EU-Zuwanderung: „Wer sich an Regeln hält, bekommt eine faire Chance“

Sozialdezernentin Karin Welge. Foto: Gerd Kaemper
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Das Handlungskonzept der Stadt Gelsenkirchen für die Zuwanderung im Rahmen der EU-Osterweiterung aus Bulgarien und Rumänien - im November vorgestellt - greift inzwischen. „Die Organisation steht, erklärt Projektteamleiter Hans-Joachim Olbering.

„Die Zuwanderung hält an“, berichtet er. Und es seien vor allem bildungs-benachteiligte Menschen, die sich in Gelsenkirchen melden. Die größte Gruppe der Zuwanderer ist zwischen 25 und 45 Jahre alt.
Zu Olberings Projektteam gehören neben den Zuständigen aus der Verwaltung auch Abgesandte der freien Träger, des Job-Centers und der Polizei. Das Team trifft sich einmal in der Woche.
Sozialdezernentin Karin Welge bringt es auf den Punkt: „Wer hier willkommen geheißen werden will, muss sich an Regeln halten. Und wer dies tut, bekommt eine faire Chance, hier anzukommen und Fuß zu fassen.“

Interdisziplinäres Projektteam

Dass sich an die geltenden Regeln gehalten wird, überprüft das Projektteam ständig. Dazu gehört aufsuchende Sozialarbeit genauso wie die Überprüfung ausländischer Fahrzeuge. Über 600 Schüler besuchen bereits Förderklassen. „Das ist eine immense Herausforderung. Noch können wir das stemmen, aber wir erreichen Kapazitätsgrenzen“, äußern sich Olbering und Welge vorsichtig angespannt.
Auch die Wohnsituationen der Zuwanderer werden überprüft. „Wir wollen verhindern, dass zu viele Menschen auf zu wenig Raum wohnen“, erklärt Welge. „Es greifen viele Maßnahmen ineinander“, ergänzt Olbering. Dazu gehört ebenfalls, dass die Zuwanderer, die sich im Job-Center melden genauestens geprüft werden. „Wir gehen da wirklich sehr sorgfältig vor. Bisher haben wir 14 Bewilligungen, aber viele Anträge liegen natürlich in der Prüfung“, erklärt Dirk Sußmann vom Integrationszentrum für Arbeit Gelsenkirchen. „Wir hatten aber auch schon sehr viele Ablehnungen, weil die Voraussetzungen nicht erfüllt wurden.“
Die meisten der Zuwanderer siedeln sich im Gelsenkirchener Süden an. „Darauf können wir gar keinen Einfluss nehmen, da es sich ja um EU-Bürger handelt, die sich frei entscheiden dürfen, wo sie wohnen wollen und dauerhaftes Bleiberecht haben“, erklärt Karin Welge. „Aber wir sind sehr komplex aufgestellt mit unseren Sozialpartnern. Nichtsdestotrotz bleibt es eine Herausforderung.“

Die ausführliche Mitteilung der Stadt Gelsenkirchen mit mehr Details zum Handlungskonzept folgt hier:

Der Rat der Stadt Gelsenkirchen hat im Oktober 2013 ein Handlungskonzept zur Zuwanderung im Rahmen der EU-Osterweiterung verabschiedet und damit auf den verstärkten Zuzug von Menschen aus Bulgarien und Rumänien reagiert. Seitdem arbeitet ein Projektteam unter Leitung von Hans-Joachim Olbering an der Umsetzung und Durchführung. Die Ziele des Konzepts sind Integration in den Alltag mit den Schwerpunkten Wohnen, Gesundheit, Lebensunterhalt und Arbeit sowie Erziehung und Bildung auf der einen, die Wahrung des sozialen Friedens und Erhöhung der Normbindung auf der anderen Seite.

