Denk-mal, tote „Bärendelle“ wurde wiederbelebt

4Bilder

Besetzer in Ex-Hauptschule. Nach Polizei-Großeinsatz frühes Ende. Kritik: „Unverhältnismäßig riesiges Polizeiaufgebot“...

Alles nur Illusion? Nachdem junge Erwachsene, darunter viele Studenten der Kunst, Soziologie, die ehemalige denkmalgeschützte Hauptschule Bärendelle besetzten, um auf die zusehends immer mehr vergammelte Immobilie der Stadt aufmerksam zu machen, „zaubert“ die Stadt Essen plötzlich drei interessierte Investoren aus dem Ärmel. Alles nur fauler Zauber?...

Um den Millionenbrocken Bärendelle legt sich intensiv seit Jahren die Bezirksvertretung III ins Zeug. So bestätigt Bezirksbürgermeister Klaus Persch: „Wir machten der Stadt immer wieder Vorschläge für das Gebäude wie Verwaltungs-Kulturzentrum mit Wohnungen – mit allem Pipapo; quasi das Non plus Ultra für den Stadtteil Frohnhausen.“

Doch der Schriftverkehr beruhte auf Einseitigkeit. Verhallte ohne Echo. Bis jetzt. Nun vermeldet die Stadt plötzlich: Eine Stiftung wollte „verschiedene soziale Einrichtungen unter einem Dach“ vereinen. Ferner: Zwei Wohnungs-Baugesellschaften hätten ihr Interesse an der Bärendelle gezeigt…

Fakt und Positives der Schul-Besetzer: Endlich ist die Bärendelle wieder in aller Munde. Denn das mittlerweile marode Gebäude ist teuer. Es verschlingt viel Geld. 3,5 Mio. flossen beim Umbau 2006. Mindestens fünf Mio. Euro müssen noch mal fließen, um es zu erhalten. Die oberen Gebäude-Etagen bedeuten Lebensgefahr: Holzfußböden mit Lochmustern. Es grenzt an ein Wunder, dass kein Mensch hier eingebrochen ist. Die Balken sind faul. Und - mindestens 50000 Euro jährlich muss die Stadt Essen für den Unterhalt des denkmalgeschützten Jahrhundertbaus blechen.

Zur Besetzung der „Bärendelle“ hier einige Stimmen:
Maximilian B.: „Der erste und wohl kritischste Punkt war die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Stadt. So schickte die Stadt Essen zu keinem Zeitpunkt einen offiziellen Vertreter vorbei um mit dem "Plenum Bärendelle" zu kommunizieren, nicht einmal zum Zeitpunkt der Räumung, wo dies von den Besetzern gefordert wurde. Stattdessen sagte die Stadt aus, dass sie keine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme gesehen habe, was bei einer öffentlich zugänglichen Email Adresse wohl eher eine schwache Ausrede war. Auch ging meiner Meinung nach von den Besetzern zu wenig Öffentlichkeitsarbeit aus. So traf ich kurz vor dem Eintreffen der Polizei drei jugendliche Anwohnerinnen, welche zum Teil sogar die Schule besucht hatten, allerdings nichts von der Besetzung mit bekommen haben. Die Personen standen dem Vorhaben des "Plenums Bärendelle" positiv gegenüber, konnten es aber aufgrund der nicht ausreichenden Öffentlichkeitsarbeit nicht unterstützen.“

Janina Herff, Linksfraktion: „Ich habe mich im Gebäude befunden, um mit den Jugendlichen zu reden und zu vermitteln. Vorgefunden habe ich ein Bild von Verrottung und Verfall der Immobilie seitens des Besitzers. Wie die Stadt mit öffentlichem Eigentum umgeht, ist untragbar. Auf der einen Seite fehlen Räume im Stadtteil, die Möglichkeiten zur soziokulturellen Nutzung bieten, auf der anderen Seite rottet eine prinzipiell geeignete Immobilie vor sich hin, dass ist einfach ärgerlich. Dass die Jugendlichen auf dieses Missverhältnis aufmerksam machen, ist legitim. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass das Gebäude saniert und zur Nutzung freigegeben wird. Seit das Jugendzentrum Papestraße geschlossen wurde, fehlt der versprochene Ersatz. Also wollte man die Sache selbst in die Hand nehmen, hat auf Duldung seitens der Stadt gehofft. Die Jugendlichen haben im Gespräch mit LINKEN Politikern immer wieder deutlich gemacht, dass sie sich von der Stadt wenig Unterstützung erhoffen, dass Räume zur kreativen Nutzung bereitgestellt werden.“

