Radeln gegen ein Tabu – MOOD-TOUR 2014 erreicht Bochum

Fast am Ziel: die Truppe auf der Erzbahntrasse
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Trotz einer Depression oder gerade wegen einer Depression aktiv zu sein und öffentlich Gesicht zu zeigen, dazu gehört eine ganze Portion Mut und vor allem die Entschlossenheit, sich auf den Weg zu machen, um sich und anderen zu helfen.
Seit dem 14.06.14 zeigen auch in diesem Jahr wieder viele Menschen ihr Engagement dafür, dass die mit deutschlandweit ca. 4 Millionen Betroffenen offiziell zur Volkskrankheit erhobene Depression aus Angst vor Stigmatisierung nicht weiter leidvoll im Verborgenen erlitten und gelebt werden muss.

Wie es ist, unter der Leitung des unkompliziert und sympathisch wahrgenommenen Bremer Fotografen Sebastian Burger mit der MOOD-TOUR quer durch Deutschland unterwegs zu sein, in verschiedenen Städten Station zu machen, um zu informieren und die Entfernungen von Stadt zu Stadt unter Einsatz eigener Körperkraft zurückzulegen, das konnte jetzt im Rahmen einer Mitfahr-Aktion auch von Bochum aus erlebt werden.

Einen Tag dabei sein – Mitfahr-Aktion in Kooperation mit dem Bochumer Bündnis gegen Depression

Eine zehnköpfige Truppe interessierter Unterstützer machte sich am Montag, 15.09.14 um 14.00 Uhr per Rad von der Rathausglocke aus auf den Weg nach Gelsenkirchen, um der MOOD-TOUR entgegenzufahren, die Etappenfahrer zu begrüßen und nach Bochum zu begleiten. Dabei blieb auf der komfortabel zu befahrenden Erzbahntrasse ausreichend Zeit, miteinander in Kontakt zu treten und sich auszutauschen.
Das Radwegenetz des Ruhrgebietes war da ebenso Thema, wie die eigenen Berührungspunkte zur Erkrankung oder die Freude über die Möglichkeit der Nutzung eines Pedelecs, wenn die Kräfte an ungeliebten Steigungen nachlassen.
Auch die Bedrückung darüber, dass es in der eigenen Psychotherapie heftig geknallt hatte, weil man am verbohrten Blickwinkel seines Therapeuten zweifelte, der völlig ungesund empfunden wurde, weil er keine Möglichkeit der Entwicklung eigener Bewältigungsstrategien zuzulassen schien, aber auch die Tatsache, dass es wieder jemanden gab, der sogar seine Therapie abgebrochen hatte, weil er mit seinem Psychotherapeuten plötzlich überhaupt nicht mehr zurechtkam, blieb in den zahlreichen Fahrtwind-Gesprächen nicht außen vor.

Immer wieder hervorgehoben wurde die Wichtigkeit öffentlicher Aktionen und Veranstaltungen zum Thema Depression, da man zwar selbst erkrankt sei, aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder möglicher Kompetenzzweifel jedoch nicht wage, sich zu ihr zu bekennen und offen zu kommunizieren, was ein Leben mit der Krankheit heißt.
Innerhalb der Gruppe auf zwei Rädern aber wurden das „Verständnis ohne große Worte“ und das Vertrauen greifbar, das man völlig selbstverständlich allein aus der Veranstaltung heraus ineinander hatte. Depression war auf der Fahrt plötzlich kein Tabu mehr und es fühlte sich unglaublich frei und gut an.
Wie Selbstvertrauen wächst, wenn man sich miteinander für eine gute Sache fortbewegt, Flagge zeigt und die Fähigkeit der körpereigenen Fortbewegung spüren kann, konnte dabei ebenso erfahren werden. Immerhin waren es für diejenigen, die zentrumsnah gestartet waren, gut 35 km, deren Bewältigung sie sich beweisen konnten. Für einen Mitfahrer aus Witten waren es noch entsprechend mehr Kilometer, die er am Montag zum Zweck der Enttabuisierung leistete; und ein weiterer Teilnehmer, der über Facebook von der Aktion erfahren hatte, war sogar in Unna in den Zug gestiegen, um dabei zu sein und per Rad von Gelsenkirchen nach Bochum mitzufahren.

Großes Hallo in Gelsenkirchen und Bochum

Da für die Strecke nach Gelsenkirchen ausreichend Zeit eingeplant war, blieb nach der Ankunft am Treffpunkt Heinrich-König-Platz sogar noch Zeit für ein Eis oder einen Kaffee samt Kuchen im nahen Eiscafé.
Die Zeit zur Muße und zum Austausch ohne windverschluckte Silben ließ neue Bündnis-Pläne reifen: warum nicht im nächsten Frühjahr eine kleine Tour anbieten oder zusammen mit den Ruhrgebiets-Bündnis-Partnern eine Sternfahrt planen?
Der mitten in die Gedanken platzende begeisterte Applaus und das freudige Hallo galten allerdings zu Recht den gegen 15.30 Uhr am Eiscafé vorbeirollenden Etappenfahrern. Der Funke sprang sofort über, der Draht zueinander war über die gemeinsame Aktion auf der Stelle hergestellt. "Berührungsängste" gab es nicht.

Auch wenn sich mancher wünschte, dass das Thema „Depression“ in Verbindung mir der Tour besser zu erkennen sein sollte und man in Gelsenkirchen auf eine öffentlichkeitswirksame Veranstaltung gehofft hatte, so bot die vielköpfige bunte Truppe mit den unzähligen Rädern, den schwer bepackten Tandems, den Wimpeln und den Luftballons doch einen ausgesprochen imposanten Eindruck.

Nach einem Pressefoto gegen 16.00 Uhr in Gelsenkirchen erreichte Deutschlands erstes Aktionsprogramm auf Rädern um 17.30 Uhr schließlich punktgenau und ohne menschliche Verluste oder unerwünschte Vorfälle die Glocke auf dem Rathausvorplatz.
Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz nahm die Fahrer am dort aufgebauten Bündnis-Info-Stand persönlich in Empfang und sprach in ihrem Grußwort der Aktion und den Leistungen des Einzelnen ihre Hochachtung aus.

Nach dem schon obligatorischen und zu Recht stolz aufgenommenen „Ziel“-Foto, für das die Oberbürgermeisterin frontal auf den Tandem-Ehrenplatz gebeten wurde, machten sich die Etappenfahrer auf den Weg zum Gastgeber des Nachtquartiers: dem Wohnprojekt „buntStift“ in Langendreer. Von dort wurde die Fahrt am heutigen Dienstagmorgen fortgesetzt.
Ziel der insgesamt 7.000 km langen Aktion, die u. a. von der Stiftung Deutsche DepressionsHilfe, der Deutschen DepressionsLiga und der BARMER GEK gefördert wird, ist in diesem Jahr Köln. Dort werden die Fahrer am kommenden Samstag, 20. September, eintreffen und mit einer großen Feier das Ende der Aktion begehen.

Das Fazit dieses Tages fiel einhellig aus: Ob erkrankt oder nicht erkrankt, es war gut, dabei zu sein, zu unterstützen und sprichwörtlich zu erfahren, was die Aktion MOOD-TOUR bedeutet; für sich selbst und für andere.

Weitere Infos: http://mood-tour.de und http://www.lokalkompass.de/bochum/leute/einen-tag-dabei-sein-mood-tour-erreicht-bochum-einladung-zum-mitfahren-d471548.html

Autor:

Sabine Schemmann aus Bochum

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