Der Nächste bitte! Kunstsprechstunde im Bürgermeisterhaus

Was für Schatz! Kunsthistorikerin Dr. Silke Köhn hält eine Bibel aus dem 18. Jahrhundert in Händen, die in litauischer Sprache verfasst wurde. | Foto: Bangert
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Geduldig sitzen die Besucher im Flur des Bürgermeisterhauses und warten darauf, dass sie an der Reihe sein. Endlich geht die Tür auf und einer der beiden Kunsthistoriker bittet herein. An zwei Tischen nehmen Dr. Silke Köhn und Dr. Oliver Gradel die mitgebrachten Schätze ganz genau unter die Lupe, erklären, ordnen ein. Denn über viele Dinge wissen die Besitzer selbst kaum etwas zu berichten.

"Es ist für uns jedes Mal wie Weihnachten", freut sich Dr. Silke Köhn, der man die Leidenschaft für die alten Schätzchen ansieht. Mit Bedacht und Sorgfalt widmet sie sich den Stücken, die ihre Besitzer für wertvoll halten. Manche Dinge werden immer wieder mitgebracht. Bilder zum Beispiel. Oft reicht den Experten schon ein kurzer Blick und die Epoche des Werks ist klar. Ist auch eine Signatur vorhanden? Wenn ja, helfen da Internet oder Nachschlagewerke weiter. Anhand von Vergleichsobjekten kann dann auch der Wert des vermeintlichen Schatzes eingeordnet werden. Allerdings sind hier die Erwartungen oft viel größer als die Realität. Denn nicht alles, was uralt aussieht, ist es auch, bzw. ist wirklich kostbar. Manche Stücke bestechen auch "nur" durch ihre Originalität.

Opas altes Wandtelefon

So wie das alte Wandtelefon vom Opa, dass bei der Fachfrau für staunende Blicke sorgt. "So etwas hatte ich tatsächlich auch noch nie in der Hand", freut sich Dr. Köhn. Die Geschichte dahinter, kennt die Enkelin nicht. Auch darum geht es bei der Kunstsprechstunde. Die Kunsthistorikerin greift zum Tablet und stöbert Auktionsportale durch. "Es scheint eine Art Vermittlungs- oder Haustelefon zu sein. Vielleicht um Bedienstete zu kontaktieren", folgert sie anhand der digitalen Hinweise. Das mit dem Preis ist schwieriger. Viele Stücke - wie eben so ein altes Telefon - sind nur für Sammler wirklich interessant, würden in einer "normalen" Auktion wohl nicht sehr viel einbringen. Sich festlegen (und damit falsche Erwartungen schüren) wird die Kunsthistorikerin in diesem Fall nicht.
Zur selben Zeit hält Dr. Oliver Gradel einen Wandteller in Händen, der mit einem Portrait einer jungen Frau bemalt ist. Ein Hingucker, keine Frage. Aber auch wertvoll? Der Fachmann greift sofort zur Lupe und sieht sich die Pinselstriche genau an. Eine Signatur sucht er vergeblich. Trotzdem weiß er sofort, was er vor sich hat: "So ein Wandteller stammt aus der Zeit von 1890 bis zum ersten Weltkrieg. Sie wurden als Massenware hergestellt - etwa für ein Herrenzimmer oder einen Salon und wurden meistens paarweise aufgehängt." Massenware? Leider kein Volltreffer. Auch die nächsten Objekte (u.a. ein opulenter Kronleuchter und eine reich verzierte Schmuckschatulle) die auf seinem Schreibtisch landen, sind wunderschön, und waren zu ihrer Zeit kostspielig in der Anschaffung, heute aber leider nicht mehr viel wert. "Wenn man so etwas in einer Auktion verkaufen möchte, muss man auch immer bedenken, dass etwa 20 Prozent des erzielten Preises ans Auktionshaus gehen", unterstreicht der Kunsthistoriker.

Bibel aus dem 18. Jahrhundert

Währenddessen widmet sich Dr. Silke Köhn einem historischen "Knaller": einer alten Bibel aus dem 18. Jahrhundert, die in litauischer Sprache verfasst wurde. Ganz vorsichtig schlägt die Kunsthistorikerin das beachtliche Stück auf, hat es doch ganz offensichtlich eine Odyssee hinter sich, aber allen Kriegswirren getrotzt. Die aufgequollenen Seiten sind noch lesbar. Dr. Silke Köhn muss sich zwingen, nicht darin zu versinken. Und wie sieht es hier mit dem Wert aus? Wieder wird das Internet zur Hilfe genommen. "Manchmal hat man Glück und findet einen Vergleichsfund", so die Fachfrau. Diesmal aber nicht. Und auch in diesem Fall muss sie abwiegeln. Die Bibel ist mit Sicherheit ein Schatz, aber in erster Linie ein ideeller. Sie war den Menschen so wichtig, dass sie Jahrhunderte überstehen konnte. Natürlich gibt es für alles einen Käufer, den müsse man aber erstmal finden. Und so ist es mit der Bibel wie mit ganz vielen Schätzen an diesem Tag. Die tolle Pilotenuhr, der schöne Schirmständer, das alte Buch, das die Geschichte des Forum Romanums auf latein erzählt: sie alle sind Zeugen einer längst vergangenen Zeit. Aber sehr viel Geld lässt sich mit ihnen nicht verdienen. Die geschätzten Werte überschritten kaum die 200-Euro-Grenze.

Was für Schatz! Kunsthistorikerin Dr. Silke Köhn hält eine Bibel aus dem 18. Jahrhundert in Händen, die in litauischer Sprache verfasst wurde. | Foto: Bangert
Kunsthistoriker Dr. Oliver Gradel hat ein Auge fürs Detail. Ist dieses Bild wertvoll oder nur ein toller Hingucker? | Foto: Bangert
Autor:

Nina van Bevern aus Essen-Werden

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