Klappe halten? "Nicht bei grünen Lungen"

Klaus Nötzold (links) in Aktion. | Foto: privat
  • Klaus Nötzold (links) in Aktion.
  • Foto: privat
  • hochgeladen von Frank Blum

Der Maulwurf fühlt sich im Grünen, in der Erde maulwurfwohl. Seine Wühl-Arbeit ist für jedermann sichtbar. Das Tierchen ist geschützt, weil nützlich. Ist es vermessen zu glauben, dass Klaus Nötzold irgendwann auch durch seine Garten-Grabe-Tätigkeit beim Kleingärtnerverein Essen-West „Denkmal-geschützt“ steht? Einen Maulkorb lässt sich der Mann mit dem markigen Mundwerk jedenfalls nie umzäunen.

Die Liebe zur Natur wurde Nötzold in die Wiege gelegt. Klein-Klausi wuchs mit sechs Geschwistern in Zwickau quasi im Riesengarten auf. „Nur mit Gemüse; kein Flecken Gras.“ Nicht Steiff-Tiere waren seine Schmusetröster sondern Schweine, Hühner, Gänse und 50 Kaninchen.

Lang her. Doch die Liebe zur Natur hielt den Baumaschinenschlosser immer in Bann. Er erinnert: „Wer kannte den Kleingärtnerverein Essen-West eV 1919 in den 80-er Jahren noch? „Kein Schwein. Ich habe ihn wieder bekannt gemacht – auch in Essen-West.“ 1986, als der damalige 1. Vorsitzende seinen Rücktritt erklärte aus beruflichen Gründen.

Wenn es sich auch staubig anhört, ohne Gesetze, Regeln läuft da nix. Denn mit Schaffung des Bundeskleingartengesetztes 1984 war es möglich, dass private Grundstückseigentümer die Parzellen kündigen konnten, um diese einer höheren Wertigkeit zuzuführen. Hört, hört.
„Den Anfang machte die Erbgemeinschaft Kretzer/Althof. Urplötzlich wurden über die Kanzlei Lingenberg Gärten unserer Teilanlage Frohnhausen/Rüdesheimer Straße als Wochenendparzellen angeboten.“
Tatsächlich, 1987 bot der VEBA-Konzern kurze Zeit später die große Anlage der Stadt Essen zum Kauf an; die zwar Vorverkaufsrecht besaß, aber kein Geld. Also ablehnte. „Über kurz oder lang wäre die Gesamtfläche futsch gewesen. Dieses kleingeistige Denken führte zur Selbsthilfe der Kleingärtner. Und zur Gründung der Essener Kleingartengrund und –boden gemeinnützige Gesellschaft mbH.“ Klartext: Jeder Pächter musste damals 4500 DM – jetzt 2500 € Einlage, wie eine Kaution, einzahlen. Bei Gartenaufgabe gibt’s das Geld zurück. Sicher, es war Schwerstarbeit, die Pächter davon zu überzeugen. Aber diese Gärten sind nicht kündbar von der Stadt. Das Prachtwerk war in aller Munde…

So auch der Baumkrieg 1988/99. Eine 25 m Tanne kippte in einer Sturmnacht auf die Laube des Nachbarn. „Aber nicht in meinem Verein; doch innerhalb von Essen“, betont Nötzold. „Die Versicherung zahlte nicht, weil Waldbäume nicht gestattet sind laut Pachtvertrag. Die „Schere“ – war ein Gentleman Agreement innerhalb des Stadtverbands. Der Vorstand beschloss, dass alle in den Kleingärten befindlichen Waldbäume entweder entfernt werden oder auf zwei Meter Höhe zu kürzen sind. Diese Aktion ging über das Verwaltungsgericht Münster bis hin zum Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages.“ Klare Kante, Nötzold mit Mannen bekamen überall Recht.“ Wieder wuselten die Medien.

1988 Giftalarm! Hochbelastete, vergiftete Böden wurden im ganzen Bundesgebiet festgestellt. „Es gab keine Anbauempfehlung in unserem Verein, Verbote auch nicht. Die Stadt stellte keine Bebauungspläne auf, weil sie zu teuer waren“, bilanziert der engagierte Gut-Siebziger.

1988-2002. Endlich - mit Einführung des Immissionsschutzgesetztes kümmerte sich der Gesetzgeber auch um Kleingärtner. Die bisherigen 3-Kammer-Sickergruben wurden verboten. Fäkalien und sonstiges Abwasser sollten zu Sammelstellen gebracht, dann abgepumpt, entsorgt werden. Alternativ – Wasser aus der Laube raus. Schock für die Kleingärtner. Sie bangten um ihre Scholle. Versammlungen. Gesundheitsamt wurde eingeschaltet. „Die tollsten Szenarien wurden an die Wand gemalt“, erinnert sich der Vorsitzende. „Der Stadtverband Essen entwickelt gegen enormen Widerstand das sogenannte Essener Modell. Die gesamte Anlage wurde verrohrt, Abwässer flossen in einen Sammler, dann in das öffentliche Kanalnetz. Ein finanzieller, arbeitsaufwändiger Kraftakt, der wiederum vom Vereinsvorstand mit viel Überzeugungskraft an die Laubenpieper gebracht werden muss. Es klappte mit viel Gemeinschaftsarbeit, ca. 30 Stunden pro Pächter. Die Aufwendung lag teilweise bei 2400 DM pro Pächter.

2012: Tja, daraus resultieren die Kommunalausgaben wie Abwassergebühr, Straßenreinigung, Winterdienst, Grundbesitzabgaben. Hinzu kommen seit mehreren Jahren die Straßenausbaukosten. „Da haben wir uns gewaltig gewehrt. Mit Demos, Info-Ständen am Markt, Gervinusplatz. Presse, Rundfunk, Fernsehen. Unser Erfolg liegt darin, dass der Rat den parteiübergreifenden Beschluss fasste, vorerst diese Kosten für Kleingärtner auszusetzen bis der Landtag entschieden hat. Wir sind übrigens die einzige Kommune im Ruhrgebiet, die zahlen müssten. „Selbst eine Stadt wie Bochum, hoch verschuldet, verlangt keinen Cent“, wettert Nötzold.

Nö, Klaus Nötzold lässt sich nach 25 spannenden Vorsitzenderjahren - samt Team, und Helfer, den Mund nicht verbieten. Gut Grün!

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

39 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.