Nezahat Kılınç: CDU-Beschluss ist Rückschritt für die Integration „Das tägliche Leben in der Stadt wird nicht vom Pass bestimmt“

Nezahat Kılınç SPD-Stadtverordnete für Bismarck | Foto: SPD - Gelsenkirchen
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Erst seit 2014 müssen sich in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern als junge Erwachsene nicht mehr für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Die CDU hat auf ihrem Parteitag in Essen wieder einmal ihr wahres Gesicht gezeigt, indem eine Mehrheit der Delegierten sich dafür ausgesprochen hat, diese Regelung zum Doppelpass rückgängig zu machen.

Nezahat Kılınç SPD-Stadtverordnete für Bismarck: „Es darf kein WENN und ABER in dieser Angelegenheit geben. Der Beschluss ist ein RÜCKSCHRITT für die Integration.

In Deutschland leben und arbeiten Menschen aus über 200 verschiedenen Ländern Seite an Seite. Das alltägliche Leben zeigt uns das in unseren Städten und ist auch gelebte Realität. Deutschland ist bunt und vielfältig. Darauf sollten wir stolz sein. Und viele Menschen, die zugewandert sind, teilen diesen Stolz, weil sie hier ihre Heimat gefunden haben.

In Deutschland zu leben und keine deutsche Staatsbürgerschaft haben, das ist kein Widerspruch. Das tägliche Leben in einer Stadt wird nicht vom Pass bestimmt, sondern vom Miteinander der Menschen, vom Wirken von Verwaltung, Wirtschaft, Vereinen, Verbänden und Gemeinden. Unsere Kinder gehen in dieselben Schulen. Die deutsche Friseurin, der italienische Gastronom und die türkische Schneiderin zahlen allesamt Gewerbesteuern. All diese Menschen treffen sich irgendwo in ihrem Stadtteil und tauschen sich aus. Und auch die Alltagssorgen fragen nicht nach Nationalitäten.

Es gibt aber eben doch einen Unterschied zwischen den Menschen in unseren Städten. Oder besser gesagt – wir machen ihn über das Wahlrecht selbst. Denn Menschen, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft oder die eines anderen EU-Staates haben, sind selbst bei der Kommunalwahl nicht wahlberechtigt. Das erscheint mir ungerecht, denn die Kommune ist als der rechtlich-organisatorische Rahmen, in dem die Menschen einer Stadt zusammenleben, doch eigentlich die Keimzelle der Demokratie. Wer hier lebt, teilweise seit Jahrzehnten, und damit hier seine Heimat hat, der sollte doch auch mitreden, mitentscheiden und mitgestalten dürfen bei dem, was in seiner Stadt passiert! Ob das Land, das seinen Pass ausgestellt hat, nun innerhalb der in den letzten Jahren erheblich größer gewordenen EU liegt, oder außerhalb von deren Grenzen, ist etwas, worauf der einzelne Mensch keinen Einfluss hat. Aber das, was vor seiner Haustür und in seiner Nachbarschaft, auf dem Weg zur Arbeit und in der Freizeit passiert, das sollte er doch wohl mit beeinflussen dürfen!

Dass die CDU jetzt hingeht und mit der AfD an einem Strang zieht, ist für mich nicht nachvollziehbar. Beabsichtigt die CDU, Wahlkampfhilfe für die AfD zu betreiben und ihr Stimmen zuzutreiben? Es ist mir auch unverständlich, dass die CDU für mehr türkischstämmige Mitglieder wirbt und diesen Menschen aber den Doppelpass aberkennt oder nicht gönnt. Zumindest wer hier geboren ist, der sollte doch ein Anrecht darauf haben, in vollem Umfang mitreden und mitentscheiden zu dürfen! Dass die CDU nicht einmal diesen Minimalkompromiss zulassen will, den sie vor zwei Jahren selbst verhandelt hat, macht mich traurig und wütend. Da kann sich Frau Merkel vom Beschluss des Parteitags distanzieren, wie sie will – es ist ein Mehrheitsbeschluss der Partei, als deren Vorsitzende sie sich gerade erneut hat wählen lassen.“

Autor:

Heinz Kolb (SPD aus Gelsenkirchen

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