In einer ersten Bilanz zeigten heute Sozialdezernentin Karin Welge, Dirk Sußmann vom Integrationszentrum für Arbeit Gelsenkirchen (IAG) und der Projektteamleiter Hans-Joachim Olbering auf, dass der richtige Weg eingeschlagen wurde, allerding noch viel zu tun bleibt, zumal der Zuzug von Menschen vor allem aus Rumänien und Bulgarien ungebrochen hoch ist. Derzeit sind in Gelsenkirchen 2.914 Personen aus Rumänien und 1.308 aus Bulgarien gemeldet. Allein diese Zahlen zeigen, dass die Zuwanderung im Rahmen der EU-Osterweiterung eine große Herausforderung bleibt.

Sozialdezernentin Karin Welge bringt es auf den Punkt: „Wer hier willkommen geheißen werden will, muss sich an Regeln halten. Und wer dies tut, bekommt eine faire Chance, hier anzukommen und Fuß zu fassen“.

Zum Konzept gehört es, dass die einzelnen Maßnahmen und Aktivitäten von vielen Akteuren mit Leben gefüllt und umgesetzt werden. Sie werden vom wöchentlich tagenden Projektteam koordiniert.

Inzwischen sind zahlreiche Maßnahmen des Handlungskonzeptes begonnen worden. Dazu gehören etwa die aufsuchende Sozialarbeit, Feriencamps, die Überprüfung ausländischer Fahrzeuge, Sprachintegrationslotsen.

Weitere Punkte gehören zur Regelaufgabe der Stadtverwaltung, wie etwa die Präsenz und Kontrolle durch den Kommunalen Ordnungsdienst, Gewerbeprüfungen oder die Schuldnerberatung.

Weitere Maßnahmen befinden sich in der Vorbereitung oder in der mittelfristigen Umsetzung.

Integration in den Alltag

Zur Unterstützung der Arbeit der derzeit sieben Sozialarbeiter wurden verschiedene Informationsbroschüren in den jeweiligen Landessprachen erstellt, die die wichtigsten Regeln und Hilfestellungen aufzeigen, Ergänzend gibt es eine Anwohnerinformation, die deutlich macht, dass die Stadt die Sorgen der Betroffenen ernst nimmt und Hilfen anbietet.

In den jeweiligen Wohnquartieren wurden Integrationslotsen als Sprach– und Kulturmittler gefunden, die gerade geschult werden.

Bei der aufsuchenden Sozialarbeit wurden bisher über 1.600 Beratungspunkte angesprochen. Auf den ersten Rängen stehen dabei Fragen zur Wohnung oder zur Müllentsorgung, direkt dahinter folgen bereits Themen wie Schule und Gesundheit.

Handlungsfeld: Erziehung und Bildung

Durch das Referat Erziehung und Bildung ist ein eigenes Rahmenkonzept zur Integration von Kindern und Jugendlichen rumänischer und bulgarischer Zuwanderer erstellt worden. Ziele aller Maßnahmen ist hier die Integration in die Regelsysteme, die Förderung der Sprache und die Steigerung der kulturellen und sozialen Kompetenz. Das städtische Konzept ist somit die Brücke zu den Regelangeboten.

Aktuell besuchen 106 rumänische oder bulgarische Kinder Kitas in Gelsenkirchen. In den Internationalen Förderklassen (IFÖ) befinden sich derzeit 609 Schülerinnen und Schüler. Positiv fällt hier auf, dass ein regelmäßiger Schulbesuch stattfindet.

Handlungsfeld: Gesundheit

Aktuell werden vier Familien durch Familienhebammen begleitet, fünf ausführliche Beratungen wurden durchgeführt. Bis zu 15 aktive Begleitungen sind vorgesehen.

Viele der Zuwanderer verfügen über einen ungenügenden Impfstatus. Daher wurden seit September 2013 116 Impfungen bei Kindern durchgeführt und eine Impfsprechstunde eingerichtet.

Im Rahmen von Untersuchungen von Schul-Seiteneinsteigern werden etwa 300 Kinder in 2014 untersucht. Einzelne Untersuchungen haben bereits bei Einschulungsuntersuchungen stattgefunden.

