25 Jahre Raum für Kunst

Lang ist sie her, die allererste Ausstellung von Monika Leufen. Foto: repro privat
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Nicht nur der WEST ANZEIGER hat mit seinem 30-jährigen Bestehen allen Grund zu feiern! Auch der Kunstraum Notkirche bietet bereits im 25. Jahr Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit, in einem Raum auszustellen, den es so kein zweites Mal gibt.

Im Schatten der Apostelkirche ist sie zu finden: Die Notkirche. Schon beim Betreten des Raumes merkt es der Besucher ganz deutlich: Dies ist ein besonderer Ort, ein Ort voller Geschichte, der nicht auf einen Künstler spirituell, fast mystisch wirkt. Pfarrer und Kunstkurator Werner Sonnenberg erzählt: „Eben das ist es, was den Raum für Künstler so besonders macht. Sie schauen sich die Räumlichkeiten an und oft entstehen Werke, die sich genau mit diesen Begebenheiten befassen.“

Die erste Künstlerin war Monika Leufen

Künstlerin Monika Leufen war die erste. Sie stellte vom 22. Oktober bis 26. November 1989 das allerste Mal im Kunstraum Notkirche aus.
Doch wie kommt man als Pfarrer auf die Idee in einer Kirche eine Plattform für Künstler und deren Werke zu schaffen? „Es hat mit meiner Biografie zu tun“, verrät uns Sonnenberg. „Schon als Kind habe ich Klavierspielen gelernt, als Jugendlicher Orgel und schließlich gab ich sogar Keyboardunterricht.“ In dieser Zeit in den 70er Jahren kam Werner Sonnenberg in Kontakt mit der Kunstszene. Die Symbiose von Musik und Bildender Kunst faszinierte ihn schon immer. Am 8. August 1988 kam Sonnenberg nach Essen. Nicht viel später entstand die Idee aus der Notkirche einen Kunstraum zu machen.

Symbiose von Musik und Bildender Kunst faszinierte Sonnenberg schon immer

Nachdem das Presbyterium grünes Licht gegeben hatte, konnten Lichtanlage und ein Aufhängsystem (für die Kunstwerke) installiert werden. Gut 30.000 Deutsche Mark verschlangen das damals, war aber nötig. Trotzdem hatte Sonnenberg bei der ersten Ausstellung kein Geld für die Versicherung der Gemälde. „Das war schon ein Problem. Ich bin dann richtig betteln gegangen und habe beim Publikum nach einer Spende gebeten.“ Nicht nötig zu erwähnen: Die Summe kam zusammen, die Ausstellung war damit gerettet.
Ab diesem Zeitpunkt gab es immer vier Ausstellungen im Jahr. Momentan ist der Kunstraum Jahre im Voraus„ausgebucht“. Es ist in jedem Fall ein Selbstläufer. „Künstlerinnen und Künstler kommen auf mich zu, haben von den Ausstellungen gehört, oder selber mal eine davon besucht und möchten hier auch ausstellen“, berichtet Sonnenberg. „Jede Ausstellung generiert neue Künstler. Wir haben absolut gute Besucherzahlen. Auch bei der Eröffnung, die immer sonntags um 18 Uhr stattfindet. Darauf bin ich sehr stolz!“

Ideen haben sich weiterentwickelt

Besonders freut den Pfarrer, dass sich die Ideen weiterentwickelt haben. So wurden im Apo-Haus Künstler-Ateliers eingerichtet, inzwischen sind es acht Stück neben der offenen Jugendarbeit, die an Künstler vermietet werden.
Kunst schon den Kindern nahe zu bringen, ist Sonnenberg sehr wichtig. „So gibt es eine Kooperation mit dem Familienzentrum Postreitweg. Die Gruppen kommen und besuchen unsere Ausstellungen und beschäftigen sich so schon früh mit dem Thema Kunst und Glauben.“
Dafür gab es vom Familienministerium NRW den Kulturpreis, so dass sich das Familienzentrum Porstreitweg nun mit „Familienzentrum mit Kulturprofil“ betiteln darf.

Ist die Kirche bald Weltkulturerbe?

