Harte Schneebälle

Wir besuchten die letzte Klasse der Hauptschule und es war Winter, kurz vor Abschluss des Schuljahres und der Schule. In den letzten Tagen hatte es viel geschneit. Draußen herrschte jetzt Tauwetter und Nebel und es hatten sich Pfützen und Rinnsale auf dem Asphalt des Schulhofs neben dem Schnee gebildet. Das Weiß war teilweise vom Rollsplitt durchsetzt, der auf dem Schulhof lag. Vor dem Schulgebäude roch es nach Putzmitteln und Bohnerwachs.
Es klingelte zur großen Pause und einige Jungen formten Schneebälle aus dem matschigen Weiß. Zuerst bewarfen sie andere Mitschüler, dann die Schulmauer und Bäume, deren nackte Äste und Zweige in den Himmel ragten und schließlich die großen Fenster unseres Klassenzimmers. Auch die grauen, metallenen Mülltonnen, die schepperten, wenn sie getroffen wurden und das aus Ziegelstein gemauerte WC-Haus standen im Visier. Einige warnten davor, auf andere Schüler zu werfen. Das ging trotzdem munter weiter, bis es dann klirrte. Ein Schüler hatte es geschafft, eine Scheibe des Klassenzimmers ein zuschmeißen, das im ersten Stock lag!
Wir berieten, was nun zu tun sei. Einige meinten, gar nichts zu sagen, bis der Lehrer es merkte. Dann würden wir uns raus reden, dass wir von nichts wüssten. Dabei blieb es. Was wir nicht gesehen hatte, war, dass unser Klassenlehrer, der Pausenaufsicht hatte, das Ganze mitbekommen hatte. Als wir zu Beginn der Stunde den Klassenraum betraten, sahen wir die Bescherung1 Das Fenster war entzwei und Glasscherben, sowie eine Wasserpfütze befanden sich auf dem Boden. Wir setzten uns auf unsere Stühle und harrten der Dinge, die da kommen mussten. Als unserer Klassenlehrer in den Raum kam, meinte er nach einer Weile, mit Blick auf das zerbrochene Fenster: „Oh, was ist denn das?“ In der Klasse herrschte Stille, sodass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.
Dann sagte er: „Man hat Euch beim Schneeball schmeißen gesehen. Wer den Ball geworfen hat, weiß ich auch.“
Keiner sagte etwas. Der Junge, der den Schneeball geworfen hatte, meldete sich. Schließlich meinte der, Lehrer: „ Wir werden sehen, dass es die Versicherung übernehmen wird, den Schaden zu begleichen und werft bei dem Wetter keine Schneebälle mehr Die Verletzungsgefahr ist einfach zu groß“. Die Klasse, besonders der Werfer atmeten auf. Sein Gesicht das schneeweiß gewesen war, rötete sich nun. Dann beauftragte der Lehrer einige Schüler, Schaufel und Handfeger beim Hausmeister zu holen, um die Scherben zu beseitigen. Sie brachten auch ein Stück Pappe mit, mit der das Fenster notdürftig abgedichtet wurde. Die Scherben wurden erst einmal in den Papierkorb getan. Es folgten aber keine weiteren Sanktionen. Nur ab und zu wehte ein kalter Luftzug durchs Klassenzimmer und erinnerte den Tunichtgut an seine Untat.
In der nächsten Pause schmissen dennoch einige Klassenkameraden Schneebälle auf andere Schüler, wurden aber von den anderen ermahnt und ließen es dann.
Auf unserer Klassenabschlussfeier kam das Ganze noch einmal zur Sprache und wir haben herzhaft darüber gelacht.

Autor:

Karl Farr aus Essen-Süd

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