Weiterhin werden im Rahmen des Projekts MiMi – „Mit Migranten für Migranten“ fünf rumänisch / bulgarisch sprechende Multiplikatoren als Gesundheitslotsen ausgebildet. Die aufwendigen Vorbereitungen haben bereits begonnen.

Handlungsfeld: Recht und Ordnung

Die Stadt Gelsenkirchen hat ein Interventionsteam gebildet, das unter der Leitung des Kommunalen Ordnungsdienstes regelmäßig tagt. Dadurch wird eine zeitnahe Beratung und ordnungsrechtliches Eingreifen möglich.

Der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) führt verstärkte Kontrollen im Rahmen von Streifenfahrten, Streifengängen und Sondereinsätzen durch. Dazu gehörten bislang auch 65 so genannte Gefährderansprachen, bei verschiedenen Einsätzen gegen aggressives Betteln wurden Personalien festgestellt, Platzverweise und mündliche Verwarnungen erteilt, sowie Verwarnungsgelder ausgesprochen, dazu gehört auch das Einziehen des Bettelerlöses. Der KOD wird ab April/ Mai um fünf Dienstkräfte verstärkt.

Der Verkehrsüberwachungsdienst hat bei Kontrollen 290 Verwarnungen wegen Verkehrsverstößen erteilt, dabei wurden Verwarnungsgelder in Höhe von 6.995,- € erhoben. 121 Fahrzeuge wurden abgeschleppt und nur gegen Zahlung der Abschleppkosten und mit gültiger Umweltplakette herausausgegeben.

Das Referat Bürgerservice lässt sich bei der Anmeldung in Verdachtsfällen Einzugsbestätigungen bzw. Mietverträge vorlegen, die auch Angaben zur Wohnungsgröße und die Anzahl der angemeldeten Personen enthalten. Damit soll einer bewussten Überbelegung durch Vermieter vorgebeugt werden.

Dazu hat das Referat Bürgerservice seine Strukturen optimiert, um auf die oft komplexen und schwierigeren Fälle angemessen und fachlich beanstandungsfrei reagieren zu können.

Seit Dezember 2013 werden regelmäßig ressortübergreifend Objektprüfungen unter melde-, bau-, und wohnungsaufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten mit Unterstützung der Polizei und des Zolls durchgeführt.

Die Vermieter und Eigentümer wurden aufgefordert, (baurechtliche) Mängel zu beseitigen, Mietverträge, Anmeldebescheinigungen und Ausweisdokumente wurden gesichtet und die Personalien von 394 angetroffenen Personen wurden unter melderechtlichen Aspekten abgeglichen. Dabei wurden rund 100 Personen amtlich abgemeldet, da sie offensichtlich nicht mehr unter der gemeldeten Adresse wohnten.

Eine nicht genehmigte Versammlungsstätte mit ca. 80 Personen wurde aufgelöst, die Räume verschlossen und versiegelt.

Parallel dazu wurden Fahrzeuge im Umfeld unter Beteiligung der Referate Verkehr, Umwelt, Recht und Ordnung überprüft. Bei Auffälligkeiten wurden die Fahrzeuge etwa wegen des fehlenden Versicherungsschutzes, erheblicher Mängel oder fehlender Feinstaubplaketten abgeschleppt. Die Herausgabe der Fahrzeuge erfolgt erst nach Vorlegen einer gültigen Fahrzeugversicherung, der Beseitigung der Mängel und Erstattung sämtlicher Kosten.

Handlungsfeld: Wohnen

Das neue Wohnungsaufsichtsgesetz NRW wird voraussichtlich im Mai oder Juni 2014 in Kraft treten. Die Verwaltung bereitet sich auf die Umsetzung vor. Das Gesetz stellt Mindestanforderung an Ausstattung von Wohnraum und definiert eine Überbelegung. In einigen Fällen erhöht es das Durchgriffsrecht der Verwaltung. Die genauen Auswirkungen und der praktische Nutzen werden sich vermutlich erst in der Anwendung zeigen.

Das Referat Bauordnung hat nach Ortsbegehungen bei acht Objekten ordnungsbehördliche Maßnahmen eingeleitet.

