Abstrakte Bilder- und Klangwelten

Fotoarbeiten von Thomas Wunsch bei "kunstwerden". 
Foto: Bangert
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  • Fotoarbeiten von Thomas Wunsch bei "kunstwerden".
    Foto: Bangert
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Neue Ausstellung „Thomas Wunsch - Abstrakte Fotografie“ in kunstwerden mit Musik eröffnet

Die Menschen des Vereins „kunstwerden“ lassen es sich nicht nehmen, stets mit offenen und kunstinteressierten Augen durchs Leben zu gehen.

Mit einer spannenden Ausstellungsauftaktveranstaltung untermauerte der Kunstverein seinen unbändigen Drang zu bedingungsloser Offenheit. Offen für ambitionierte bildende Kunst, die gerne aus „anderen“ Ansätzen und Blickwinkeln völlig neue und ungewohnte ästhetische Reize setzen darf. Offen aber auch für darstellende Kunst, die gerne unbequem und widerspenstig sein darf.

Ein ungewöhnliches Doppel

Zur Eröffnung der neuesten Ausstellung präsentierten Petra Steinhardt und Gabriele Klages ein höchst bereicherndes „Doppel“. Der 60-jährige Thomas Wunsch lernte zunächst auf dem Konservatorium klassische Konzertgitarre. Schon als Teenager fing Wunsch aber an zu fotografieren, führte sich autodidaktisch an das Thema heran, arbeitete schnell sehr professionell und gründete früh in Hamburg ein Studio der kommerziellen Fotografie mit den Schwerpunkten Mode, Still Life und Portrait: unter anderem hatte er Barbra Streisand, Sir George Solti, Frank Zappa, Yoko Ono vor der Linse. 1984 übersiedelte er in die USA, wo er in Seattle festangestellter Standfotograf in einem Filmstudio wurde. Abstrakte Bilder in der Malerei hatten ihn schon lange fasziniert. Im Jahr 2000 überlegte Wunsch dann, es müsse doch möglich sein, auch mit seiner Kamera abstrakt zu arbeiten. Manfred Eicher, Chef des Plattenlabels ECM, fand Idee und Fotos gut, verwendet sie für seine CD- und LP-Cover. Nun ausschließlich in Sachen künstlerischer Fotografie unterwegs, reist Wunsch viel und gerne und findet seine Motive auf der ganzen Welt. Seine Bilder werden im In- und Ausland gezeigt, im Ruhrgebiet sind sie aber erstmalig zu sehen.

Ein sprödes Genre?

Petra Steinhardt hatte sich so ihre Gedanken gemacht: „Ist abstrakte Fotografie wirklich ein so sprödes Genre? Thomas Wunsch hat auch Kunstgeschichte studiert. Da spielt sich vieles im Background ab. In wieweit ist das Medium geeignet, auch abstrakte Kunst zu schaffen? Basis ist ein zu Grunde liegendes Ordnungsprinzip, Wunsch hat mit dem Quadrat auch sein Format gefunden, dass er als ‚demokratisch‘ bezeichnet. Zunächst analog fotografiert, wird ausführlich digital bearbeitet." Die so verfremdeten Fotos wirken oft verwaschen, zeigen Ungegenständliches, das nicht mehr oder noch nicht Form ist. Sie irritieren mit schemenhaft gesetztem Licht und Schatten, ineinander verlaufenden Übergängen. Thomas Wunsch erschafft aber so geradezu atmosphärisch wirkende Schwingungen. Jedes Foto erfordert einen zweiten Blick, denn es führt ein Eigenleben. Man muss immer wieder neu hinschauen. Wunsch geht offensiv und selbstbewusst mit seinem Medium um, seine Fotografie wird definitiv ihrem Anspruch als ‚Kunst‘ gerecht. Große und kleine Formate, schwarz-weiß dominierte Strukturen, seltene Farbeinsprengsel. Die in der Fotografie eher ungewöhnliche Ausdrucksform überzeugt hier durch eine doch sehr eigenständige Art, entwickelt hohe Ästhetik und wirkt suggestiv auf den Betrachter.

Aufschrei einer gequälten Seele?

Was passt zu diesen abstrakten Bilderwelten? Nicht nur unerwartete Bilder an der Wand hatte „kunstwerden“ zu bieten, sondern auch verstörende und gleichzeitig beeindruckende Musik ins Boot geholt. Gabriele Klages stellte dem Publikum eine junge Künstlerin vor: Die Cellistin Emily Anine Wittbrodt studierte unlängst für ihren Bachelorabschluss an der Folkwang-Universität ein Konzert ein mit Werken von Sergei Rachmaninov, Benjamin Britten und Iannis Xenakis. Der in Todesangst aus den Wirren der Oktoberrevolution geflohene Russe, der im Zweiten Weltkrieg den Kriegsdienst verweigernde Brite, nicht zuletzt der im Griechischen Bürgerkrieg zum Tode Verurteilte: Drei Komponisten, die ihren Platz fanden in Wittbrodts Konzert „Musik in unruhigen Zeiten“. Ein klarer Bezug zur aktuellen politischen Lage, findet die Cellistin. Iannis Xenakis war einer der politisch aktivsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Seine Komposition „Kottos“ von 1977 gilt als eigentlich unspielbar, wurde daher selten aufgeführt, bisher auch nur vom (starken?) Geschlecht. Da war Emily Anine Wittbrodt nicht mehr zu bremsen: „Kottos ist sehr roh, man braucht viel Kraft, um es zu meistern. Warum nicht auch eine Frau?“ Fünf Monate benötigte Wittbrodt, um das sperrige Stück einzuüben. Es lohnte sich: Ein forderndes Werk, für die Interpretin, aber auch fürs geneigte Publikum. Die klanglichen Möglichkeiten des Violoncellos werden ausgelotet, bis zum Exzess ausgereizt. Hört man den Aufschrei einer gequälten Seele? Die Cellistin Emily Anine Wittbrodt jedenfalls gilt es zu beobachten: Eine vielversprechende Künstlerin.

Ausstellung

Die Ausstellung mit Werken von Thomas Wunsch läuft bis zum 17. September, in den Räumen von kunstwerden im TOR 2 an der Ruhrtalstraße. Öffnungszeiten sind wie gehabt freitags von 20 bis 24 Uhr, sonntags von 15 bis 18 Uhr, der Eintritt ist wie immer frei. Weitere Infos sind unter www.kunstwerden.de oder auf facebook bei kunstwerden/kunstwerden.bühne zu haben.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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