Techno Classica, 13.04.2013, Messe Essen

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Viel Kommerz, teures und überteuertes Blech, aber auch sehr viel Leidenschaft, tolle Nieschen und ein jünger werdendes Hobby und viele farbenfrohe Erinnerungen zeichnen die Techno Classica 2013

Techno Classica - eine Messe für (zahlungskräftige) Freunde von altem Blech

Wow, hatte ich Glück. Da kann man beim Südanzeiger Karten für die Techno Classika gewinnen und wen triffts mal - mich. Ich konnte mein Glück kaum fassen, weis ich doch schon gar nicht mehr wann ich das letzte mal überhaupt was gewinnen konnte. Da eine Tageskarte zur Techno Classica für Erwachsene immerhin zum wenig Familienfreundlichen Preis von 22,-Euro verkauft wird, wäre es für mich sonst gar nicht möglich gewesen die Messe zu besuchen. Und da sind wir auch schon beim größten Kritikpunkt den ich habe. 22,-Euro pro Person finde ich zu Viel für ein Hobby, das zunehmend auch Personen interessiert, die entweder Jünger sind und, oder eh schon genug Geld in diesen Zeitvertreib stecken. So sieht man auf der Techno Classika auch viele ältere, distinguierte Besucher, denen man ansieht, dass sie Geld haben.
Doch erfreulich finde ich die Vielfalt und dass wirklich zunehmen auch Jüngere, abseits von Kommerz, überteuerten Oldtimern und representativen, hochglanzpolierten "Staatskarossen" die "automobilen Helden ihrer Jugend" hegen und Pflegen wollen.

Das "Alte" Hobby

Das Groß der Messehallen macht natürlich immer noch die Oldtimer jenseits allem Bezahlbarem aus. Es ist aber auch schön die Technik eines Vorkriegsoldtimers wie z.B. diverser Rolls Royce, Bugatti o.Ä. nicht nur in Hochglanzzeitschriften, Büchern, ect. zu sehen, sondern sie vor und mit der eigenen Nase zu erfahren. Der Geruch von altem Leder, gemischt mit Öl und Holz mag Einigen befremdlich erscheinen, für viele (grade Ältere) ist es aber auch noch eine Erinnerung an die eigen Jugend. Abgesehen davon kann es einen schon beeindrucken wenn ein Eigner eines Vorkriegs Rolls Royce nach vielen Erkläuterungen mal den Motor seines "Schätzchens" anschmeisst, und dieser grosse und doch so filigrane Motor mit seinen zierlichen, goldfarbenen Leitungen, dem liebevoll im Motorraum integriertem Ölkännchen, dem Standgas, welches über ein Stellrad im Lenkrad eingestellt und Nachjustiert werden muss, genauso wie der Fettigungsgrad des Zündgemischs, mit einem "säuseln" anspringt und vom Stand weg leiser läuft als so manch ein "Neuwagen".
Grade diese "Anfassbarkeit" von alter Technik, der "Schönheit" von alten Formen und der "Redseligkeit" der Oldtimerbesitzer macht einen Großteil der Faszination aus, welche die Messe ausströmt. Dazu kommt noch diese unglaubliche Vielfalt, welche keinen Jahrgang auszulassen scheint.
Dennoch muss ich sagen dass einen die Masse an, in der Oldtimerwelt fest etablierten Oldtimern spätestens nach der 3. Halle mit dem "gefühlt" 400tem Porsche 911 anfängt zu langweilen. Gefördert auch dadurch, dass jedes Auto in Neuwagenzustand vor sich her glänzt.
ABER - Langweilen ist bei der Menge an Messehallen nicht.

Vielfalt trotz Masse

Bei einer so grossen Messe wie der Techno Classika braucht sich niemand zu langweilen. Gefühlt gibt es hier für jeden etwas. Wer keine Lust auf Hochglanzoldtimer mit Chromzierrat und völlig abgehobenen Preisen hat, der braucht oft nur eine Halle weiter gehen um zwischen alten Nutzfahrzeugen, Vertretern alter Amerikanischer Hersteller mit Patina und Lebensgefühl der 60th, alter Wohnwagen, ja sogar alter Militärfahrzeuge zu stehen. Auf den Freigeländen kann man sich jede Menge Fahrzeuge unterschiedlichster Coleur anschauen, welche alle zum Verkauf stehen. Dazwischen und auch in eigenen Hallen immer wieder Vertreter von Werkzeugfirmen ect. Oder man findet sich auf einmal in einer Halle voller Literatur, Ersatzteilen und, oder Firmenloges wieder. Freunde alter Kofferradios finden hier genauso ihr Hobby wieder wie Menschen, welche Spielzeug ihrer Jugend suchen, oder extravagante Sitzgruppen aus Fahrzeuggestühl. Es scheint nichts zu geben, was es nicht gibt.
Zudem drängen immer mehr Youngtimer in den Focus und nehmen an Bedeutung zu.

