Zeitreise ins Alte Werden

Diese detektivischen Heimatforscher ermöglichen eine Zeitreise ins Alte Werden.  
Foto: Henschke
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Informative Ausstellung des Heimatvereins präsentiert im Rathaus Werdener Geschichte

Was haben die beiden Vitrinen im Foyer des Rathauses, direkt vor der öffentlichen Bücherei, schon Großartiges beherbergt. Nun fand sich eine Gruppe des Werdener Bürger- und Heimatvereins, die in unermüdlicher Kleinarbeit Exponate sammelte und so eine Zeitreise ins Alte Werden ermöglicht.

Die Ausstellung ist bis zum 20. Januar 2017 zu sehen. Zur Eröffnung sprach Hannelore Kahmann einführende Worte: „Hier finden wir viele Belege für die reiche Werdener Geschichte. Kreative Leute haben die Köpfe zusammen gesteckt, Exponate gefunden und das Material zusammen geführt. Goswin Apolte stöberte im Archiv und brachte herrliche alte Bilder zu Vorschein. Dr. Dietmar Rudert vom Heimatverein hat Großes vor: „Wir haben ja nur einen kleinen Raum im Rathaus, daher möchten wir ein virtuelles Heimatmuseum im Internet schaffen!"

700 Jahre Stadtrechte

2017 feiert Werden seine 700 Jahre Stadtrechte, ist aber um einiges älter. Bereits 974 verlieh Kaiser Otto II. das Münzrecht an die Abtei. In Werden wurden also Münzen geprägt. Nur, wo war das? In minutiöser Detektiv-Arbeit beugten sich die Heimatforscher mit der Lupe über altes Kartenmaterial und eine Stadtansicht von 1572 und wurden fündig: „Dort, dieses Haus mit Walmdach und hoch ragendem Schornstein, da muss es gewesen sein.“ Etwa, wo heute die Brückstraße ist, stand die Münze. Die Äbte ließen dort prägen, das jüngste Exemplar ist der Thaler des Abtes Anselmus von 1765. Hannelore Kahmann ergänzte: „Hier gibt es einen Bezug zum Handwerk, den Zünften, der Architektur in Werden. Aber auch zu den Menschen. Wie haben sie gelebt?“ Interessant die Geschichte der sieben Werdener Nachbarschaften, einer Art kleinster Verwaltungseinheit. Von ihnen kündet die Kette der 1621 gegründeten Bornsträßer Noberschaft, am heutigen Klemensborn. Die Gemeinschaft stand sich bei, half bei Hochzeiten und Todesfällen. Der Vorsteher, Scheffen genannt, wurde für ein Jahr bestellt, er regelte die Angelegenheiten der Nachbarn, schlichtete bei Streit.

Der Tuchhandel

Der Tuchhandel prägte die Stadt, gab Brot und Arbeit. Das Weberhaus in der Graawestroot ist beredter Zeuge, an seinen verschiedenen Geschossen ist noch heute abzulesen, wie Arbeiten an den großen Webstühlen und Wohnen in einem Haus funktionierte. Direkt nebenan ist ein weiterer Aspekt der Werdener Wirtschaftsgeschichte zu entdecken. Als seine Branche in eine Krise geriet, sattelte der Tuchhändler Alois Sebastian Mittweg um und wandte sich dem Weinhandel zu. Später eröffnete dort Franz Klapdohr eine Wirtschaft, noch heute kann man im „Alt Werden“ ein Bierchen zischen. Im Anbau daneben hatte Zinngießermeister Josten seine Werkstatt, die letzte ihrer Art in Werden. Nun werden Zinnbecher, Löffel, ein Bierkrug und eine große Kaffeekanne mit mächtigem Bauch und Holzgriff ausgestellt. Gesellig beisammen sitzen war und ist ein Faible der Abteistädter. So gab es in Werden einen „Pfeifenclub“. Am Flachsmarkt, heute Leinewebermarkt, war die Pfeifenbäckerei Mutz beheimatet. Als Gaststätte „Am Kamin“ schrieb das Haus später so einige Kapitel Werdener Geschichte mit.

Waddische Originale

Der Patz-Graf. Ein Schrank von einem Mann, seines Zeichens Kofferträger, hatte seinen Stand am Casino. Von dort kostete der Transport eines Koffers nach Kettwig eine Mark, bis nach Essen etwas mehr, nämlich einsfuffzig. Köstlich die Anekdote, als ein feiner Pinkel mit dem Patz-Grafen handeln wollte: „Bis nach Essen. Hier hast Du eine Mark. Das reicht.“ Reichte nicht. Als der Herr in Essen vergebens nach seinem Koffer Ausschau hielt, stand der längst herrenlos in Kettwig herum. Dafür hatte die eine Mark gereicht...
Mina Schnaad war ein Mütterchen, das so arm war, dass sie oft mit knurrendem Magen durch Werden laufen musste. Doch Mina war berühmt-berüchtigt für einen besonderen Kniff. Immer dort, wo es was zu schnabulieren gab, sei es bei Geburtstagen, Heirat, Beerdigungen, trat sie ein, grüßte freundlich und schlug sich das Bäuchlein voll. Erst hinterher fragten sich die Gastgeber: „Kanntest Du die?“ „Männe und Setta“ dürfen natürlich auch nicht fehlen, als vergilbte Photographie und als Tonskulptur. Das ungleiche Paar trieb Mitte des 19. Jahrhunderts die Tiere zum Schlachthof, den Pastoratsberg hinauf.

„En Stöksken Appeltat“

Eine große Tafel des Vereins zeigt ihre Zeitreise seit der Gründung von 1881, eine beeindruckende Appeltatenform rundet die Ausstellung ab. Die rheinische Irdenware zeigt das handwerkliche Können des 19. Jahrhunderts. Der Appeltate wurde sogar ein Lied auf Waddisch gewidmet: „Ach Moder, gäf mie doch en Stöksken Appeltat, ek häf son Honger drop…“
Rezepte gibt es übrigens wohl so viele, wie es traditionsbewusste Familien gibt in Werden. Ein mögliches Rezept für eine große Appeltatenschüssel mit 32 cm Durchmesser könnte so aussehen:
Teig: 200 g Butter, 200 g Zucker, 1 Päckchen Vanillezucker, 300 g Mehl, 1 gestr. Teelöffel Backpulver, 1 großes Ei, 1 Eigelb. Füllung: 2 kg Äpfel (Boskop), 200 g Zucker, Rosinen, gehackte Mandeln, Anis, Zimt. Kokosraspeln, Gries und Sahne.
Kleingeschnittene Äpfel mit Zucker, Rosinen, Mandeln, Zimt und Anis gut durchmischen. Zwei Drittel vom Knetteig für den Boden ausrollen. Die Appeltatenform gut fetten, mit Gries ausstreuen. Den Boden auslegen, mit Kokos einstreuen und mit der Apfelfüllung belegen. Mit dem restlichen Teig einen Deckel bilden, vorsichtig mit einer Gabel anstechen, bei 180 Grad etwa 75 Minuten backen. Mit Eigelb überpinseln und nochmals kurz in den Backofen stellen. Mit frisch geschlagener Sahne servieren. Ein himmlischer Genuss!

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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