„Ein Jahr, das Spuren hinterlassen wird“

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„Warum? Weil unsere Stadt noch nicht ganz da ist, wo wir sie hinbewegen wollen. Weil sie noch immer ihre Potenziale vergrößern und besser entfalten kann“, stimmte Oberbürgermeister Frank Baranowski alle Beteiligten in Politik, Wirtschaft, Religionsgemeinschaften, Wohlfahrtsverbänden, Kultur, Bildung, Sport und eben die Gelsenkirchener im Allgemeinen auf ein bewegendes und bewegtes Jahr 2015 ein.

Das Programm des Abends

Und zu dieser Einstimmung passte auch der diesjährige Gastredner, Professor Christoph Zöpel, der als Landesminister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr vor 25 Jahren die IBA Emscherpark initiiert hatte, die auch in Gelsenkirchen viele Spuren hinterlassen hat. Doch auch er plädierte dafür, dass noch was geht in Gelsenkirchen.
Die Moderation lag wie schon in den letzten Jahren in den bewährten Händen von Martin Wilger. Das Musiktheater im Revier, das wieder einmal als Ort der Festlichkeit diente, sorgte mit Ausschnitten aus der Wiederaufnahme der „Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart für die musikalische Untermalung des Abends. Wilfried Schmickler sorgte für die Lacher und regte dabei mit seiner spitzfindigen Wortakrobatik auch zum Nachdenken an.

Ereignisse in Paris prägen das Jahr in GE

Oberbürgermeister Frank Baranowski erinnerte in seiner Rede an die Geschehnisse in Frankreich rund um das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ und das jüdische Lebensmittelgeschäft, die viele Menschen das Leben kosteten. Baranowski machte deutlich: „Wir in Gelsenkirchen leben in einer bunten Stadt, in einer Stadt mit Menschen aus mehr als 100 Nationen und vielen unterschiedlichen Religionen – und wir leben sehr gut mit dieser Vielfalt. Wir Gelsenkirchener wollen und werden weiter in einer freien und toleranten Stadt und Gesellschaft leben, denn uns alle, egal wo wir herkommen, verbindet eine Überzeugung, die im ersten Artikel unseres Grundgesetzes sehr schön formuliert ist: Die Würde des Menschen – jedes Menschen! – ist unantastbar.“
Die Anschläge wie auch die Pegida-Demos in Dresden sieht das Stadtoberhaupt als „Symptome von missglücktem städtischen Leben und missglückter Integration.“ Dem vorzubeugen, um das Gemeinwesen in Gelsenkirchen frei zu halten von Angstz und Feindseligkeiten, sieht Baranowski als eine der großen Aufgaben des Jahres 2015.
Und dazu gehört wieder einmal die von Baranowski oft propagierte Bildung, aber auch die gesamtstädtische Entwicklung in Richtung Stadterneuerung und Ansiedlung neuer Unternehmen. Erfreut zeigte sich das Stadtoberhaupt darüber, dass es weiter geht mit der Quartiersentwicklung in Gelsenkirchen und das von Hassel bis Ückendorf, also quer durch die gesamte Stadt.
Der demografische Wandel bleibt ebenfalls ein Thema, wobei das in Gelsenkirchen bereits bestehende Generationennetz Mut für die Zukunft macht und sogar bundesweite Anerkennung findet. Umso erfreuter zeigte sich Baranowski darüber, dass in Gelsenkirchen wieder mehr Kinder geboren werden und die Stadt somit nicht mehr kontinuierlich weiter „schrumpft“.

Ein Bochumer bei der Fußball-Nr. 1 im Revier

Bei der Vorstellung des Gastredners Professor Christoph Zöpel konnte sich Moderator Martin Wilger nicht verkneifen anzumerken: „Herr Zöpel, wenn ich richtig informiert bin, wohnen Sie in Bochum und arbeiten in Dortmund? Dann freut es mich umso mehr, dass Sie heute den Weg nach Gelsenkirchen gefunden haben, denn wir sind fußballtechnisch die Nummer 1 im Revier!“
Zöpel erwies sich nicht nur als Gelsenkirchen-Kenner, sondern auch als Gelsenkirchen-Schätzer. So erklärte er gleich zu Anfang seiner langen Rede, dass er darüber sprechen sollte, was man noch verbessern könne, wenn man dabei die Quartiere in der Stadt betrachtet. „Aber bei dem, was Sie hier tun, fällt es dem Außenstehenden schwer noch Verbesserungen aufzuzeigen“, schmunzelte der Gastredner.
Für Spaß bei den Gästen sorgte Zöpels Anmerkung, dass er von Karl Ganser, dem geistigen Vater der IBA Emscherpark erfahren habe, dass Manuel Neuer sich ein Haus baut mitten in einem Naturschutzgebiet am Tegernsee. „Das tut man als Gelsenkirchener nicht!“, erklärte Zöpel und traf damit den Nerv der Gäste.
Der Redner erinnerte auch an die IBA Emscherpark und ihre Projekte, die auch dafür sorgten, dass 1997 die Bundesgartenschau in Gelsenkirchen stattfand. Oder an Karl Ganser, der nicht nur den Rheinelbewald „erfand“, sondern auch die Anregung zur Renaturierung der Emscher gab, „die sich heute die Ingenieure der Emscher-Genossenschaft auf ihre Guthabenseite schreiben“.
Zöpel lobte den Erhalt des Hans-Sachs-Hauses, zumindest die Fassade betreffend und kritisierte den Umgang des Bistums Essen mit seinen Kirchen. Zum Demografischen Wandel erklärte der Redner, dass die Menschen heute eine rund 12 Jahre längere Lebenserwartung haben als noch 1960 und darum die informelle Arbeit von Senioren zum Beispiel als Senioren- und Nachbarschaftsstifter, eben als sogenannte Kümmerer, immer wichtiger werden wird.
Auch die Zuwanderung war ein Thema: „Frankfurt hat einen Ausländeranteil von 24% und gleichzeitig das größte Bruttoinlandsprodukt. Das sollte man als Zeichen werten dafür, dass die Chance darin besteht, die Menschen von Außerhalb kommen zu lassen und sie dann bildungstechnisch zu integrieren.“

Kabarettist Schmickler mit „Je suis Charlie“-Shirt

Kabarettist Wilfried Schmickler freute sich, dass er nach dem Neujahrsempfang des DGB im Raum Emscher-Lippe, der in Gladbeck stattfand, nun beim Neujahrsempfang der Stadt Gelsenkirchen in einer Metropolen des europäischen Fußballs zu Gast sein durfte.
Und er verriet dem geneigten Publikum, dass er bereits einen Blick auf das kalt-warme Buffet werfen konnte und dabei feststellen durfte, dass es in Gelsenkirchen mehr als nur Wasser und Brot gibt. Das war allerdings dem Engagement der Stölting Service-Group zu verdanken, die den Abend sponserte.
Schmickler erläuterte, dass man zum Musikmachen noch nicht mal ein gutes Gehör haben, wie Ludwig van Beethoven es bewies, denn „der war taub wie eine Makrele“. Und weil er lieber der Musik lauscht als Texten, ist ihm Radio nicht geheuer, weil „da wird nur Musik mit Texten gespielt“. Und das kann einem der Popmusik für die Geissel des 21. Jahrhunderts hält, nicht gefallen.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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