Drastische Selbstporträts - Maria Lassnig im Museum Folkwang

Große Retrospektive zu Maria Lassnig im Museum Folkwang

Maria Lassnig (1919-2014) zählt zu den innovativsten Malerinnen der Gegenwartskunst. Das Museum Folkwang widmet der österreichischen Ausnahmekünstlerin eine umfassende Retrospektive. Insgesamt 41 Gemälde und fünf Filme geben einen Überblick über ihr beachtliches Lebenswerk.

Zu Maria Lassnig wird häufig geschrieben, dass sie lange auf Anerkennung warten musste, lange unentdeckt blieb. Auch ich habe sie erst kürzlich für mich entdeckt. In einer Ausstellung sah ich ein Gemälde mit strahlenden, frechen Farben und kraftvollem, dynamischem Pinselstrich. Ich war überrascht als ich das Geburtsjahr der Künstlerin las. Maria Lassnig, geb. 1919,- das Bild war 2005 entstanden, also in ihrem 86. Lebensjahr. Was für eine Kraft in dieser Frau stecken musste!

Die hervorragend aufgestellte Retrospektive im Museum Folkwang eignet sich ausgezeichnet dazu, das Wissen über die Künstlerin und ihre Arbeiten zu vertiefen. Ein so großes Spektrum ihrer Arbeit sehen zu können, ist spannend. Es sind auch viele persönliche Schriften und Fotos aus ihrem Nachlass in den Vitrinen zu sehen. Die gezeigten Filme werden auch für Überraschung sorgen.

Körperbewusstseins-Malerei

Maria Lassnig hat überwiegend ihren eignen Körper gemalt und ihn somit zum Gegenstand ihrer Malerei erhoben. Aber sie hat sich nicht vor dem Spiegel gemalt, nicht das gemalt, was sie sah, sondern das, was sie fühlte. Sie hat oft mit geschlossenen Augen gemalt, hat tief in sich hinein gespürt und ihre Körperempfindungen auf die Leinwand gebracht. So ließ sie die Augen in ihren Bildern oft weg oder ersetzte sie durch Brillen oder Augenklappen. Maria Lassnigs Malerei ist eine "Körperbewusstseins-Malerei". Sie malte "Körperempfindungsbilder ". Damit nahm sie schon in ihren frühen Arbeiten die feministische Body-Art der späten 1960er und 1970er Jahre bereits vorweg. "Da habe ich eine realistische Nase gemalt und dafür keinen Mund, weil ich den Mund nicht gefühlt habe", erklärte sie einmal zu einem Bild. Auf Fotowänden in der Ausstellung sieht man Maria Lassnig seitlich auf dem Boden liegend sich selbst malend. In sich hinein horchend, das Innenleben spüren und es auf die Leinwand bringen, war immer und immer wieder ihr erklärtes Ziel.
Ihre Farbskala ist leuchtend, nicht plakativ, sehr malerisch mit Licht- und Schattenwirkung angelegt. Sie verknüpfte Farben mit Empfindungen für einzelne Körperteile. So sprach sie von "Schmerzfarben, Liebesfarben, Spannungsfarben, Krebsangst-, Druck-, Kälte- und Wärmefarben".
In einigen Bildern verschmelzen Körper mit Gegenständen. "Selbstporträt mit Kochtopf" zum Beispiel lässt kritische wie auch humorige Interpretationen zu. Anrührend sind die Bilder, die das fortschreitende Alter zum Thema haben, Gebrechlichkeit , Krankheit und der Tod der Mutter zeigen ihre große Sensibilität. Häufig verdoppeln sich die Selbstporträts, sie malte sich zwei-, drei- oder vierfach wie im Bild "Krankenhaus".

Starke Bilder - Später Ruhm

Maria Lassnig war eine komplizierte Persönlichkeit, so Peter Pakesch, einstiger Vertrauter, der heute der Lassnig-Stiftung vorsteht. Ein Grund, warum sie erst so spät bekannt wurde, ist, dass sie sich schlecht von ihren Bildern trennen konnte. "Die Händler und Galeristen standen Schlange", sagt Peter Pakesch. Als das Museum of Modern Art in New York 2014 Maria Lassnig mit einer großen Ausstellung würdigen will, lässt sie den Umschlag mit den Leihverträgen tagelang ungeöffnet liegen, erklärt er. Sie war eben eine Einzelgängerin, die durchaus auch von Selbstzweifel geplagt wurde.
Sie war aber auch mutig, ihren Weg zu gehen. 1919 in Kärnten geboren, absolvierte sie erst einmal eine Ausbildung zur Volksschullehrerin. Sie besuchte dann die Akademie der Bildenden Künste in Wien, unterhielt ein Atelier in Klagenfurt. In den frühen 1950er Jahren Umzug nach Wien. Dann zog es sie nach Paris, sieben Jahre später siedelte sie nach New York um, weil " dort die Frauen so stark sind", sagte sie. In New York lernte sie das Filmhandwerk. In der Ausstellung sind im mehrere Filme zu sehen, so auch der Film "Chairs" von 1970, in dem gewöhnliche Stühle menschliche Gestalt annehmen und sich unaufhörlich wandeln.

Mit 60 Jahren kehrte Maria Lassnig wieder nach Wien zurück, da sie 1980 eine Berufung an die Hochschule für Angewandte Kunst (heute Universität) Wien erhielt. Damit war sie die erste Professorin für Malerei im deutschsprachigen Raum. 1988 wurde ihr der Große Österreichische Staatspreis verliehen. Es war die erste Auszeichnung dieser Art, die an eine Künstlerin ging. In den folgenden Jahren erfuhr sie weitere Auszeichnungen. 2013 wurde sie auf der 55. Biennale in Venedig für ihr Lebenswerk gewürdigt.

Die Ausstellung spannt einen weiten Bogen. Von den ersten, noch vom Informell geprägten Bildern bis zum letzten Selbstporträt, das sie mit erhobenem Pinsel, ihrem "Urzustandswerkzeug" zeigt. Dieses Selbstporträt ähnelt stark dem ersten von 1945, so schließt sich der Kreis.

In der Ausstellung darf man in einem Raum auf Sesseln vor einem Monitor Platz nehmen. Gezeigt wird ein Dokumentarfilm über Maria Lassnig. Darin wird sie von einem ihrer ehemaligen Studenten gefragt, zu welchem Bereich in der Malerei sie sich zählen würde? Sinngemäß antwortet sie, dass sie eine "Schule für Drastische Malerei" gründen könnte.

"Drastische Malerei" ist genau das Stichwort für die Ausstellung. Hingehen und sich überwältigen lassen!

Die Ausstellung läuft bis zum 21. Mai 2017
Mehr Infos zur Ausstellung und Fotos zu Maria Lassnigs Bildern hier

Museum Folkwang
Museumsplatz 1
45128 Essen
www.museum-folkwang.de

Autor:

Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg

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