Die Neuwagen und Gebrauchten von Gestern werden langsam zu "Oldies"

Viele in den Messehallen vertretene Fahrzeuge waren in unserer Erinnerung Gestern noch Gebrauchtfahrzeuge. Wie die Golf I / Golf II / Scirocco / T3, Kadett C / D / E, die "Ente", die Wartburg / Trabant, oder alte Japaner wie die Mazda 323 der ersten Serien, die RX7, Nissan 300Z, oder Honda Prelude / Civic / CRX. Doch schaut man in den Autobörsen nach wird man sehen dass es sie nur noch wenig gibt. Zeitgleich werden aber auch die Enthusiasten immer mehr, welche sich beim Anblick dieser Autos an ihre Jugend erinnert fühlen und versuchen diese Kulturgüter zu erhalten und zu Retten. Dass dies oft Abseits der "Althergebrachten" Formen geschieht sieht man oft an der Art und Weise wie sich die Eigner und verschiedene Clubs auf der Messe präsentieren. Da präsentiert sich der Mazda-RX7-Club neben seinen Autos und einem Anschauungsmodell eines Wankelmotors auch (leicht Selbstironisch) mit einem "Japanischen Wankelgarten", die Freunde vom Wartburg zeigen ihre Autos in Wald und Fauna, im Fiat Panda kann jeder Tetris in XXL Format spielen, ein Wohnwagen wird zur "Gütertrennung" (und besseren Einsicht) Mittig aufgeschnitten, Fiat "Bambinos" und Vespas werden zu einem XXL Karrussel und die Freunde der Borgwarts haben ihre ganz eigene Interpretation einer "Waschanlage". Von diesen Stilblüten findet man auf der Messe eine ganze Reihe und immer wieder und wieder auch liebevolle Detaills die bezeugen wie viel Herzblut auch Abseits der Masse und Jenseits von Hochglanz, Chrom und Kommerz in ein tolles Hobby fliesst.

Die Messe, ein Spiegel eines Hobbys für Jeden?

So, wie die Messe mit ihrer Vielfalt die unglaubliche Mehrschichtigkeit dieses Hobbys "Oldtimer" mit all seinen Facetten wiederspiegelt, so spiegelt sie gleichzeitig die Probleme wieder, mit denen sich dieses Hobby (und auch die Vereine) konfroniert werden.

Auf der einen Seite die Aufgedonnerten, Chromblitzenden und unglaublich wertvollen Oldtimer, gesammelt zu Zeiten als sie noch "erschwinglich" waren von Menschen, die ihr Herzblut rein steckten und nun hohe Werte, aber oft keine Nachfolger in ihrer Familie haben. Dem Gegenüber viele Jüngere, die sich die Tollen Autos begierig angucken und von ihnen Träumen, aber nur zu oft nicht das nötige Geld besitzen um ihr Herzblut in ein Hobby zu stecken welches Kostenintensiv ist und oft mit einem Einstiegspreis von über 50000Euro für einen etablierten Oldtimer beginnt und bei Ersatzteilpreisen jenseits von Gut und Böse endet.

Auf der einen Seite die Vertreter von Orginalität für die es schon ein Problem darstellt wenn ein Oldtimer andere Wischerblätter hat als die Originalen und auf der anderen Seite die immer größer werdende Zahl von Menschen, welche ein zeitgenössisches Tuning nicht davon abhält ihr Auto zu lieben. Schließlich wurde es ja auch mal so gefahren und spiegelt den Zeitgeist oft viel besser wieder als so manch ein unantastbarerer Wagen in Originalzustand.

Auf der einen Seite Diejenigen, welche oft Oldtimer gekauft haben als sie noch nicht so viel Wert waren wie heute, oder ihren "Wertvollen" Oldtimer tatsächlich zur Profilierung, zur Trennung von der Masse, oder als Statussymbol sehen und die bei jüngeren Oldtimern, oder gar Youngtimern die Nase rümpfen und lautstark fragen: "Was wollen die denn hier?" wie ich es auf der Messe tatsächlich mehrfach im vorbei gehen hören konnte. Dem Entgegen stehen oft Menschen mit Herzblut die genau diese Helden ihrer Jugend langsam in den Status jüngerer Oldtimer hieven, zumal diese vielfach Erschwinglich und mit guter und günstiger Ersatzteilversorgung zu bekommen sind.

Diese Probleme werden alle, die sich intensiv mit diesem Hobby auseinander setzen, vor allem aber die Clubs und Vereine zu spüren bekommen. Was sie daraus machen wird die Zukunft zeigen, aber der Aufschwung der jungen Oldtimer und Youngtimer wird wohl nicht zu stoppen sein und birgt ungeheure Chancen. Bleibt zu hoffen dass dies auch die Verantwortlichen der Branche so sehen.

Ich finde es jedenfalls schöner je bunter es ist und bunt war dieser Tag bei der Techno Classica auf jeden Fall. Ich kann die Messe nur jedem Empfehlen der Spass an dem Hobby und mindestens 22,-Euro über hat.

Autor:

Stefan Willems aus Essen-Süd

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