Zwerchfelllose Zombies

Erzählten im Prinzessinnenglück: (v.li.) Mouhannad, Gisela Borrmann-Heimannsberg, Fahed, Vanush, Imam, Islam und Djamilya sowie ihr Mann Rasul und die beiden Töchter Sumaya und Samira (vo.).
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  • Erzählten im Prinzessinnenglück: (v.li.) Mouhannad, Gisela Borrmann-Heimannsberg, Fahed, Vanush, Imam, Islam und Djamilya sowie ihr Mann Rasul und die beiden Töchter Sumaya und Samira (vo.).
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Bürgerinitiative Bärendelle lud zur Frohnhauser Sommer-Kult[o]ur

Fünf Orte, fünf Veranstaltungen, parallel und nacheinander. So präsentierte sich die allererste Frohnhauser Sommer-Kult[o]ur. Ins Leben gerufen von der Initiative Bärendelle sollte ein Abend lang Kulturschaffenden eine Plattform und Kulturinteressierten ein Ort zum Entdecken geboten werden.

Ziel der Veranstaltung war es, Kultur im Stadtteil anzubieten und deutlich zu machen, dass niemand weit fahren muss, um Kultur zu erleben. Alle Veranstaltungen waren ohne Eintritt, einfach hingehen und zuhören war gewünscht. Los ging es um 17 Uhr. Zum Beispiel im Bistro & Café Prinzessinnenglück nahe dem Rielpark. Dort erzählten Geflohene aus ihrem Leben und das Flamencospiel auf der akustischen Gitarre des syrischen Musikers Mouhannad verzauberte das Publikum. Hineinkommen und einen Platz finden: Fast unmöglich.
„Es freut uns sehr, dass wir vier Personen gefunden haben, die so mutig waren über sich und ihr Leben zu erzählen“, erklärt Gisela Borrmann-Heimannsberg, ehrenamtliche Deutschlehrerin im Zeltdorf Planckstraße. „Dabei stammen zwei Personen aus Syrien und zwei Personen aus Tschetschenien beziehungsweise aus Armenien. Mit der Aufteilung wollten wir deutlich machen, dass es auch in anderen Ländern, nicht nur in Syrien, Krieg und Flucht gibt.“

Flamenco, Poetry Slam und Ruhrpott-Krimi

Die Geschichten wurden im Stil eines Interviews geführt, schmerzliche Dinge wurden dabei bewusst weggelassen. Djamilya etwa kam mit ihrem Mann und ihren vier Kindern im Juli 2015 nach Deutschland. Die gelernte Köchin floh mit ihrer Familie zuerst nach Belgien, dort hatten sie eine eigene Wohnung und die Söhne gingen zur Schule. „In Belgien waren wir die ganze Zeit nur geduldet“, so Djamilya. „Eines Tages wurde uns mitgeteilt, dass eine Erneuerung unseres Duldungsstatusses nicht mehr möglich sei. Wir hatten dann die Wahl zwischen nach Hause zurückkehren oder weiterziehen in ein Drittland.“ So wurde ihnen dann ein Zugticket und eine Adresse in Deutschland in die Hand gedrückt und sie mussten zum wiederholten Mal nach sieben Jahren Aufenthalt alles hinter sich lassen. Und hier begann zunächst eine Odyssee: Insgesamt acht Lager haben sie in Deutschland von innen gesehen, darunter München, Dortmund und Essen. Im Juni 2016 dann die gute Nachricht: Eine eigene Wohnung. Mittlerweile gehen die Jungs, die Mädchen sind noch zu klein, in die Schule. Wohlgemerkt: Gymnasium ist auch darunter.

Spielstätten bis auf den letzten Platz gefüllt

Zog man weiter gen Frohnhauser Platz erreichte man schnell die nächste Spielstätte: Die Kaffeerösterei Arcangelo. Dort gaben sich Prosa und Lyrik die Hand, Slam Poetry stand auf dem Programm. Auf einem alten Holzkasten standen sie dann, Jay Nightwind, Sushi, Moustafa Siala und Roberto Albrecht, und brachten das Publikum mit selbstgeschriebenen und improvisierten Texten zum Lachen, Nachdenken und Staunen. „Wir haben heute Abend ein richtig tolles Publikum“, erklärt Albrecht. „Es ist gemischt und, was mir persönlich sehr gut gefällt, es ist etwas älter. Da kann man dann nochmal ganz andere Texte loswerden, kann auf andere Weise zum Nachdenken anregen.“ Die Inspiration für diese Texte kommt bei Moustafa aus verschiedenen Quellen: Dem Umfeld, aus bestimmten Situationen oder aus Radio und Fernsehen. „Erstmal aufmerksam werden, dann alles in den Kopf reinlassen und dann verarbeiten“, erklärt der Poetry-Slammer. Titel wie „Brot oder Tod“, „Hallo Welt“ oder „Sonderling“ waren die poetischen Schmankerl des Abends.

Essener Schriftsteller unterstützt Frohnhauser Sommer-Kult[o]ur

Weiter ging es auf die andere Seite des Frohnhauser Marktes, genauer gesagt ins Frühstückscafé Blickwinkel des CVJM. Dort gaben sich Michael Gerritzen und Nicole Burggraf vom Theater THEST die Ehre. Sie warteten mit einer Ruhrpott-Lesung-Spezial auf, indem sie aus dem Buch „Essen Viehofer Platz“ von Jürgen Lodemann vorlasen. Dabei ging es um den Essener Ex-Kriminalkommissar Rudolf Langensiepen, der gerne mal, wenn ihm alles über den Kopf wächst, in die Kneipe geht und dort von Gott und der Welt lamentieren tut, manchmal auch über zwerchfelllose Zombies. Gelesen wurde eine Kneipenszene. „Wir haben im Vorfeld einige Autoren angeschrieben, denn ohne ihre Erlaubnis wollten wir nicht aus ihren Büchern vorlesen“, so Gerritzen. „Jürgen Lodemann hat dann sofort reagiert und er fand unser Vorhaben sehr gut. Wenn die Frohnhauser Sommer-Kult[o]ur im nächsten Jahr wieder stattfindet, würden wir gerne wieder dabei sein.“
Des Weiteren konnten sich die Besucher im Anyway an musikalischen Klängen erfreuen, denn dort gab es ein durchgehendes Konzert: Tisch 17, Municstreet und Annas Glück gab es zu bestaunen. In der Galerie Clowns & Pferde waren Kay Lease mit einer Lesung und Eilike Schhlenkhoff mit ihren Gemälden „Peripherien“ zu sehen.

Autor:

Kathrin Hinterschwepfinger aus Essen-West

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