Demokratie für alle - Hintergründe zur Essener Solidaritätskundgebung für die Istanbuler Demonstranten

Demokratie für alle! muss für die Türkei wie auch Deutschland gelten. Eine Regierung darf sich nicht bloß zum Sprachrohr der maximalen Kapitalvermehrung machen. Ansonsten hat ein Stadtpark gegenüber einem Einkaufszentrum oder einem neuen Tiefbahnhof Stuttgart 21  immer die schlechteren Karten.
3Bilder
  • Demokratie für alle! muss für die Türkei wie auch Deutschland gelten. Eine Regierung darf sich nicht bloß zum Sprachrohr der maximalen Kapitalvermehrung machen. Ansonsten hat ein Stadtpark gegenüber einem Einkaufszentrum oder einem neuen Tiefbahnhof Stuttgart 21 immer die schlechteren Karten.
  • hochgeladen von Walter Wandtke

Kurzfristig war am Sonntag eine Kundgebung zustande gekommen, mit der einige Hundert EssenerInnen ihre Solidarität mit den Tausenden an Demonstranten in der Türkei zeigten. Warum es nötig ist, gegen die Polizei- und Regierungswillkür des strikt konservativen türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan auch hier in Deutschland auf die Straße zu gehen, beschreibt eine Rede , die Gönül Eglence, Vorstandssprecherin der essener Grünen am 2. Juni auf dem Kennedyplatz in deutsch und türkisch vortrug:
Gönül Eglence 2. Juni 2013

"Demokratie für Alle!

Die Türkei ist seit einigen Tagen Zeugin eines zivilen Protestes, das sich als buttom up Bewegung infolge von unangemessen hoher staatlicher Gewalt. Das Versprechen, das im Anschluss an die Wahlen von 2007 gegeben wurde, dass jeder Lebensstil nunmehr respektiert werde, ist leider schnell in Vergessenheit geraten. Die Versuche der Regierung, das eigene Menschenbild und den eigenen Lebensstil aufzuoktroieren haben ihren Zenit erreicht. Der Begriff ‚Demokratie‘ scheint nur noch zwischen den Lippen eines Mannes zu liegen und erlebt derzeit seine Prüfung im Herzen Istanbuls.

Brutale türkische Polizei

In Istanbul waren Menschen in den Gezi-Park gekommen, um gegen das geplante Einkaufszentrum im Grüngürtel friedlich zu demonstrieren, woraufhin die Polizei begann ebarmungslos dagegen vorzugehen. Die Brutalität der Intervention gegen die AktivistInnen führte dazu, dass sich Millionen Menschen mit den AktivistInnen soladirisierten und mit Pfannen und Töpfen an ihre Fenster gingen.
Als Menschen, die in Europa leben und an die Demokratie glauben, unterstützen wir die Bewegung, die als bottom up Bewegung aus der Mitte des Volkes entspringt, ohne dass irgendeine Partei oder Institution diese kontrollieren oder lenken würde und sprechen ihr unsere uneingeschränkte Solidarität aus. Wir verurteilen ein Vorgehen, das mit Gas-Bomben und Wasserwerfern gegen diese Bewegung vorgeht auf’s Schärfste.

Stadtpark statt Einkaufszentrum

Obwohl ein Urteil des Verwaltungsgerichts vorliegt, dass den Stopp des Baus des Einkaufszentrums fordert und auch der Oberbürgermeister Istanbuls bereits Fehler im Vorgehen eingeräumt hat, weigert sich die Regierung nach wie vor den Park als öffentlichen Raum, der Bevölkerung zu überlassen. Die türkische Regierung muss nun ihren sinnlosen Starrsinn aufgeben und insbesondere dem gewaltsamen Vorgehen gegen die Protestierenden einen Riegel vorschieben.
Das türkische Parlament muss endlich Verantwortung übernehmen!
Das türkische Parlament, das durch die Wahlergebnisse, das bisher stärkste Parlament darstellt ist die einzige Macht, die die Lähmung der Regierung überwinden kann. Das Parlament, das in den letzten Jahren zunehmend an Vertrauen verlor, muss sich jetzt mit den Protestierenden solidarisieren und dem Chaos sowie der Gewalt Einhalt gebieten und den Weg für Reformen in Richtung Demokratisierung ebnen.
Die Europäische Union muss Verantwortung übernehmen!
Seit 2007 erhält die Türkei in Sachen Menschenrechte schlechte Zeugnisse. Der Demokratisierung der Türkei muss endlich ein Tor geöffnet werden. Das Aufbegehren von Millionen Menschen muss als Reaktion gegen ein autoritäres Regime gewertet werden. Die EU muss sich daher mit dieser Protestbewegung solidarisieren und dem Mehrheitsdiktat mit klaren Worten entgegen treten. Die Rechte der 49,5% , die einen anderen Lebensstil wählen dürfen nicht missachtet werden.

Die Türkischen Medien müssen Verantwortung übernehmen!

Die von der Regierung abgeschreckten türkischen Medieninstitutionen haben es vorgezogen die fatalen Ereignisse lieber nicht zu sehen und wegzuschauen. Die Medien und ihre VertreterInnen, die erst kürzlich im Rahmen des NSU Prozesses protestierten, weil sie nicht bedacht wurden, scheinen dieser Tage das Recht auf Information der Bevölkerung vergessen zu haben. Die Medienbranche ist nicht nur eine wirtschaftlich relevante Branche, sondern auch und vor allem eine Branche mit gesellschaftspolitischer Verantwortung. Dieser Verantwortung muss nun endlich genüge getan werden.
Es darf nicht vergessen werden, dass Demokratie keine Straßenbahn ist, auf die die Herrschenden auf und absteigen können, wenn es ihnen passt."
Demokratie für Alle!

Autor:

Walter Wandtke aus Essen-Nord

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

16 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.