Altendorfer Bodelschwingh-Schüler begeistern

Wie klappt eigentlich eine Schule bei einem Anteil der Kinder mit über 90 % Migrationshintergrund, circa 40 Sprachen die aufeinander prallen bei 235 Kindern -  bei der im Brennpunkt liegenden Bodelschwinghschule? Oben Mitte Schulchefin Hanne Herz-Höhnke,li. Rotarier Jacob Wilcke, Gustav Dobos, Präsident RC Essen-Ruhr Fotos: Debus-Gohl
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  • Wie klappt eigentlich eine Schule bei einem Anteil der Kinder mit über 90 % Migrationshintergrund, circa 40 Sprachen die aufeinander prallen bei 235 Kindern - bei der im Brennpunkt liegenden Bodelschwinghschule? Oben Mitte Schulchefin Hanne Herz-Höhnke,li. Rotarier Jacob Wilcke, Gustav Dobos, Präsident RC Essen-Ruhr Fotos: Debus-Gohl
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Rotary-Serviceclub brennt nach dem Geheimnis der Bodelschwingschule!
Zufall? Ist nicht planbar. Zack! Plötzlich ist das Leben total anders. Durch Zufall entdeckte der " Service-Club" die Bodelschwinghschule im Altendorfer Brennpunkt. Seitdem „mischen“ magisch an der Schule die Rotarier mit, wie Nelson Müller, Sternekoch. Das Besondere der bunten Schule? Hier ist es!

Altendorf steckt voll Gegensätze: Drogenhandel, Raub, Familienfehden. Das kleine Paradies: Beispiel Bodelschwinghschule. Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund liegt hier bei über 90 %. Circa 40 Sprachen prallen an der Schule bei 235 Kindern aufeinander. In einer neuen Seiteneinsteiger-Gruppe werden jetzt16 Kinder unterrichtet, die als Flüchtlingskinder mit null deutschen Kenntnissen, eine besondere Förderung erfahren.

Wie packt die Schule das ohne Krach, Krawall?
Der Rotary-Club und„Schul-Förderer“ will’s wissen. Lädt Schulleitung, Erzieher, Kinder ins „Sheraton“ ein. Aufregung beiderseits. Mit einem herzlich Willkommen, einer Entschuldigung bei den Schülern beginnt Gustav Dobos, Präsident RC Essen-Ruhr: „Ich muss kurz etwas unseren Mitgliedern sagen. Dauert vielleicht fünf Minuten. Haltet Ihr so lange durch?“ Logisch! Der „Boss“ fasst sich superkurz. Schon nach einer Minute schmettern die Migrationsschüler innbrünstig Lieder, auf der Gitarre begleitet von Lehrerin Lydia Weiß. Auch das Steigerlied, sechs Strophen, auswendig! Die Großen sind von den Socken.

Doch was anschließend die Schulleiterin, erzählt, „warum wir gerne, erfolgreich im Stadtteil Altendorf mit diesen wunderbaren Kindern arbeiten“, ist sensationell scharf. Ohne offene Augen, offene Ohren, großes Herz, klare Linien läuft an dieser Penne nix.

Herz-Höhnke rückblickend: „Ich komme aus einer kinderreichen Familie, musste früh Verantwortung übernehmen. Als Sandwichkind, drei Geschwister unter, drei über mir, war für mich als kleines Kind schon völlig normal, meiner Mutter - alleinerziehend - im Haushalt und bei anderen Dingen zu helfen. Schon als Sechsjährige träumte ich davon, eines Tages Lehrerin zu werden.
Ich hatte das Glück, den besten Lehrer der Welt kennengelernt zu haben, der mein Leben, meinen Werdegang, schließlich meinen Beruf sehr beeinflusste.

Ich wollte immer das zurückgeben, was ich als Schülerin selbst empfangen habe, was mir in meiner Schulentwicklung geholfen hat: Verständnis, Zuwendung auch in schwierigen Schülertagen, offene Türen bei meinem Lehrer, der sich meine Probleme anhörte und mir half; ein offenes Gehör; eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern bzw. mit der Mutter, eine gute Basisvermittlung in den Grundwerten, eine motivierte Wissensvermittlung.“

Fakt: Ein schwieriges Elternhaus, ein Standort an einem „sozialen Brennpunkt“ bedeuten in Deutschland für die Kinder in der Regel: schlechtere Chancen auf einen guten Schulabschluss, eine Ausbildung, einen vernünftig bezahlten Job.

