Ein Pfarrer geht - doch sechs Fragen klärt er...

Lasset die Kinder zu mir kommen! Doch wo bleiben die...Pfarrer Hans Strohschein vermisst Kinder, Jugendliche, Erwachsene - "die Gemeindezahl hat sich in den Jahren mehr als halbiert". Schade, Strohschein geht in den Ruhestand. Fotos: Gohl
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Pfarrer Hans Strohschein: Sorgen, Bedrückendes, Positives, Negatives, neuer Lebensabschnitt!

Was haben Gotik-Christuskirche in Altendorf und Pfarrer Hans Strohschein gemeinsam? Beide strahlen Ruhe aus. Moment! Auf den ersten Blick. Öffnen sich Kirchentür und Herz, sprudelt Mächtiges, Mutiges, Mitmachendes hervor. Vollen Einsatz bewies Strohschein mit Team bei der Kirch-Kernsanierung. In aller Mund waren gar die Kirchbänke. Ein Drittel düste nach Berlin, diente als Kulisse bei „Deutschlands Superhirn 2012“. Mit viel Hirn lenkte Strohschein das Kirchschiff auch über haushohe Wellen. Der West Anzeiger erfuhr über Höhen und Tiefen.

Was war positiv in den 36 Jahren in Ihrer Gemeinde?
„Ich könnte stundenlang aus der Gemeinde erzählen. Von lieben und netten Menschen, denen ich begegnet bin, von vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern. Sie haben sich mit mir auf den Weg gemacht, ein Stück Gemeinde hier in Altendorf zu bauen. Ohne sie wäre das meiste überhaupt nicht möglich gewesen. Ich könnte aber auch erzählen von Pfarrkollegen und anderen beruflichen Mitarbeitern, mit denen ich in diesen Jahren vertrauensvoll, zuverlässig zusammenarbeiten durfte. Oder ich könnte gemeinsam mit vielen Gemeindemitgliedern stundenlang klönen über Freizeiten in Westkapelle/Nordsee in jedem Jahr, über große und lebendige Gemeindefeste, bei denen ganz viele mit angepackt haben, über Kinderbibelwochen von montags bis freitags mit ca. 130 Kindern an jedem Nachmittag, über Ausflüge mit ehrenamtlichen Mitarbeitern, Senioren, dem Ehepaartreff oder Männerkreis, über viele Gottesdienste, die wir miteinander vorbereitet haben, über viel Verantwortung, die wir miteinander getragen haben im Presbyterium, jede Menge Feiern, Geselligkeit, vieles mehr.“

Negatives in den vielen Jahren?
„Negatives hängt mit der Entwicklung im Stadtteil Altendorf zusammen. Viele Gemeindemitglieder sind weggezogen, es gibt z. B. viel weniger evangelische Familien mit Kindern als früher. Die Gemeindegliederzahl hat sich in den Jahren mehr als halbiert, dadurch gibt es weniger ehrenamtliche Mitarbeiter; Geld ist bedeutend knapper. Das bedeutet auch, dass es für mich keinen Nachfolger mehr gibt, die beiden Kollegen (Pfarrer Wolfgang Knopp, Hermann Walter – Anm. der Redaktion) müssen nun meine Aufgaben mit übernehmen oder in bestimmten Bereichen kürzen.“

