"Sand fürs Getriebe" - Lebenswerk des Plakatprovokateurs Klaus Staeck im Museum Folkwang

Anlässlich seines 80. Geburtstages widmet das Museum Folkwang dem Plakatkünstler Klaus Staeck eine große Retrospektive.
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Anlässlich seines 80. Geburtstages widmet das Museum Folkwang dem Grafiker, Verleger, Plakatkünstler und Juristen Klaus Staeck eine große Retrospektive. Angefangen bei frühen Druckgrafiken werden rund 200 der bekanntesten Plakate, Postkarten, Multiples und Installationen gezeigt.

Plakatkünstler, Plakatprovokateur, Plakatprotestler, Polit-Grafiker, Polit-Aktivist, politischer Künstler...diese Bezeichnungen fallen zumeist beim Namen Klaus Staeck. Er selbst sieht sich als "Hinweiser", nennt sich einen "verlässlichen Störer der bequemen Verhältnisse".

"Staeck-Plakat" = provokative Plakatkunst

Seit den 1960er Jahren kommentiert Klaus Staeck gesellschaftliche Themen, Missstände, Krisen. Was ihn umtreibt in Politik, Gesellschaft, Kunst und Wirtschaft macht er zum Thema. Das tut er äußerst pointiert, spöttisch, scharfzüngig, mit feiner Ironie, hintergründig, witzig und frech bis bitterböse. Als Plakatgestalter ist er ein genialer Wort-Bild-Finder. Er provoziert und regt damit zum Nachdenken an, Schmunzeln und Erstaunen inklusive.

"Den unverschuldet Schwachen gegen den Übermut der Starken helfen", so sein Credo. Seine Satire zielt auf die Starken. Wer so provokant auf Missstände hinweist und sich mit den Großen anlegt, der spürt den Wind von vorne. 41 Prozesse hat er durchgestanden, keinen verloren. Niemals hat er sich als Anwalt selbst verteidigt ("...das macht man nicht," sagt er),- und doch selbst Jurist zu sein, hat ihm Selbstvertrauen und die nötige Selbstsicherheit gegeben, langwierige, zermürbenden Prozessjahre durchzustehen, bei denen auch schon mal sechsstellige Summen auf dem Spiel standen.

Vom Holzschnitt zum Plakat

Die Ausstellung zeigt die große Schaffensbreite von Klaus Staeck und damit auch seine künstlerische Entwicklung. Der 1938 in Pulsnitz bei Dresden geborene und in Bitterfeld aufgewachsene Klaus Staeck weiß schon früh, er will Künstler werden. Gleich nach dem Abitur geht Staeck 1956 in den Westen, beginnt in Heidelberg das Jurastudium. Das Studium von 10 Semestern erscheint ihm lang genug, um parallel zum Studium künstlerisch tätig zu sein. Von 1964-1969 fertigt er Holzschnitte an, vorwiegend mit geometrischen Motiven. Bald wendet er sich dem Siebdruck (1969-1974) zu. Diese Technik erscheint ihm geeigneter, um soziale, politische Themen künstlerisch umzusetzen. Limitierte und signierte Siebdruckauflagen sind allerdings nicht geeignet, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Die Hinwendung zum unlimitierten Plakat, welches im öffentlichen Raum gezeigt und bei Bedarf nachgedruckt werden kann, war demnach konsequent. Fortan benutzt Staeck das Plakat als Aufmerksamkeitsfläche für poltische Einmischungen. So stehen vor allem die seit 1971 bis 2017 produzierten Plakate im Mittelpunkt der Ausstellung. Gleichsam ein Parcours durch die Chronik der Bundesrepublik.

Nichts ist erledigt

Viele Plakate sind heute genauso aktuell wie zu ihrer Entstehungszeit. Wenn es um Umweltschutz und Klimawandel geht, könnten die Plakate 1:1 übernommen werden, auch wenn sie schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel haben. Also: "Nichts ist erledigt", diesen Stempelaufdruck kann man (leider) unter weitere Themen setzen. Genauso aktuell sind die Installationen von Klaus Staeck, ob zum Thema Europa oder zum Hunger in der dritten Welt. Zwar haben die Köpfe in der Politik gewechselt. Vieles ist aber übertragbar. So hat er Kohl schon als Münchhausen auf der Kanonenkugel über blühende Landschaften geschickt, heute lässt er Trump als Lügenbaron wieder aufsitzen.

Die meisten Plakate, übrigens alles Originale, sind keine Auftragsarbeiten, sondern aus dem Bedürfnis heraus entstanden, hinzuweisen oder wie Staeck es formuliert "Demokratiebedarf" zu schaffen. Aus der Druckerei kennt Staeck den Rütteltisch. Auf dem werden Plakate auf Stoß gebracht, bevor sie gepackt werden. "Die Gesellschaft", sagt Staeck, "gehört zwischendurch mal auf so einen Rütteltisch."

"Museen sind gut. Da regnet es nicht rein, und im Winter ist es beheizt."

Einige Plakate sind Veranstaltungshinweise, so zur „Aktion für mehr Demokratie“. Ein ganzer Raum der Ausstellung zeigt diesen Bereich. 1983 hatte Staeck z.B. die Grugahalle angemietet. 7000 zahlende Besucher kamen, um Günter Grass, Heinrich Böll, Volker Schlöndorff und Hanns Dieter Hüsch zu sehen und zu hören. So etwas würde er heute nicht mehr wagen, sagt Staeck. Es sind andere Zeiten.

Ebenfalls in der Ausstellung zu sehen: dokumentarisches Filmmaterial, etliche Polaroidaufnahmen von Freunden und Weggefährten sowie eine Fotoserie über Bitterfeld. Zugleich gewährt die Ausstellung Einblicke in die technische Weiterentwicklung der Plakatproduktion. Vor der digitalen Zeit kommunizierte Staeck per Faxgerät mit seinem Drucker Gerhard Steidl. Aus dieser Zeit sind Skizzen und Vorentwürfe zu sehen.

Und,- ist es nun paradox, dass Plakate aus dem öffentlichen Raum in ein Museum gezogen sind? Nein, Klaus Staeck hält es wie Joseph Beuys, mit dem er eine lange Arbeitsfreundschaft pflegte.
"Museen sind gut. Da regnet es nicht rein, und im Winter ist es beheizt."

Glückwunsch zu dieser Ausstellung und Glückwunsch zum 80.Geburtstag!
Verbunden mit dem Wunsch, dass Klaus Staeck noch weiterhin fleißig wie bisher "Sand fürs Getriebe" produzieren möge.

Der Eintritt ist folgerichtig frei. So bleibt Geld übrig für den Ausstellungskatalog zum moderaten Preis von 20 Euro. Interessant zu lesen!

Die Ausstellung läuft bis zum 08.April 2018
Eintritt frei!

Mehr Infos hier

Die Fotos entstanden bei der Vorpräsentation. Weitere Infos in den Bildunterschriften.
Viel Freude beim Anschauen.

Museum Folkwang
Museumsplatz 1
45128 Essen
www.museum-folkwang.de

Autor:

Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg

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