Die Bodelschwinghschule hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Teufelskreis zu durchbrechen, den Startnachteil der Kinder, soweit es irgend geht, auszugleichen, ihnen eine Perspektive zu geben – mit Erfolg.
Wie? „Unermüdlich sammel ich Spenden, schreibe Projektanträge, suche Sponsoren, um Extras zu ermöglichen wie das Schulfrühstück, gesundes Obst für zwischendurch, beantrage Sportmaterialien für den Sportunterricht, starte Aufrufe für gebrauchte Bücher für unsere Schülerbücherei; auch für Materialien wie Zirkel, Scheren, die viele Eltern ihren Kindern nicht bezahlen können. Viele Jahre arbeite ich mit der Ehrenamt-Agentur, dem Lesebündnis der Stadt Essen, der Kirche zusammen. So liest eine ältere Dame unseren Kindern der "Glückskindergruppe" erfolgreich vor; begeistert die Kinder mit ihrer Vorlesekunst.

Praktikanten, Studenten, Menschen aus der Ehrenamt-Agentur unterstützen uns. Mit der Uni Essen arbeite ich seit meinem Referendariat zusammen.“

Ausruhen gibt’s nicht. „Besonders am Herzen liegt mir ein guter Kontakt zu den Eltern. Seit mehr als 14 Jahren gibt es bei uns das Elterncafe. Neben gesundem Frühstück arbeiten Eltern zu Themen wie „Ernährung“, „Konfliktlösung“, „Lernen“, Bewegung, stadtteilbezogenen Dingen wie Drogen, Verkehr, Veränderungen in Altendorf. Hierzu werden regelmäßig Referenten eingeladen.

Auch Kinder, die bei uns geboren, im eigenen Stadtteil groß geworden sind, kommen oft schlecht sprechend in die Schule. Ihr Wortschatz ist beschränkt. Die Gründe hierfür sind bekannt (keine Förderung im Elternhaus, oftmals verwahrlosende Verhältnisse).
Umso wichtiger ist die Vermittlung der deutschen Sprache als Bildungssprache und Vermittlungssprache (hier stecken wir in einem bundesweiten Projekt - "BISS").

Auf Augenhöhe mit Kindern zu arbeiten, sich selber erst abverlangen, was wir von unseren Kindern verlangen - erwarten, ist das Geheimnis unserer täglichen Arbeit. Kindern das Gefühl geben, dass man sie annimmt, so mag - wie sie sind, sie stets ernst nehmen in ihren Schwächen und Stärken. Kinder müssen gefördert und gefordert werden. ALLE!

Tischmanieren, gutes Benehmen, gewaltfreies Lernen, Hygiene, soziale Kompetenzen, Achtung, Respekt vor dem Anderen sind Module, die unsere Kinder im Schulleben für selbstverständlich halten. Ich weiß, dass viele andere Schulen Probleme mit dem Thema Disziplin und Respekt haben. Wir haben uns unser Schulleben gemeinsam erarbeitet. In allen Bereichen gibt es Kontrollen, Verbesserungen, Gespräche. Kinder, Eltern fordern eine Rückmeldung ein! Transparenz, Elternmitwirkung, Elternrechte und Elternpflichten und eine demokratische Vorgehensweise sind neben der Anwendung eines konsequenten Regelwerks Grundvoraussetzungen für eine gute Schule“, bilanziert die Schulleiterin.

