohen Steuerklasse ist, hat manchmal mehr von einer Spende an ein Museum.“ Die Münzsammlung wird dann geschätzt, eine entsprechende Spendenquittung ausgestellt.
In den letzten 25 Jahren hat offenbar so mancher den Tipp beherzigt. In Kramers Zeit hat sich die entsprechende Stückzahl (Münzen, Medaillen, Orden etc.) von einst 5.000 im Ruhrlandmuseum auf heute 21.000 im Ruhr Museum erhöht.

EXPERTENTIPP:
Wer einer Münze etwas Gutes tun will, bearbeitet sie nicht mit Poliertuch oder Pulver, das hinterlässt oft Spuren. Im Katalog kann die Einstufung dann heißen: „vorzüglich, jedoch berieben“, was den Wert schon mal um ein Drittel senkt. Besser: kurzes Tauchbad, langes Fließwasser, vorsichtig trocken tupfen.

Patina ist gut, aber nur die natürliche. Bewahrt man Münzen in Plastik auf, kann ein unschöner Belag entstehen, vor allem bei Silber. Ausgelöst wird er durch Weichmacher im Kunststoff. Besser ist säurefreies Papier.

Autor:

Sabine Pfeffer aus Essen-Kettwig

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