Petition gegen Sanktionen – Der Egoist

Derzeit bin ich unterwegs, um Unterschriften für die Petition zur Abschaffung von Sanktionen beim ALG II zu sammeln. Bis zum 18. Dezember 2013 müssen im Bundestag 50.000 Unterschriften eingegangen sein. Weil das nicht jeder online oder durch die Medien mitbekommt, müssen wir Unterstützer uns auf die Socken machen und selbst die Menschen ansprechen. Mir ist das außerordentlich wichtig, da es erschreckend ist, wie wenig Menschen über diese Sanktionslage in unserem Land aufgeklärt sind. Heute traf ich auf den Typus „Egoist“. Wenn man sich mit Hartz IV und dem Themenbereich „Arbeit und Soziales“ befasst, sind Menschen von ihrer Meinungsbildung leider viel zu schnell einzuordnen. Der Egoist ist eher der unzugängliche Typ. Er hat für sich seine kleine Welt geschaffen, sieht zwar, dass da draußen in der Welt alles ganz komisch läuft. Aber er sagt auch gleich: „Ich interessiere mich nicht für Politik“. Und genau da hakt es. In einer Demokratie ist es eine Pflicht, sich für politische Belange zu interessieren. Aber der Egoist hat ja seine kleine Welt und er meint, die Welt da draußen würde seine schon nicht tangieren.

Falsch gedacht! Heute war ich in einem Copy-Shop und brauchte dringend eine Kopie. Bei der Gelegenheit sprach ich den Besitzer an, ob er die o. g. Petition nicht unterschreiben möchte. „Welche Sanktionen?“, wurde ich gefragt. Ich versuchte zu erklären, mit welchen Mitteln Jobcenter Menschen unter Druck setzen, dass sie Fehler machen und dann ihre ganze Existenz verlieren können. Es gibt ja noch Menschen die denken, es gäbe Besitzstandswahrung. Aber es verlieren Menschen ihre Wohnungen. Es wird immer übler. Das Thema ist ja auch sehr weitreichend und die Methoden der Jobcenter sehr vielfältig. Der Druck, welcher durch die Sanktionen entsteht, bringt die Menschen dazu, die Füße still zu halten, bloß nicht aufzufallen. Wenn das ALG II mal läuft, weckt man besser keine schlafenden Hunde. Ruhe, man möchte einfach auch nur mal Ruhe haben. Denn so wie man von den Jobcentern drangsaliert wird, Formulare hier, Formulare dort, warten, keine Zahlung, erst klären, etc., das macht mürbe. Und dass dann Menschen kein Selbstvertrauen mehr haben, sich in einem Job wiederzufinden, ist leider die schlechte Konsequenz dieses Agenda 2010-Paketes.

Ähnliches versuchte ich dem „Egoisten“ zu beschreiben und dann kamen sie, die Argumente, die so gerne kommen: „Ich habe, ich muss auch, ich, ich, ich….“ Nun, jeder hat sein „Ich“ und der eine hat Glück, der andere nicht. Der eine sitzt 12 Stunden am Tag in seinem eigenen Betrieb und bekommt nur 1.200 Euro netto heraus. So sagte mir der „Egoist“. Nun, dann könnte auch ich sagen: „Such Dir doch einen anderen Job, dann zahlst Du wenigstens mehr Steuern!“ Aber ich bin ja kein Egoist, sondern versuchte sein Gemeinschaftsdenken zu wecken. Aber er rückte von „Meine Frau, ich, meine Kinder, und ich kenne da einen….“ nicht ab. Ein gesellschaftliches Denken obliegt einfach nicht jedem. Die Empörung, dass auch in Deutschland Menschenrechte gebrochen werden, empfindet der Egoist nicht. „So lange bei mir alles gut läuft…“ Ja, so denkt man gerne und jetzt kommt das große Aber.

Diesem Egoisten aus dem Copy-Shop sagte ich, er solle mal darüber nachdenken, wieso er bei 12 Stunden Arbeit pro Tag nur 1.200 Euro netto in die Hand bekommt. Da schimpfte er so pauschal auf den Markt und in Deutschland ist alles doof. Ein Kauderwelsch an Schlagworten flog mir entgegen. Ich wusste gar nicht, wo ich argumentativ ansetzen sollte. Schaute ich mich in dem Laden um, so war mir klar, dass auch diese Existenz in den nächsten Jahren dem Egoisten um die Ohren fliegen wird. Denn dieser Copy-Shop hat in den letzten Jahren technisch nicht mehr aufgerüstet. Die Maschinen sind veraltet und immer mehr Menschen haben Kopiergeräte und auch andere Medien, die in so einem Shop angeboten werden, zu Hause. Der Markt hat sich entwickelt, ja. Aber der Egoist hat sich nicht entwickelt. Wenn er sich also nicht an den Markt anpasst, wird er auch immer weniger Einkommen haben. Und irgendwann wird er seinen Laden schließen müssen. Und dann? Wird er zum Jobcenter gehen und ALG II beantragen müssen. Er sagte mir, dass ihm sein Hemd näher ist als andere Leute. Ich kann nur hoffen, dass er Freunde hat, die ihn erst mal auch moralisch auffangen werden, wenn er denn seine Existenz verliert. Es sind so viele Menschen, die noch immer denken „Mir geht es doch gut.“ Dabei bedarf es manchmal nur eines neuen Vorgesetzten oder eines neuen Kollegen, mit dem das Zusammenarbeit nicht klappt und beispielsweise Mobbing entsteht. Oder die Motivation schwindet, weil das Unternehmen Maßnahmen ergreift, die für die Mitarbeiter nicht zuträglich sind. Mehrarbeit, weniger Geld. Und dann geht die Spirale nach unten los. Man wird weniger belastbar, wird dünnheutiger, die Kämpfe am Arbeitsplatz nehmen zu, der Ton wird rauer.

Letztens noch schrieb mir eine Bekannt auf meine Facebookseite: „Deine politischen Statements interessieren mich nicht.“ Und dann später: „ Mir geht es gut, ich habe ein ausgeglichenes Leben.“ Ja, so sind sie die Egoisten. „Mir“ geht es gut. Wie es den anderen Menschen in dieser Gesellschaft geht und was in der heutigen Zeit einfach möglich ist durch Gesetze, die nur noch nach Ermessen umgesetzt werden und nicht einklagbar sind, das ist den Egoisten egal. Aber auch sie werden es irgendwann man spüren. Aber dann sind sie alleine. Denn sie sind ja Egoisten!

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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