Zum Volkstrauertag gedachte Petra Hinz der Opfer von Krieg, Flucht und Vertreibung - dabei waren die Gedanken auch in Paris

Gedenken zum Volkstrauertag in Frohnhausen (MdB Petra Hinz, Bildmitte)
  • Gedenken zum Volkstrauertag in Frohnhausen (MdB Petra Hinz, Bildmitte)
  • hochgeladen von Ursula Dotzki

Bürgerschützenverein und Bürgerverein Frohnhausen hatten traditionsgemäß eingeladen, um anlässlich des Volkstrauertages am Ehrenmal im Gervinuspark der Opfer von Krieg und Gewalt zu gedenken.

Der Einladung des Bürgervereins Frohnhausen und seines Vorsitzenden Udo Karnath, sowie des Bezirksbürgermeisters Klaus Persch, hier die Gedenkrede zu halten, war Petra Hinz, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Essen, gerne gefolgt.

Nachstehend die eindringlichen Worte von MdB Petra Hinz:

„Wir haben uns hier versammelt, um der Opfer der Gewalt und der Opfer der beiden Weltkriege zu gedenken. Das heißt: Sich zu erinnern und unsere Gedanken so auf die Toten und ihr Schicksal zu richten, dass ihr Schicksal, ihr Leiden und ihr Sterben in unsere Gedanken und unser Bewusstsein eingehen. Uns damit zum Nachdenken darüber zu bringen, ob wir nicht nur heute, am Volkstrauertag, sondern an jedem anderen Tag des Jahres genug tun, damit sich ein solches Leiden und Sterben nicht wiederholt.

Ich möchte auf die schrecklichen Ereignisse in Paris eingehen. Es war ein Terrorangriff, es waren heimtückische Morde.

Der Anschlag in Paris galt uns allen. Viele in Deutschland, aber auch wir in Essen-Frohnhausen, fühlen in diesen Stunden mit der französischen Nation und mit den Familien und Freunden, die einen Angehörigen verloren haben. In den zahlreichen Sendungen und Liveübertragungen ist mir ein Interview in ganz besonderer Erinnerung, weil es so deutlich macht, wie verletzbar unsere Demokratie und wir Menschen sind. Eine französische Mutter sagte: ‚Ich glaubte, ich habe meinem Sohn eine Konzertkarte geschenkt und es war eine Karte in den Tot‘.

Die Morde haben ganz bewusst auf unsere Vorstellung von Freiheit und Sicherheit gezielt. Ein freier Staat ist immer verletzlich. Und trotzdem wollen wir ein offenes Land und eine offene Gesellschaft bleiben. Der IS trägt Terror, den Krieg und die Gewalt in die Welt. Dies darf aber nicht zu einer Verallgemeinerung gegenüber allen Muslimen führen.

Lieber Udo Karnath, liebe Frohnhauserinnen und Frohnhauser,

ich fordere dazu auf, sich weiterhin vor die Flüchtlinge zu stellen, die aus islamischen Ländern in Deutschland Schutz und Sicherheit suchen. Wir dürfen sie jetzt nicht darunter leiden lassen, dass sie aus Regionen kommen, aus denen der Terror zu uns in die Welt getragen wird. Das ist der Grund, warum sie flüchten. Und aus diesem Grunde rufe ich auf, sich auch weiter schützend vor Flüchtende zu stellen.

Liebe Frohnhauserinnen und Frohnhauser!

Wollen wir uns am heutigen Volkstrauertag noch einmal ins Gedächtnis rufen, wie viele Opfer es zu beklagen gilt. Allein im II. Weltkrieg weit über 7 Millionen in Deutschland, über 30 Millionen in Europa, mehr als 50 Millionen in der ganzen Welt und schon vorher im I. Weltkrieg fast 10 Millionen Menschen.