Das intensivste Erlebnis während ihrer Pfarrzeit in Altendorf?
„Da sind eine Vielzahl zu nennen. Natürlich traurige, wenn ein enger Mitarbeiter gestorben ist oder sogar ein guter Freund. Aber da gibt es viel mehr freudige Erlebnisse. Als wir beispielsweise nach 8 Jahren Arbeitszeit die Außensanierung unserer Christuskirche feiern konnten, das war ein großes Projekt, aber wir haben es geschafft, auch mit viel Unterstützung von außen, durch viele Spenden aus der Gemeinde. Oder die anschließende Innenrenovierung der Christuskirche. Sie ist nun ein heller einladender Gottesdienstraum geworden, brachte schon so manchen, der die Kirche neu betrat, zum Staunen. Aber auch die kleinen Dinge können intensive Erfahrungen mit sich bringen. Das kann ein Gespräch sein, wenn ich einem Menschen helfen konnte, ein Schulgottesdienst oder ein Konfirmandenunterricht, wenn man merkt, man hat die Kinder oder Jugendlichen erreicht und angesprochen. Vor einem halben Jahr hat sich ein 10-jähriges Mädchen bei mir ganz ernsthaft bedankt, sie habe bei mir gelernt, dass sie keine Angst vor Gott haben muss, weil Gott uns Menschen liebhat. Man habe ihr das oft anders gesagt. Das ist mir schon nahe gegangen. Gerade, weil es ein Kind war. Angst vor Gott, das war mir immer ein Gräuel. Das passt überhaupt nicht zusammen mit dem liebenden Vater, von dem Jesus uns erzählt hat.“

Was bedrückt Sie - welche Sorgen bewegen Sie?
„Für die Kirche allgemein wird es in unserer Gesellschaft immer schwerer. Die Gründe dafür scheinen sehr vielschichtig zu sein.
Manchmal habe ich den Eindruck, viele Menschen wissen überhaupt nicht mehr, was christlicher Glaube bedeutet, wofür Kirche überhaupt eintritt. Da gibt es eine große Portion Unwissenheit verbunden mit vielen Vorurteilen. Wir haben es wohl in den letzten Jahrzehnten zu wenig geschafft, die Menschen für Fragen des Glaubens zu interessieren. Das wird eine wichtige Aufgabe für die Kirche in Zukunft sein.“

Abschied – wie sieht jetzt ihr neuer Lebensabschnitt aus?
„Meine Frau und ich werden nach Mülheim ziehen. Dort werden wir uns zunächst einmal einleben müssen. Ich bleibe ja Pfarrer im Ruhestand, ich darf weiterhin Gottesdienste feiern, Taufen, Trauungen, Trauerfeiern durchführen…Aber das lass ich erst einmal auf mich zukommen. Ein halbes Jahr werde ich keine neuen Aufgaben übernehmen. Dann werde ich sehen. Langeweile werde ich aber auf keinen Fall haben. Nach Altendorf werden wir weiterhin Kontakt halten. Meine Frau wird weiter im Chor der Christuskirche mitsingen, beim Ehepaartreff im Wilhelm-Selle-Haus werden wir weiterhin dabei sein, aber nicht in verantwortlicher Funktion.“

Welchen Beruf hätten sie noch gerne ausgeübt?
„Vor ein paar Tagen war ein Handwerker in unserer neuen Wohnung. Als er sah, was ich dort alles an Werkzeug liegen hatte, sagte er: „Sie waren sicherlich auch im Handwerk tätig.“ Als ich ihm sagte, ich sei evangelischer Pfarrer, hat er schon ziemlich gestaunt. Also, ich wäre wohl auch ein guter Handwerker geworden. Aber Pfarrer zu sein habe ich nie bereut.“

Stimmen zum Weggang von Pfarrer Strohschein
Werner Schmidt, Ex-Presbyter: „Er war gemeindenah. Hat Religion verständlich und leicht rübergebracht. Gerne Feste in und mit der Gemeinde gefeiert. Ein Pfarrer zum Anfassen.“

Birgit Everding, Mitglied des Presbyteriums: „Ein guter Pastor, wir sind sehr traurig, dass er geht. Er hat viel in der Gemeinde bewegt, sich viel gekümmert. Die Renovierung der Christuskirche begleitete er von Anfang an. Wir vermissen ihn als Mensch natürlich; und die Arbeit muss jetzt auf mehr (ehrenamtlichen) Schultern verteilt werden.

Alfred Breuer, Chormitglied: „Wir gönnen ihm den Ruhestand. Aber wir verlieren einen Pfarrer, der mitten unter uns – immer bei unseren Aktivitäten - immer Ansprechpartner war.

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

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