Rainer Burk, Sprecher der LINKEN: „Die Räumung der ehemaligen Hauptschule war aus meiner Sicht eine völlig unverhältnismäßige Reaktion seitens der Stadt. Es gab keine Not, so übereilt die friedlichen Proteste gewaltsam aufzulösen und die Jugendlichen zu kriminalisieren.“

Klaus Persch, Bezirksbürgermeister: „Dass es soweit kommen musste, eigentlich schade! Da hätte das Gebäude was Besseres verdient. Leider sind die Vorschläge der Bezirksvertretung von der Verwaltung der Stadt nie ernsthaft in Erwägung gezogen und nur halbherzig bearbeitet worden. Woran das liegt? Hat das etwas mit der Personalsituation in der Immobilienverwaltung zu tun? Sind das die ersten ernsthaften Auswirkungen, 1.000 Arbeitsplätze bei der Stadtverwaltung einzusparen? Das ist im Moment nur Spekulation. Die Verwaltung sollte den Ball aufnehmen, ernsthaft und intensiv nach einer Lösung für die Bärendelle zu suche. Wie von der Pressesprecherin der Stadt zu erfahren war, gibt es ja drei mögliche Investoren.“

Zum Polizeieingesatz Maximilian B.: „Die Jugendlichen, welche aus der seit 2011 leerstehenden Schule ein Jugend- und Kulturzentrum machen wollten, standen einem unverhältnismäßig großem Polizeiaufgebot der Bochumer Bereitschaftspolizeihunderschaft (BPH) gegenüber. Der Anmelder, Simon Bredenfeld vom Essener Jugendbündnis (EJB), ist empört: "Bereits am Anfang machte die Polizei aus den höchstens 100 Demonstrationsteilnehmern- und Teilnehmerinnen 300.“
Maximilian B. betont: „Ich glaube, jeder, der sich Fotos von der Demonstration anguckt wird sehen, dass die Polizei übertrieben hat, um ihr großes Aufgebot zu legitimieren. Auf dem ersten Teil der Strecke hielt sich die Polizei noch größtenteils zurück, bis plötzlich eine scheinbar alkoholisierte Person, welche sich vorher nicht in der Demonstration aufhielt, einen Motorradpolizisten anpöbelte und auch körperlich bedrängte, woraufhin die von der Demonstration gestellten Ordner sich darum kümmerten, dass der friedliche Protest fortgeführt werden kann. Kurze Zeit darauf traf der Demonstrationszug auf stark gepanzerte Polizistinnen und Polizisten, welche sofort anfingen, die Demonstration widerrechtlich zu Filmen, allerdings nach Aufforderung des Anmelders dies kurze Zeit darauf eingestellt haben.
Nach ein paar weiteren hundert Metern gerieten die Demonstranten in Sichtkontakt mit weiteren Polizeieinheiten sowie Hunden, was eine bedrohliche Atmosphäre erzeugte.“
Warum die Polizei so gegen friedliche Jugendliche vorgeht, anstatt sich um ernsthafte Probleme zu kümmern, verstehen sie nicht. „Das ist doch letztendlich auch nur eine Verschwendung von Steuergeldern!"
Die Besetzer fragen sich, woher das Verhalten der Polizei kommt? So trafen doch ihre Kollegen heute Morgen bei der Räumung keinen nennenswerten aktiven Widerstand.
Simon Bredenfeld beendete die Demonstration vorzeitig, um eine Eskalation der friedlichen Demonstration zu verhindern. „Ich hoffe, dass dies nur ein Einzelfall war und der friedliche Kampf für ein selbstverwaltetes Jugend- und Kulturzentrum kann ohne weitere Repressionen fortgesetzt werden."

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

39 folgen diesem Profil

2 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.