Sich nur die Zahlen vor Augen zu führen, reicht nicht aus. Wir müssen auch sagen, wer diese Toten waren: Die sechs Millionen Juden, die in Konzentrationslagern ermordet wurden, das sind Millionen Männer und Frauen aller Völker, die im Krieg ihr Leben verloren haben, Millionen von Bürgerinnen und Bürgern der ehem. Sowjetunion, Polen und vielen anderen Ländern, das sind unsere eigenen Landsleute, die als Soldaten und bei den Fliegerangriffen in der Heimat, in Gefangenschaft und bei der Vertreibung ums Leben gekommen sind.

Die Flucht vor Vertreibung, Mord, Folter oder Vergewaltigung: Können wir dies zum Vergleich heranziehen, um das heutige Ausmaß der Flüchtenden zu begreifen? Ich weiß es nicht, aber eins weiß ich:

Derzeit sind 60 Millionen Menschen auf der Flucht Nicht alle wollen und kommen nach Europa. Es muss uns bewusst werden, dass wir heute sehr viele Krisengebiete auf unserer Welt verzeichnen und viele Kriege geführt werden. Für uns oft weit weg und doch so nah. Wenn uns die Bilder in den Nachrichten oder den Sondersendungen aus den Brennpunkten zu viel werden, dann können wir umschalten, aber die Wahrheit ist, die Krisen und Kriege gehen weiter. Kein Krieg hat wirklich zur Befriedung geführt. Ich nenne exemplarisch Irak und Afghanistan. Die meisten der heute Lebenden sind zu jung, um mitverantwortlich oder gar schuldig zu sein, aber niemand kann sich der Verantwortung entziehen. Wäre dies nur ein Tag der Trauer und des leidvollen Blickes zurück – das wäre sicher zu wenig. Es ist auch ein Tag der Entschlossenheit, des Mutes und der Mitverantwortung für den Frieden in Europa und der Welt.

Ich habe NEIN gesagt im Bundestag zu den Kriegseinsätzen, weil ich keine neuen Gräberfelder will in Deutschland oder anderswo. Wir haben derer genug und haben derer genug zu verantworten. Am Volkstrauertag gehen unsere Gedanken zu den Gräberfeldern, zu den Soldatengräbern, die das Jahrhundert der beiden Weltkriege und der vielen Kriege sowie Bürgerkriege hinterlassen haben. Soldatenfriedhöfe sind heute Stätten der stillen Trauer. Einer Trauer, die nichts zu tun hat mit Triumpf, nichts mit Heldengedenken. Wer sich diesen Gräbern zuwendet, wer sie pflegt und betreut, der dient tatsächlich dem Frieden, der dient der Versöhnung zwischen den Völkern und damit dem Leben.

Richard von Weizsäcker sagte 1985 zum 40. Jahrestag der Beendigung des II. Weltkrieges: ‚Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass gegen andere Menschen, gegen Russen oder Amerikaner, gegen Juden oder Türken, gegen Alternative oder Konservative, gegen Schwarz oder Weiß. Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander‘.

Lieber Udo Karnath, liebe Frohnhauserinnen und Frohnhauser!

Dies gilt heute mehr denn je. Kriege oder Terror entstehen immer dann und dort, wo Menschen keine Perspektive für sich und ihr Leben sehen. Dort, wo Menschen ausgegrenzt sind oder werden. Wenn Menschen von der Teilhabe und von der Partizipation abgehängt sind oder werden. Wenn wir sie nicht mehr sehen, weil sie sich zurückgezogen haben, oder weil wir mehr damit beschäftigt sind, auf unseren eigenen Erfolg und unser Weiterkommen zu achten, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn diese Menschen, unsere Nachbarn, auf den bereiteten Boden der Rechten, der Nazis reinfallen. Wir alle müssen hinsehen und jeden Tag für unsere Demokratie eintreten.

Dazu mahnt uns der Volkstrauertag. Nicht nur zum Blick in die Vergangenheit, sondern zum Wachsein in der Gegenwart, um unserer Zukunft willen. Und darum ist dieser Tag unverzichtbar.

Herzlichen Dank!“

Autor:

Ursula Dotzki aus Essen-Nord

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.