Seit Jahren Praxis: Kein Pfui bei Schultoiletten. Kinder übernehmen Verantwortung gegen Verunreinigung; in den Griff bekommen durch Pausen-Aufsichtsplan.
Pförtnerdienst: Schüler beaufsichtigen Eingänge, sorgen dafür, dass es im Schulhaus ruhig bleibt. Eltern werden von ihnen höflich angesprochen, wenn diese versuchen, ins Schulhaus zu kommen, um die Tasche des Kindes in die Klasse zu tragen. Das packen die selber!
„Das rote Buch“ wurde nach einem intensiven Gewaltpräventionsprogramm eingeführt. Alle Kinder sind geschult, ohne Gewalt zu lernen. Verhaltensauffällige Kinder werden in das rote Buch eingetragen. Dreimaliger Eintrag führt zur Konsequenz (Gespräche mit den Eltern, Klassenverweis, Unterrichtsausschluss). Die konsequente Einhaltung dieser Regeln ist ein großer Bestandteil des Miteinanders in der Schule.

Erziehung ist schwieriger geworden. „Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft, in der Regeln vereinbart werden, die eingehalten werden müssen. Wenn nicht, muss es entsprechende Strafen geben“, fordert Herz-Höhnke. Damit sind manche Eltern (auch oft Lehrer) häufig überfordert. Neben den Eltern wird die Rolle der Schule immer wichtiger. Sie muss den Kindern, Jugendlichen vermitteln, was geht - was nicht geht. Kinder müssen früh lernen, was JA was NEIN bedeutet. Wenn ein Kind ein JA verstanden hat, versteht es auch ein NEIN! Erwachsene müssen diese Regel auch verstehen, also konsequent sein!“

Die Schul-Chefin hätte noch vieles über ihre Schule berichten können. Leider, die Zeit war auf beiden Seiten sehr begrenzt.“ Beifall prasselt.

Niklas Jakob Wilcke, Rechtsanwalt: „Wir sind sehr beeindruckt vom fröhlichen, engagierten Auftreten der Kinder. Sowie von der Schulleiterin; mit den sehr kompetenten, informativen Ausführungen zu einem sehr komplexen Thema. Es zeigt, dass dort wirklich großer Bedarf ist; Projekte der Schule großartig sind. Eine gute Möglichkeit, für Integration und Ausbildung in unserer Stadt zu fördern. Wir planen, weitere Projekte der Schule zu unterstützen.“

Starkoch Nelson Müller zeigt sich „sehr berührt. Wichtig im Leben ist Leidenschaft. Als Mensch mit Migrationshintergrund – eigentlich Vordergrund, ich wurde früher Afrikaner gerufen“, stieg seine Liebe ‚Kochen‘ himmelhoch - zum Sternekoch. „Gute Ernährung ist sehr wichtig: Fit zu sein, gut in der Schule zu sein, stark zu sein…“

Der neun-jährige Joshua aus Ghana ist hin und weg von Nelson, findet sein Statement genial. „Ich möchte auch mal so werden wie Herr Müller. Deshalb passe ich ab jetzt richtig in der Schule auf. Herr Müller hat ja auch gesagt, dass er mit seiner Hautfarbe kein Problem hat. Ich finde den Mann richtig gut. Ich glaube, er kann mein Vorbild werden.“
Schluss jetzt. Leckeres Essen wird aufgetischt! Für alle.

Rotarier-Hilfen
Die Rotarier schenkten wertvolle Bücher für die Schulbücherei. Brachten Sammlungen von Spielsachen, Kleidung, um diese an bedürftige Kinder zu verschenken. Sie bezahlten Anstrich auf dem Schulhof (Verkehrsübungsplatz), viele Roller, Fahrräder; dafür schafften sie eine neue Garage für die Fahrzeug-Unterbringung. Eine sozialpädagogische Ergänzungskraft, die 10 Stunden in der Woche für die Bodelschwingh arbeitet, wird von den Rotariern bezahlt. Mit dieser Unterstützung (Minijob, 450 Euro) wird gezeigt, wie wichtig sie für gute Arbeit in der Schule ist. Die Mutter ist ehemalige Stadtteilmutter, gut ausgebildet - durch die Diakonie.

Kinder-Bücher-Bitte
Wer hat für die Bodelschwinghschule Kinderbücher, die nicht mehr gelesen werden? Verschlungen werden die in der Schulbücherei von den Grundschülern. Telefon:621855, Heinrich-Strunk-Straße 25, Schulleiterin Hanne Herz-Höhnke.

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

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