Hier macht der Ton die Kunst - Porträt Ingeborg Stelzer

Künstlerin Ingeborg Stelzer
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Künstlertreff auf der Gourmetmeile in Steele! Die Vormittagssonne hebt eine Person ganz besonders hervor. Markantes Gesicht, ein kräftiges Lachen und eine Kurzhaarfrisur in Feuer-Rot-Tönen in all ihren Variationen.
Ingeborg Stelzer.
Ein von ihr spontan mitgebrachter Ausstellungskatalog reizt mich, diese Künstlerin näher kennen zu lernen.
Nun – einige Monate später – besuche ich sie in ihrem Atelier in einem ehemaligen Lagerhaus.
Den Lastenaufzug ignoriere ich, es sind ja nur drei Etagen.
Gypsy-Musik von Django Reinhardt swingt aus einem CD-Player. „Gerne höre ich auch Eros Ramazotti oder Klassische Musik, je nach Stimmung“
Und Stimmung, Begeisterung und Eindrücke von Außen braucht die 1943 geborene Künstlerin, die seit vielen Jahren in Essen wohnt und die nun in der Altstadt von Steele ihre neue Heimat gefunden hat.
“ Nach der Rückkehr von einer Vietnam Reise vor einigen Jahren, die ich mit großen Erwartungen angetreten habe, bin ich fast narrisch geworden, weil mir die Ideen ausblieben; hab mich dann aber nach drei Monaten gefangen und viele kreative Ideen verwirklicht.“
„Narrisch“. Dieses Wort verrät, dass Ingeborg Stelzer wohl nicht aus dem Ruhrgebiet stammt.
Geboren in München, Ausbildung zur Kunsthändlerin in Frankfurt , anschließend eine weitere Ausbildung zur Restauratorin in Bendorf am Rhein und ab 1997 Erlernen des Bildhauerei.
Nun sitzen wir hier in ihrem Studio an der Stauderstrasse in Altenessen, in dem sie seit 1999 als freischaffende Künstlerin tätig ist. Große Fenster lassen viel Licht ins Atelier. Der Tee, den sie auf einen kleinen Marmortisch gestellt hat, dampft vor sich hin. An einer Wand klebt ein Ausstellungsplakat von Marino Marini, eines der Vorbilder von Ingeborg Stelzer.
In den Regalen und auf weißen Sockeln haben sich hier, wie aus farbigem Granit geschlagen, seltsame Wesen versammelt. Archaisch anmutende Figuren, stilisierte Menschen, Tiere, Fabelwesen. Skulpturen nicht aus hartem Stein, sondern aus Ton gefertigt. Langjährige Erfahrungen mit Engobe, mit verschiedenen Arcrylfarben und viel Experimentierfreude lassen die Strukturen der Oberflächen mal wie Stein, mal wie Holz oder marmoriert aussehen.

Inzwischen ist das kreative Arbeiten in diesem Atelier nicht mehr ganz so störungsfrei, erzählt sie mir. Gleich nebenan hat sich eine Rockband die Nachbarräume als Übungsstudio ausgesucht und an jedem Wochenende gibt’s im Erdgeschoß eine Disco russischer Jugendlicher. Da wird ihr Wunsch nach einem Atelier in ruhiger Umgebung immer stärker. Vielleicht ja in Steele ?

Ingeborg Stelzer teilt inzwischen mit feinem Draht einen Tonklumpen, der mit kleinen Kieseln durchsetzt ist, schlägt ihn mit geformtem Holz, höhlt ihn aus und setzt die Teile wieder zusammen. Eine neue Plastik entsteht.
Häufig beruhen neue Gestaltungsideen auf Experimentieren mit verschiedenen Materialien wie Eisen, Glas oder Holz. „Mir gefällt es, anscheinend Totes zu neuem Leben zu erwecken“ Und da macht sie auch vor Knochen und Schädeln
verendeter Tiere nicht halt. So gab es vor einigen Jahren eine längere Diskussion mit einem griechischen Zollbeamten, der in Ihrem Gepäck den sonnengebleichten Schädel eines Schafbocks fand und sie damit nicht ausreisen lassen wollte.
„Ich bin Künstlerin“ - so ihre selbstbewusste Erklärung - gefolgt von einem kräftigen Lachen, hatte dann auch den griechischen Staatsdiener überzeugt.
Nun ist das Gehörn des Schafbocks ein dominierender Bestandteil einer ungewöhnlichen Plastik, die in Ihrem Atelier zu bewundern ist.
„Inspiration finde ich oft auf meinen Reisen. Erst Anfang des Jahres war ich in Äthiopien. Einen Fotoapparat nehme ich da nicht mit. Ich möchte jede Stimmung pur erleben und nicht durch ein Objektiv.“
Begeistert erzählt sie von ihren oft stundenlangen Wanderungen und dem unvergleichlichen Erd-Farbenspiel in Ostafrika.
Bei diesen – teils beschwerlichen- Reisen durch Griechenland, Asien, Afrika und dem Arabischen Raum geht es ihr nicht nur um Impressionen. Die Freude, Landschaften zu Fuß zu erkunden, ist ebenso wichtig.
„Ein Tag ohne frische Luft und Bewegung machen mich unruhig.“
Und so bin ich nicht erstaunt, zu hören, dass Ingeborg Stelzer mit ihrer Nordic Walking Gruppe vom Sportverein TLV Gemania Überruhr jede Woche lange, sportliche Wanderungen im Ruhrtal unternimmt , dabei Kraft für neue Arbeiten tankt und manchmal auch ein außergewöhnlich geformtes Fundstück mitbringt.
Ihre „Mitwalker“ lächeln inzwischen nicht mehr.
Wieder war es eine spannende Begegnung mit einer Steeler Künstlerin, die inzwischen ein neues Atelier in Steele gefunden hat.

Autor:

Dieter Kunst aus Essen-Steele

Webseite von Dieter Kunst
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