Frau am Steuer

Der Bürgerbus „Haarzopf- Margarethenhöhe-Rüttenscheid“ (HMR) fährt seit 2005 seine Tour. Von der ersten Minute an ist auch die 63-jährige Anja Weimar als Bürgerbus-Fahrerin mit von der Partie - und zwar ehrenamtlich. Wie die Inhaberin einer Rüttenscheider Apotheke zu diesem Ehrenamt gekommen ist, darüber sprach sie mit dem SÜD ANZEIGER.

SÜD ANZEIGER: Das Busfahren wird landläufig als „Männerdomäne“ gesehen. Wie kommen Sie als Frau auf die Idee, bei der Aktion „Bürger fahren für Bürger“ mitzumachen?
Anja Weimar: „Auf die Idee, einen Bürgerbus zu fahren, bin ich durch eine Freundin gekommen, die gleich zwei Bürgerbus-Linien im Harz kutschiert und dabei viel Spaß hat. Weil ich durch die Arbeit in meiner Apotheke schon ziemlich eingespannt bin, ist dieses Ehrenamt genau das Richtige für mich, da ich in der Auswahl der Fahrten flexibel sein kann.“

Mussten Sie, da Sie Personen befördern, zusätzlich zu Ihrem Führerschein eine weitere Ausbildung absolvieren?
„Da unsere Linien offizielle Buslinien sind - die Essener Verkehrs-AG (EVAG) ist der Lizenzgeber - und der Bus bis zu acht Personen transportieren kann, musste ich eine Runde mit einem Fahrlehrer drehen, um den Personenbeförderungsschein zu erlangen. Dieser Schein gilt aber ausschließlich für diese Strecke. Damit der Personenbeförderungsschein regelmäßig verlängert wird, muss man sich jedes Jahr von einem Arzt untersuchen lassen. Dabei wird das räumliche Sehen und die Sehkraft gemessen sowie das Blut untersucht. Ab dem Alter von 60 Jahren ist diese Untersuchung jährlich fällig.“

Sind Sie auf Anhieb gut mit den ungewohnt großen Außenmaßen des Busses zurechtgekommen ?
„Ich muss sagen, dass es schon eine enorme Umstellung für mich war, ein derart großes Auto zu fahren. Man muss, bevor man in eine enge Kurve einfährt zum Beispiel viel weiter ausholen, damit das Hinterrad nicht den Bürgersteig berührt. Auch das Einparken hat mir in den ersten Wochen Probleme bereitet. Damit ich mit dem Fahrzeug nirgendwo anecke, habe ich mich vorsichtshalber einweisen lassen - das war teilweise eine extreme Rangiererei. Da die Rückspiegel das Geschehen hinter dem Bus stark verzerren, dauerte anfangs auch das Rückwärtsfahren ziemlich lange. Besonders in der Sommerburgstraße wird es am Fahrbahnrand sehr eng. Da wusste ich nie so richtig, wieviel Abstand ich zum Bürgersteig halten muss, damit ich mit den großen Busspiegeln nicht die parkenden Autos berühre. Die Routine stellte sich jedoch schnell ein.“

Waren Sie schon einmal in einen Verkehrsunfall ver-wickelt?
„Nein. Ich besitze den Führerschein seit meinem 18. Lebensjahr und fahre unfallfrei.“

Sind Frauen die besseren Autofahrer?
„Ich glaube, dass das so ist. Frauen fahren einfach vorsichtiger und zurückhaltender. Männer sind die draufgängerischeren Autofahrer. Die Damenwelt hat das Wohl des Autos im Auge - Männer kümmern sich nicht um Beulen in der Karosserie oder Schrammen im Lack.“

Gehören Sie zu den passionierten Autofahrern?
„Auf jeden Fall. Ich bin auch privat sehr viel mit dem Auto auf Achse.
So habe ich während meiner Urlaube schon fast ganz Deutschland bereist - von Sylt bis in den tiefsten Süden. Zur aufregendsten Tour bin ich mit drei Freundinnen gestartet. Wir haben uns in Namibia einen Bus gemietet und sind mit diesem Gefährt drei Wochen lang durch die karge, heiße Wüstenlandschaft der Namib und ins Binnenhochland, in dem nachts Frost herrschte, gefahren.“

Wie lange dauert eine Route des Bürgerbusses „Haarzopf-Margarethenhöhe-Rüttenscheid“ und wie hoch sind die Fahrpreise?
„Eine Tour von Haarzopf bis Haarzopf dauert zirka eine Stunde lang. Die komplette Route von Haarzopf bis zum Alfried-Krupp-Krankenhaus bezeichen wir als ,ganze Strecke‘ und kostet 2 Euro; die Strecken-Hälfte (Haltestelle Laubenweg auf der Margarethenhöhe) liegt bei 1,50 Euro. Wer Besitzer eines EVAG-Abo-Ticktes ist, der bezahlt nur einen Euro.
Alle Fahrgäste, die einen Schwerbehindertenausweis haben, dürfen kostenlos mitfahren. Mit den Einnahmen decken wir ein Drittel der Unterhaltskosten des Bürgerbusses. Fällt er wegen einer Reparatur aus, dann können wir auf den alten, ausgemusterten Bus zurückgreifen.“

Haben Sie viele Stammkunden unter den Bürgerbus-Fahrgästen?
„Ja. Zu den Fahrgästen zählen sehr viele Senioren, die zum Alfried-Krupp-Krankenhaus fahren, um dort ihre Angehörigen zu versorgen, an ambulatnten Therapien teilnhemen oder zwischen den Seniorenheimen pendeln.
Da wir morgens schon ab 7 Uhr unterwegs sind, nutzen uns in dieser Zeit viele Schüler und Berufstätige, die mit dem Bürgerbus zum Beispiel zur Lührmannstraße fahren, um hier auf Linien umsteigen, die sie nach Holsterhausen bringen oder sie fahren mit uns nach Haarzopf, um von hier aus nach Mülheim an der Ruhr oder zum Südwest-Friedhof umzusteigen. Zu den großen Messen wie der ,Mode-Heim-Handwerk‘ oder der ,Essen Motor Show‘ gehören natürlich sehr viele Messebesucher, die in der umliegenden Gegend einen Parkplatz gefunden haben, zu unseren Mitfahrern.“

Wieviel Fahrgäste befördert der Bürgerbus im Jahr?
„Vom ersten Tag seines Bestehens an, wurde der Bürgerbus sehr gut angenommen.

Wir befördern unter der Woche zirka 80-90 Fahrgäste täglich und an den Wochenenden zirka 35-40 Leute täglich. Insgesamt haben bereits zirka 25.000 Fahrgäste pro Jahr unser Angebot in Anspruch genommen.“

Autor:

Dirk Bütefür aus Mülheim an der Ruhr

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