WAZ.Wissen: Verantwortung für Veränderung

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„Die Perspektive entscheidet über Erfolg und Misserfolg“, erklärte Psychologe Dieter Lange den Gästen seines Vortrags im Rahmen der Reihe WAZ.Wissen im Essener Haus der Technik. Er stellte dar, wie man Gelassenheit und Glück trotz drohender Veränderungsprozesse erreichen kann. Hilfreich dabei seien eine offene Einstellung und Impulse, die den eigenen Horizont erweitern. Ein Großteil der Verantwortung liege in jeder Person selbst, denn weniger die objektive Realität als die subjektive Wahrnehmung hätten Einfluss auf das eigene Leben und die sich ergebenden Perspektiven.

„Wer uns etwas vorwirft, muss erstmal was zu werfen haben“, frotzelte Lange und erklärte, dass der Grad der Emotionalität einer Auseinandersetzung oft nur zeige, wie sehr der andere selbst von einem Problem betroffen ist. „Persona“ bedeute Maske und „per son“ niemand. Daher solle man gut überlegen, auf welche Weise die eigene Person definiert sei. Ob die Vogelwelt am Bodensee eine schweizerische Meise oder eine deutsche Eiche von denen von der anderen Seite der Grenze unterscheiden würde, fragte Lange. Ganz anders sei es bei den Menschen, die am Pass oder Taufschein ihre Identität festmachten. Dabei liege die Wahrheit schon in der Wortwahl: Schein. Bei seinem Vortrag machte der Referent nicht nur zahlreiche Anleihen bei der Sprache, sondern zitierte auch immer wieder bekannte Persönlichkeiten wie Sigmund Freud: „Der Mensch ist nicht Herr in seinem Haus!“ Dann ging er über zum nächsten Thema. Viele Menschen hätten das Gefühl, das könne noch nicht alles gewesen sein.

Doch was hindere sie an Veränderungen? Was daran, über ihren Schatten zu springen? Es sei die Angst. Man müsse mit dem Konflikt zwischen Lebendigkeit und Bequemlichkeit umgehen. Oft würden einmal eingefahrene Rollenbilder sich nur in besonderen Situationen verändern. So seien Verliebtheit aber auch Schicksalsschläge Möglichkeiten, die Rolle hinter sich zu lassen und zu wachsen. Sonst mache Neues den meisten Menschen Angst. Deshalb werde es zunächst lächerlich gemacht, dann bekämpft und schließlich übernommen. Große Geister hätten immer mit dem heftigen Widerstand mittelmäßig Begabter zu kämpfen. Das liege auch daran, dass die Macht der Gewohnheit der härteste Klebstoff sei. Im Schnitt würden 72% aller Changeprozesse scheitern, weil der Leidensdruck zu gering oder die Begeisterung für ein neues Ziel zu klein sei.

Als Herdentier suche der Mensch in erster Linie Zugehörigkeit. Doch der Fortschritt sei auf diese Weise gering. Man müsse sich entscheiden zwischen unternehmen und unterlassen. „Zahme Vögel reden von der Freiheit, wilde fliegen in die Freiheit“, machte Lange den Unterschied deutlich und sprach sich gegen „könnte, sollte und müsste“ aus. Schließlich sei man auch für die Dinge verantwortlich, die man nicht getan hat. Viele bevorzugten jedoch das Leben in der „Herde“, aus der sie nur zu Karneval kurz ausbrächen. Ob es gut sei „normal“, also entsprechend der Normung zu sein? Ausdrücklich warnte der Dozent davor, dass Bequemlichkeit die Seele morde. Daher sei „vernünftiger Typ“ für ihn eine besonders schlimme Beleidigung. Auch ein Kompromiss sei nicht immer die beste Wahl. Oft ginge es nur beiden gleich schlecht, führte er aus und frotzelte über Menschen mit Doppelnamen, die sich nicht entscheiden könnten. Wichtig sei bei den Menschen das Bewusstsein.

„Wer uns ärgern kann, bestimmt über unsere Lebensqualität“, erklärte Dieter Lange. Dann führte er aus, dass viele Leben aus unterschiedlichen Rollen bestünden. So könne Autowerbung auf das Motiv der Angst setzen, wenn sie auf Sicherheit anspiele. Dunkle Autos stünden dafür, keine Farbe bekennen zu wollen und schwarze für Dominanz aber auch den Tod. Oft würden Menschen sich gerade mit den Klischees verbinden, die sie im echten Leben nicht erfüllen. So sei mancher Raucher von in der Werbung mit Abenteuer verbundenen Zigaretten in Wirklichkeit ein besonders sanfter Softie. Lange ergänzte philosophische Ausführungen zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Letztlich existiere nur die Gegenwart. Es gebe keine Vergangenheit, da das Erinnern in der Gegenwart erfolge. Dazu ergänzte er das Sprichwort „Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu verändern ist.“ Dann lud er das Publikum ein, einige Gedankengänge gemeinsam zu machen. „Welche Farbe hat eine Zitrone, wenn Sie eine blaue Brille tragen?“, fragte er und erinnerte daran, dass das Ego eine Brille ist, durch die man auf die Welt schaut. Deshalb erlebe jeder Mensch seine ganz eigene Welt. Jeder sei dabei für sein Denken, Fühlen und Handeln selbst verantwortlich. „Kein Ereignis hat eine Bedeutung, bis von uns ein Etikett daran geklebt wird“, erklärte er.

Geld sei die Transformation von Energie, warf Lange ein. Und erklärte, dass Akzeptanz oft die Formel für Glück sei. „Was ist, ist. Was nicht ist, ist nicht“, beschrieb er diesen Denkansatz. Dann sagte er, dass „Ich kann nicht.“ immer gelogen sei. Wer nur wolle, könne auch. Dieser Gedanke war jedoch nicht für alle Gäste nachvollziehbar. Gleiches galt für die Warnung vor guten Menschen, die, so Lange, manchmal das Böse in die Welt bringen. Oft gehe es Menschen weniger um die absolute Situation als um die relative. So lebe heute jeder Hartz4-Empfänger besser als einst die deutschen Könige. Trotzdem fehle den Transferempfängern etwas, nämlich die Möglichkeit mitzuspielen. Wesentlich seien allerdings ein Körper ohne Schmerz und ein Geist ohne Verwirrung. „Des Glückes Tod ist immer der Vergleich“, fasste Lange zusammen und erinnerte zum Ende des Vortrags noch einmal daran, dass das faktische Ereignis erst im Kopf mit Erwartungen verbunden und bewertet wird und damit zu einem subjektiven Erlebnis wird. So könne man den Titel des Buches des eigenen Lebens finden.

Autor:

Christian Kolb aus Essen-Steele

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