Heinz und Jürgen aus Altenessen: "Es gibt doch No-Go-Areas, ätschibätschi..."

Wie nützlich ist eine Diskussion über No-Go-Areas, solange Menschen bestimmte Räume meiden?
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  • hochgeladen von Susanne Demmer

Jüngst titelte der Lokalkompass AWO Essen und NRW-Innenminister Jäger: "Es gibt keine No-Go-Areas". Heinz und Jürgen sehen das kritisch. "Ob go-go odder no-go, dat is doch allet gaga, wat hier gequatscht wird." sagt Jürgen. "In Teilen unserer Stadt gibbet Angsträume und da gehsse halt nich mehr hin odder verbietes deinen Blagen, dat se dort rum laufen sollen. Also is dat für dich ne No-Go-Area, is doch logo, odder? Und dann gibbet auch noch so Ecken, da gehsse nich mehr hin, weil da einfach nix mehr is, wie zum Beispiel nen Supermarkt.
Also quasi: Früher Konsum, heute No-Gonsum, wie der Sachse sagen würde. Und dat macht vor allem den Älteren und Gebrechlichen zu schaffen."

Worüber reden wir hier eigentlich?

Während die einen in Dauerschleife die Existenz von No-Go-Areas verneinen und sich dabei laut Definition auf rechtsfreie Gebiete beziehen, die die Polizei vor lauter Angst nicht mehr besucht, reden die anderen über Räume, die sie selbst schlicht und einfach meiden. Räume, die sie früher gerne und oft besucht haben.

Dieses Vermeidungsverhalten der Bürger durch ein Wortgefecht über "No-Go oder nicht" kleinzureden, ist gefährlich. Es verschleiert das, was im öffentlichen sozialen Miteinander passiert: Bestimmte Räume werden aus Angst, Sorge oder fehlender Angebote nicht mehr genutzt und verändern schleichend unsere Stadtgesellschaft. Es fehlt eine nüchterne Bestandsaufnahme und ein breiter Diskurs über subjektives und objektives Angstempfinden und Vermeidungsverhalten.

Altenessen muss weder schön, noch schlecht geredet werden

Der bekannte Sozialarbeiter Thomas Rüth sagt "Die Bürger von Altenessen seien es leid, dass ihr Stadtteil „kaputt geschrieben“ werde." Heinz meint "Wat kaputt is, is kaputt. Dat musse auch sagen, sonst wird dat nich besser. Und seit bei uns der Supermarkt wech und die Rolltreppe zur U-Bahn ewich kaputt is, siehsse hier kaum mehr einen laufen und quasseln so wie früher. Hier is ne Menge sozialer Klebstoff kaputt gegangen."

Fakt ist: Altenessen ist im Vergleich zur Gesamtstadt ein ökonomisch schwacher Stadtteil mit zahlreichen, über Jahrzehnte gewachsenen Problemen. Die Schönheit eines Kaiserparks, die Attraktivität einer Zeche Carl und die vielen netten Menschen, die hier sehr gerne leben, sind ebenfalls Fakt. "Und nu? Ein Coffee to go und weiter wie bisher? So geht dat nich, sonst geht dat hier so weiter und dann geht nix voran!", sagt Jürgen.

Gibt es "statistische Angsträume"?

Der nun entstandene Wettbewerb zwischen Schön- und Schlechtrednern füllt zwar die Medien, auf der Zahlen- und Faktenseite jedoch herrscht gähnende Leere. Wo läge eigentlich das Problem, wenn man viel deutlicher lesen würde, dass die Kriminalität in Altenessen-Süd doch ganz anders aussieht als in Bredeney-Nord oder dass die Luft hier todbringender ist als in Fischlaken? Gibt es hier womöglich "statistische Angsträume", die von Politik und Verwaltung nicht gerne betreten werden? Fürchtet man den eigenen Imageschaden, wenn es laut schallt "Hier ist die Kinderarmut am Größten!"?

Für Heinz und Jürgen ist längst klar: Altenessen braucht mehr Knete, mehr Sicherheit, mehr Ärzte, eine bessere Infrastruktur, weniger Umweltgifte, eine zukunftsweisende Wohn- und Verkehspolitik und viel, viel mehr Bürgerbeteiligung. Alles andere finden Jürgen und Heinz hier völlig in Ordnung.
Sie gehören nicht zu denen, die meinen, dass man es "geschafft" hat, wenn man aus dem Norden "heraus gekommen" ist. Dieses Denken gab es schon in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Dass es das heute auch noch gibt, ist ein trauriger Fakt, über den man reden muss, sonst wird das nichts mit einer Imageverbesserung.

In Altenessen gibt es viel zu tun.
Hier existiert eine riesengroße TO-DO-AREA!

Wie nützlich ist eine Diskussion über No-Go-Areas, solange Menschen bestimmte Räume meiden?
Ein Diskurs über subjektives und objektives Angstempfinden wäre wünschenswert.
Autor:

Susanne Demmer aus Essen-Nord

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