Das Armenhaus Europas

Seit 1992 engagiert sich die Rumänienhilfe der Gemeinde St. Antonius in der rumänischen Stadt Costiui.
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  • Seit 1992 engagiert sich die Rumänienhilfe der Gemeinde St. Antonius in der rumänischen Stadt Costiui.
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25 Jahre Rümänienhilfe in der Gemeinde St. Antonius


Rumänien zählt neben Bulgarien zu den ärmsten Ländern der EU. Im Gebiet Maramures ist die Situation unter anderem am schlimmsten. Zwar gibt es Gelder für die Wohlfahrt in der EU aus Brüssel, das ist meist jedoch nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Um diesen Missstand und die gravierenden Zustände zu ändern, hat sich vor 25 Jahren die Gemeinde St. Augustinus, heute St. Antonius, aus Frohnhausen eingeschaltet und eine Partnerschaft mit der katholischen Kirchengemeinde St. Joh. Nempomuk in der kleinen Stadt Costiui aufgebaut. Im Rahmen dieser Partnerschaft werden seit 1992 Hilfsaktionen wie Lebensmittel-, Kleider- oder Sachspenden durchgeführt.

1648 Kilometer von Essen entfernt

Begonnen hat die Partnerschaft nachdem zwei Mitglieder der Gemeinde von der Situation in Costiui durch persönliches Aufsuchen des Ortes erfahren haben und anschließend in der Kirchengemeinde darüber berichteten. Dies löste eine große Welle der Hilfsbereitschaft aus, welche bis zum heutigen Tag anhält.
„Bis 2007 wurden zwei Mal im Jahr Hilfstransporte durchgeführt“, erklärt der Mitorganisator Stefan Grießmann. „Diese bestanden damals vornehmlich aus selbst zusammengestellten Paketen, die an die einzelnen Familien in der Stadt verteilt wurden. Teilweise wurden über 250 Stück davon mitgenommen. Gefüllt waren sie mir Lebensmitteln, Bekleidung oder Stofftieren für die Kinder.“
Heute ist die Hilfe vor allem monetärer Art: Parallel dazu hat sich ein Patenschaftssystem entwickelt, bei dem Personen aus der Gemeinde eine Patenschaft für eine Person oder eine Familie in Costiui übernehmen. Momentan existieren 74 dieser Patenschaften zwischen den Gemeinden.

Monatliche Renten in Höhe von 16 Euro

„Die Armut in Costiui ist das größte Problem. Früher gab es hier im Salzbergbau und im Sägewerk Arbeitsplätze, heute fallen diese Arbeitsplätze weg“, erklärt Martin Stemmer, ebenfalls Mitorganisator der Rumänienhilfe. „Viele Menschen haben kein Einkommen, keine Rente oder eine, die so gering ist, dass man davon nicht leben kann. 2017 haben wir vor allem medizinische Hilfe geleistet, da das Gesundheitssystem in Rumänien anders aufgebaut ist als hier.“
Stemmer berichtet von einer alten Frau, die die Rente eines ganzen Monats dem Apotheker für ihre Medizin überlassen musste. Oder von einer Frau, die sich ohne die Hilfe des Vereins eine Unterleibsoperation nicht leisten hätte können.
„Wenn man in Rumänien eine Prothese braucht, dann kauft man sich diese selbst, nimmt sie zum Arzt mit und dieser baut sie dann ein. Was für uns an medizinischer Versorgung selbstverständlich ist, stürzt eine Person oder eine Familie in den finanziellen Ruin“, so Grießmann.

Diktatur hinterlässt verwüstetes Rumänien

Eine große Herausforderung damals war das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Die Ära Nicolae Ceauşescu, bis 1989 Diktator der Sozialistischen Republik Rumänien, war gerade zu Ende gegangen, Misstrauen und Denunziationen steckten der rumänischen Bevölkerung jedoch noch in den Knochen. Erst nach einiger Zeit der Annäherung durften die Helfer aus Deutschland in die Häuser der Rumänen eintreten. „Als wir vor 25 Jahren Stofftiere in zwei Kindergärten brachten, sind die Kinder davon ausgegangen, dass sie diese nach kurzer Spielzeit, so lange wir gefilmt haben, wieder abgeben müssen und sie nicht behalten dürfen“, meint Stemmer.
Auch die Wohnhverhältnisse, in denen die Menschen lebten und teils immer noch leben sind weit unter den Standards, die hierzulande herrschen.
„Wer kann, geht ins Ausland und malocht zum Beispiel als Erntehelfer in Deutschland. Da kann man zwar gutes Geld verdienen, aber zu welchem Preis. Und nicht alle können sich das leisten, vor allem die alten Menschen nicht und Alleinerziehende. Viele Kinder brechen auch die Schule vorzeitig ab, um zu arbeiten. Auch in diesem Bereich wollen wir Kindern und Jugendlichen zu einem am besten höheren Schulabschluss verhelfen“, so Stemmer.

Zwischen 12 und 25 Euro reichen aus, um die Versorgung für einen Monat sicher zu stellen. Neben Patenschaften besteht auch die Möglichkeit der Direkthilfe, der Hilfe für Fahrkarten für Schüler, einer Ausbildungspatenschaft oder einer expliziten Hilfe für Kranke. Dabei kommt jeder gespendete Cent 1:1 bei der hilfsbedürftigen Person oder Familie an.
„Dass es den Menschen in Costiui so schlecht geht, ist nicht ihr verschulden. Die Rumänienhilfe ist dafür da diesen Menschen eine Chance zu geben, dass Kinder später einen guten Beruf lernen können oder dass Alte ihre Medikamente bezahlen können“, so Grießmann.

Weitere Informationen zur Rumänienhilfe von St. Antonius findet sich auf der Internetseite der Gemeinde. Genauere Erläuterungen zu den einzelnen Hilfsleistungen können auch dort entnommen werden.

Autor:

Kathrin Hinterschwepfinger aus Essen-West

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