Einsamkeit kann sehr weh tun

Heinz Brümmer gründete vor zehn Jahren den Hei. - Fi. Seniorenkreis 55 plus.
Foto: Henschke
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Der Hei. - Fi. Seniorenkreis 55 plus wurde vor zehn Jahren aus der Taufe gehoben

Heinz Brümmer ist ein Hans Dampf in allen Gassen. Im Mai wird er 85 Jahre jung und plant „etwas Größeres“. Dabei war dem Werdener ein so langes Leben bestimmt nicht vorgezeichnet.

Denn was er über Kindheit und Jugend berichtet, stimmt nachdenklich: „Mir stand mehrmals ein ganz persönlicher Schutzengel zur Seite.“ Als neun Monate altes Kind mit schwerer Lungenentzündung dem Tode geweiht, vom Kinderarzt („der war Nazi“) bereits aufgegeben. Die Mutter wollte das vernichtende Urteil nicht akzeptieren, wandte sich an einen jüdischen Chefarzt, der die stationäre Behandlung übernahm. Der kleine Heinz wurde gerettet. Nach der Machtergreifung wurde das jüdische Kinderkrankenhaus geschlossen, der Lebensretter Dr. Hirschfeld erschoss sich. Bei einem Luftangriff schlug ein riesiger Betonklotz nur Zentimeter neben Brümmer auf. Am Kriegsende stand Brümmer mit Mutter und kleinem Bruder vor dem Erschießungskommando. Die 9. Kanadische Armee hatte Uerdingen eingenommen, baute bereits die Maschinengewehre auf, doch der Schießbefehl blieb aus, nach qualvollen Stunden in Todesangst war der Spuk vorbei. Für Brümmer steht fest: „Mein Schutzengel hat mir immer geholfen!“ So ist vielleicht zu verstehen, wie ein Mensch derart in ehrenamtlichem Tun für andere aufgehen kann.

Betriebsleiter der Ruhrlandklinik

Brümmer war unter anderem aktiver Pfadfinder, stand Kirchenchören vor, war Präsident von Karnevalsgesellschaften, Geschäftsführer und Chronist im Schützenverein, saß in Prüfungskommissionen der Industrie- und Handelskammer, in Personalräten, war ehrenamtlicher Schöffe. Er erhielt 1983 für sein Engagement die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland überreicht. Bis zum Umzug nach Heidhausen saß er im Vorstand des Bürger- und Verkehrsvereins Dellwig. Der Umzug erfolgte 1975 aufgrund eines neuen Arbeitsfeldes, die Ruhrlandklinik suchte einen Betriebsleiter. Brümmer hatte zunächst den Schlossermeister gemacht, dann noch Maschinenbau obendrauf gepackt. Er ging zum Gespräch: „Ich war der erste von 800 Bewerben. Und mich haben sie genommen.“ Verblüffend: „Ich hatte von Klimaanlagen oder Brandschutz keine Ahnung. Doch ich wirkte wohl irgendwie überzeugend.“ Natürlich hat sich Heinz Brümmer dahinter geklemmt, die Materie aufgesogen, unzählige Schulungen besucht. Aus diesem ersten Gespräch wurden zwanzig Jahre: „Wir zählten zu den fünf besten Lungenklinken Europas.“ Was hat er nicht an der Ruhrlandklinik erlebt: Große Umbauten, neue OP-Säle, Handwerker, die immer was kaputt machen mussten…

Der Becherovka kreiste

1983 entdeckte Heinz Brümmer ein neues Talent: Er wurde Reiseleiter. Rom, Wien, Lourdes, aber auch Türkei, Marokko, Tunesien. Eine der Kurreisen ins tschechische Franzensbad gab den Anstoß zur nächsten ehrenamtlichen Betätigung. Der Senioren-Kreis der Gemeinde St. Kamillus war nach gut 30 Jahren aufgelöst worden. In dieses Vakuum stieß Heinz Brümmer und muss noch heute schmunzeln: „Tolle Fahrten waren das. Insgesamt habe ich rund 500 Leute nach Franzensbad gekarrt. Vor zehn Jahren saßen wir also gemütlich in Tschechien zusammen. Der Becherovka kreiste.“ Und der Heidhauser - Fischlaker Seniorenkreis 55 plus wurde aus der Taufe gehoben. Die Marianne hatte ihn nämlich angestupst: „Nun mach schon, oder sollen wir noch auf Knien vor dir kriechen?“ Seine Marianne. Zweiter Schutzengel ab 1950. Ehefrau, Mutter seiner beiden Kinder, Weggefährtin. Die „gute Seele“, aber leider auch lungenkrank. Zu früh wurde sie ihm genommen. Seit fast zwei Jahren weiß Heinz Brümmer nun auch: „Einsamkeit kann sehr weh tun.“ Schon von daher wird jedes Geburtstagskind bedacht: „Ich kümmere mich um meine Leute. Das sind so Kleinigkeiten, aber die sind unheimlich wichtig.“

Ich fahre doch nichts ins Blaue!

Der Seniorenkreis 55 plus ist kein Verein, erhebt keinen Beitrag. Man trifft sich jeden dritten Mittwoch im Monat, besucht zuerst die Messe in St. Kamillus, trinkt dann Kaffee und hört sich ein Referat mit altersgerechten Themen an, zum Beispiel über verschiedene Notruf-Geräte oder die Malteser. Besonders aufwändig werden der „närrische Nachmittag“ und die Weihnachtsfeier gestaltet. Ohne sein engagiertes Mitarbeiter-Team nicht zu schaffen. Dem gilt sein herzlicher Dank. Die Zeit der mehrtägigen Fahrten ist vorbei: „Wir machen nur noch Tagestouren.“ Weiterhin bereitet Brümmer diese Fahrten generalstabsmäßig vor. Natürlich werden im Vorfeld die Bedingungen vor Ort abgeklopft. Auf „Inspektionsreise“ sucht der Organisator dann die besten Stationen aus: „Ich fahre doch nichts ins Blaue!“ Besonders wichtig ist das Mittagessen: „Damit steht und fällt das Ganze.“ Ins Münsterland wird’s diesmal gehen. Bedenklich ist der Schwund an Gruppen für die älteren Semester: „Kürzlich war ich bei einem Treffen der Ökumene mit 200 Teilnehmer, alles sehr engagierte Menschen. Doch ich war der einzige, der was mit Senioren am Kopf hatte.“

Treffen

Das nächste Treffen der Hei.-Fi.-Seniorenkreises 55 plus ist am Mittwoch, 19. April. Um 15 Uhr startet die Seniorenmesse in St. Kamillus, dann beginnt das Treffen im Pfarrsaal an der Heidhauser Straße mit dem Kaffetrinken. Diesmal stellt sich die Bahnhofsmission Essen vor. Im Mai wird mit den Diakonen Peter Lenz und Jürgen Werner gesungen, im Juni beantwortet der Urologe Dr. med Tobias Jäger alle Fragen. Eine Anmeldung ist nicht nötig.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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