Abschied von Howlin' Horst...

Adieu Horst Burchardt! Du bleibst unvergessen... für viele Menschen... Fotos: Schattberg
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Deutschlands ältester aktiver Bluesmusiker, 85, verließ für immer das Erdenreich! Mit einer Überraschung!

ADE! Horst Burchardt fällt auf. Wie immer! Ein großes Porträt von ihm steht vor dem Altar Apostelkirche, Frohnhausen. Der große, schmale Mann mit dem markanten Gesicht, Drei-Tage-Bart, blankem Schädel, zieht wieder wie ein Magnet die Menschen an: Vom Obdachlosen bis zum Oberstudiendirektor.

Bekannt wie ein bunter Hund…Nicht nur in Frohnhausen, sondern weit über die Grenzen hinaus. Schon zu Lebzeiten stand er in Bergisch-Gladbach als Denkmal auf einem Kinderspielplatz. Und als Howlin‘ Horst wurde der Dienst-älteste bluesman aus dem Kohlenpott von seinen Fans schier vergöttert.

Mit seinem Namen verbindet sich sehr intensive Frohnhauser Geschichte, vor allem mit der ev. Kirchengemeinde Aposteljugendhaus. Beim 80. Geburtstag verriet der gebürtige Bochumer dem West Anzeiger: „Beim Schwimmen lernte ich unter der Dusche Pfarrer Gestenberger kennen. Der fragte mich, ob ich Lust hätte, in Frohnhausen mitzuarbeiten!“ 1967! Er wurde ehrenamtlicher Presbyter, Finanzkirchenmeister…

In seiner Gedenkrede auf Horst Burchardt reiht Pfarrer Werner Sonnenberg wie Perlen die unterschiedlichsten Lebensstationen auf:

Horst nahm 1975 die Aufgabe der freigewordenen Jugendleiterstelle im Apostelhaus als Quereinsteiger an. Parallel studierte er an der Evangelischen Fachhochschule in Bochum Sozialpädagogik. Mit 58 Jahren Abschluss zum Diplom Sozialpädagogen. Sein Herz schlug für die Offene Jugendarbeit im Apostelhaus und in der Stadt Essen.

Zu den Grundprinzipien seiner Kinder-, Jugendarbeit gehörten Selbstgestaltung, Selbstverwaltung, Selbstverantwortung. Kindern, Jugendlichen gehörte zu seiner Zeit praktisch das Haus. Sie bestimmten das Programm. Musik, Sport, Spiel, Tanz, Geselligkeit waren die wesentlichen Elemente ihrer Angebote. Horst organisierte die gruppenpädagogischen Abläufe, bildete ehrenamtliche Mitarbeitende aus. Als Lernmodell herrschten im Haus demokratische Strukturen. Ich möchte Horst an dieser Stelle selbst zitieren lassen, wenn er sagt:
„Für die Offene Jugendarbeit möchte ich eine Lanze brechen. Sie ist da wirksam, wo sich Verhältnisse, wie bei der Rüttli-Schule bilden, wo junge Neonazis ihre Umtriebe entwickeln, diesbezüglich kurz: wo soziale Missstände sich entwickeln, sollte man nicht vergessen. Aber sie macht Arbeit, Überstunden, Ärger, Lärm, Dreck, Gefahren und wird deswegen von den Sozial Kracks gemieden. Sie wissen nicht, dass die Offene Arbeit auch ungeheuren Spaß macht, es strömt einem eine ungeheure Energie an Dankbarkeit entgegen, man schwebt in positiven seelischen Vibrationen, da erscheint das Chaos, das einen umgibt, plötzlich wie eine göttliche Ordnung. Keinen Tag, den ich damals in meiner Arbeit für die Gemeinde verbracht habe, möchte ich heute missen.“

20 Jahre - bis 1996 versah er seinen Dienst und sein Engagement im stadtweit bekannten APO. In seiner Freizeit machte er weiter Jugendarbeit für die Stadt Essen als Streetworker und selbst nach Bergisch-Gladbach zog es ihn in die Kirchengemeinde zur Jugendarbeit.

Ein zweites Lebensideal war ihm zeitlebens die Musik, im Besonderen der Blues. Nicht von ungefähr hören wir heute an diesem Ort so viel Livemusik, ihm zu Ehren. Mit der Mundharmonika und seiner Singstimme tourte er Jahrzehnte mit seiner „Howling Horst Blues Band“ durch die Lande. Er traf berühmte Musiker, spielte mit ihnen.
Seine Erfahrungen aus der Jugendarbeit brachte er in seiner letzten großen Komposition eines sogenannten Bluesicals – eines Musical-ähnlichen Bühnenstücks – zusammen. Unter dem Titel „Charles Bukowski – Eine Dichterlesung aus dem Jenseits“ wurde 2015 in der Apostel-Notkirche aufgeführt. Charles Bukowski, amerikanischer Dichter, Ikone der 60iger, 70iger Jahre, stand Pate für sein Antidrogenstück. Vom Elend der Drogensucht - dem Glück von ihrer Befreiung - tritt Bukowski leibhaftig auf, mit Erlaubnis von Gevatter Tod, auferweckt durch Erzengel Gabriel…
Horst, Hauptdarsteller – mit Zylinder, Jeans und der obligatorischen Bluesharp. Er riss mit seinen kritischen deutsch-englischen Songs das Publikum mit. Doch klingt in seinem Stück immer wieder das Positive heraus, was Mut machen soll, von Drogen zu lassen. Nicht zuletzt nahm er die Politik in den Blick, wenn er die zunehmende Kürzung von Finanzmitteln für die Jugendarbeit und ihre Folgen kritisierte.“

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

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