Inzwischen läuft der Antrag bei UNESCO die Kirche als Weltkulturerbe zu listen. Denn es handelt sich hierbei um einen besonderen Ort, der den Dialog von Kirche und Kultur erst möglich macht.
Und welche Ausstellungen sind Sonnenberg am meisten in Erinnerung geblieben? Das ist schwer zu sagen, denn jede einzelne habe ihren ganz eigenen Reiz. Oft ist Sonnenberg mit den Künstlern befreundet, hält den Kontakt. Auch zu internationalen Künstlern.
Einige Stolperfallen galt es vor allem in den Anfängen zu überwinden. Früher waren zum Beispiel die Druckkosten für Plakate noch viel höher als heute. So wurden damals bei einer Ausstellung die Originale in England gedruckt und dann von dort verschickt, um sie im Kunstraum auszuhängen.
Sonnenberg ist sich sicher: „Das hier ist ein geprägter Raum. Er strahlt soviel Geist aus, dass Künstler hier viele Ideen entwickeln können und extra für diesen Raum ein Werk kreieren.“
Die Brandspuren des zweiten Weltkriegs sind im Mauerwerk noch sichtbar, dokumentiert bei den Ziegeln, die die Trümmerfrauen aufeinander mauern mussten.
Der Altarraum, in der Mitte das Kreuz, das sei schon eine Herausforderung für Künstler. Klar, dass es so auch religiöse Motive gibt. Aber auch solche, die die Religion hinterfragen. Diesen Dialog findet Sonnenberg so wertvoll und erhaltenswürdig.

Einbezug von Altarraum und Empore ist eine Herausforderung

Eine weitere Herausforderung ist der Einbezug der Empore für die Künstler. „Sehen Sie diese wunderschöne Rosette (Anmerkung der Red.: das Fenster über der Empore)? Wenn die Sonne das Fenster beleuchtet, gibt es viel Licht und Punkte auf dem Holz. Auch das inspieriert die Künstler wie die Ausstellung von Dirk Hupe verdeutlichte“, so Sonnenberg.
Schön findet Sonnenberg, dass die Künstler zuerst den Raum auf sich wirken lassen. Sie kommen zur Vernissage, kommen dann noch einmal, wenn kein Kunstwerk in der Kirche hängt.

Religion schließt Kunst nicht aus

Religion schließt Kunst nicht aus, davon ist Sonnenberg überzeugt. Er ist stolz darauf, dass „wir als Kirche diese autonome Kunst nicht für unsere Symbole verinnahmen.“ Kunst und Religion befruchte sich gegenseitig. Es sei ein ständiges Geben und Nehmen. „Kunst mag den Betrachter manchmal auch stutzig machen“, so der Pfarrer. Er weiß: „Autonome Kunst muss auch stören dürfen. Kunst ist das Salz in der Suppe.“ Wie bei der Ausstellung von Alfred Grimm, der bei seinem Kunstwerk „Abendmahl“ (siehe Abbildung) den Korpus Jesu Christi mit einer Brotschneidemaschine zersägt.
Derzeit hat Sonnenberg einen Katalog veröffentlicht, in dem die Ausstellungen der letzten Jahre beschrieben werden. Dieser umfasst Ausstellung Nummer 1 bis hin zu Nummer 50. Im Frühjahr 2016 ist die weitere Veröffentlichung eines Kataloges mit den Ausstellungen 51 bis 100 geplant.
Erfolgreiche Arbeit wird gewährleistet durch die Unterstützung der Allbau Stiftung und der Sparkasse.

Langfristiges Projekt startet

Etwas Neues wird demnächst auch ausprobiert: Zum Thema: „Ruhrgebiet Jetzt“ erstellt ein Künstler Portraits von Einzelpersonen und Gruppen aus der Region. Dieses langfristig angelegte Projekt startete kürzlich und soll dazu führen, dass es innerhalb von einem Jahr zahlreiche Gemeinde- und Bürgerportraits gibt, sowie Interviews und verschiedene Aktionen. Ein Plakat soll dann an der Vorderseite der Mauer der Notkirche zur Nöggerathstraße aufgehängt werden. Warum das Ganze? „Dieser besondere Raum soll im öffentlichen Erscheinungsbild mehr präsent sein“, so der Pfarrer.
Und was wird auf lange Sicht aus der Kunst und dem Dialog zwischen Kirche und Kunst? „Solange ich hier bin, werde ich weiter machen“, ist sich Sonnenberg sicher. „Und das sind immerhin noch zehn Jahre!“

Autor:

Silvia Decker aus Emmerich am Rhein

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