Der Allgemeine Städtische Sozialdienst hat 182 Hausbesuche bei 71 rumänischen und bulgarischen Familien durchgeführt. Die Hausbesuche erfolgten aufgrund von Hinweisen auf das mögliche Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung, die jedoch in keinem Fall festgestellt werden konnte. Dabei standen Hinweise auf hygienische oder der Versorgungsmängel bzw. auf die Betreuungsbedingungen der Kinder im Vordergrund.

37 sogenannte Klau-Kids wurden nach der Zuführung durch die Polizei in Obhut genommen.

In Zusammenarbeit mit Gelsendienste wurde für die betroffenen Gebäude der Bedarf an Abfallbehälter ermittelt. Darüber hinaus wurde die Anzahl der Abfallbehälter erhöht, wenn das Behältervolumen mehrfach nicht ausreichend war. Das Aufstellen weiterer Behälter erfolgt unter Benachrichtigung des Grundstückseigentümers und auf dessen Kosten. Seit Mitte 2013 wurde das Müllbehältervolumen im Stadtgebiet so um rd. 6.300 Liter je Woche erhöht.

Tagesaktuelle Aufträge aus Beschwerden werden von Gelsendienste innerhalb von ein bis zwei Tagen abgefahren.

Zusätzlich sind ergänzende Streifengänge eines Sicherheitsdienstes in den Abendstunden und an den Wochenenden in der Vorbereitung, die zur Verbesserung des Stadtbildes durch Verringerung der Müllablagerungen führen sollen.

Handlungsfeld: Arbeit, Lebensunterhalt

In Gelsenkirchen kommen aus dem Europäischen Sozialfonds-kofinanzierte Vorhaben für Armutszugewanderte in NRW zur Anwendung. Sieben Bausteine sind gemeinsam mit freien Trägern eingeleitet worden. Dazu gehören die örtliche Koordinierung und Vernetzung, die Konzeptentwicklung für eine Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahme „Wohnraum selbst schaffen“, die aufsuchende und kulturvermittelnde Sozialarbeit, die Bildungsberatung, die Kompetenzfeststellung und Individuelle Förderung junger Menschen, die Kompetenzfeststellung Erwachsener, die Alphabetisierung und Sprachvermittlung mit Erwerbsweltbezug sowie Familientreffs als niedrigschwellige Begegnungsmöglichkeit im Sozialraum.

Handlungskonzept des Integrationscenters für Arbeit Gelsenkirchen

Das Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen (IAG) hat sich für das Jahr 2014 organisatorisch an den Leitzielen des städtischen Handlungskonzeptes orientiert und aufgestellt.

Die Schwerpunkte liegen dabei auf einer grundsätzlich erschöpfenden Prüfung der Antrags- und Bewilligungsvoraussetzungen, einer zielgruppengerechten Formulierung von Mitwirkungspflichten, der Verhinderung von Leistungsmissbrauch, einer Prüfung der gewöhnlichen Aufenthalts in jedem Einzelfall durch den Ermittlungsdienst und die Überprüfung der angegebenen Personen und Familienmitglieder auf Plausibilität. Dabei wird auch auf ein würdegerechtes Wohnen und die Angemessenheit der Mietqualität geachtet. Ist etwa eine Wohnung unbewohnbar, werden keine Kosten für Unterkunft und Heizung geleistet.

Interkommunale und behördenübergreifende Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch

Soweit es erforderlich ist sind Behörden wie das Finanzamt, die Polizei und der Zoll in die Maßnahmen eingebunden. Insbesondere wenn es um Themen wie „Schlepper“-Aktivitäten, illegale Arbeitervermittlung und verdächtige Vermieterstrukturen geht.

Die jeweiligen Behörden nehmen bei Bedarf an den Sitzungen des Interventionsteams teil und unterstützen regelmäßig bei Objektprüfungen.

Daneben steht das Projektteam zum Erfahrungsaustausch in engem Kontakt mit anderen Kommunen, insbesondere mit Duisburg, Bochum und Dortmund.

Autor:

Silke Heidenblut aus Essen

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