Sommerinterview mit Oberbürgermeister Frank Baranowski: „Der Haushalt ist ausgeglichen!“

Oberbürgermeister Baranowski im Gespräch mit Stadtspiegel-Redakteurin Silke Heidenblut. Foto: Gerd Kaemper
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Das Sommerinterview mit Oberbürgermeister Frank Baranowski, der seinen Urlaub im verregneten Devon bei 14 Grad verbrachte, fand passenderweise am sonnigsten Tag der Woche statt: Tisch und zwei Stühle auf der Dachterrasse waren einmal mehr mit einem Blumenstrauß dekoriert, so dass dem Gespräch über die Lage der Stadt nichts im Weg stand.

Und das Stadtoberhaupt konnte gleich mit einer sehr guten Nachricht aufwarten: „Der Haushalt für das Jahr 2018, den wir in der nächsten Woche einbringen werden, ist zum ersten Mal seit Jahrzehnten ausgeglichen!“ Er sei zwar mit Risiken behaftet, wie jeder Haushalt, aber das sei trotzdem eine sehr starke Leistung. „Natürlich ist das durch das Stärkungspaket des Landes möglich, aber trotzdem bleibt es eine gute Nachricht, wenn man den eigenen Haushalt so aufstellen und gestalten kann.“
Als Stadt muss man zwei Dinge gleichzeitig tun: „Es gilt, die lange Linie für die Zukunft zu planen, das umfasst die Bildung, die Stadterneuerung und die wirtschaftlichen Fragen. Gleichzeitig muss man sich um neue oder aktuelle Themen kümmern wie die Flüchtlingssituation oder die Zuwanderung aus Süd-Ost-Europa“, erklärt Frank Baranowski. „Das sorgt dafür, dass man als Stadtverwaltung gut zu tun hat.“

Aufnahme und Unterbringung der Flüchtlinge gelungen

Dabei hat es doch den Anschein, dass die Stadt Gelsenkirchen die Flüchtlingsfrage gut im Griff hat? „Sicher sind wir mit der Aufnahme und der Unterbringung in Wohnungen ganz erfolgreich gewesen. Doch jetzt wird es erst herausfordernd, denn die Menschen sollen integriert und in Arbeit gebracht werden. Allerdings sind in Gelsenkirchen solche Arbeitsplätze, die für Menschen, die noch keine gute Ausbildung oder Sprachkenntnisse haben, kaum vorhanden“, gibt der 55-Jährige zu bedenken. Es sei ein Stück weit ärgerlich, dass es bei den Kosten die jetzt für Unterbringung und Integration der Flüchtlinge anfallen, keine auskömmliche Finanzierung von Bund und Land gebe.
An den Schulen bestehe ein wirklicher Engpass. „Ja, wir stoßen da an unsere Grenzen. Und wir müssen uns fragen, ob Integration so funktionieren kann. Da erwarte ich von jenen, die angekündigt haben ,Wir schaffen das‘, dass sie auch für die entsprechenden Gelingensvoraussetzungen sorgen.“ Sicher sei Gelsenkirchen eine Stadt, die Integration prinzipiell kann. „Aber man darf so einer Stadt auch nicht zu viel auf die Schultern packen“, warnt der Oberbürgermeister.

Integration der Flüchtlinge große Herausforderung

Hinzu kommen die Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, die allzuoft ganz handfeste Probleme für die direkte Nachbarschaft mit sich bringen, weil sich nicht alle an die normalen Regeln des Zusammenlebens halten. „Daran arbeiten wir mit unserem kommunalen Ordnungsdienst und Hand in Hand mit der Polizei, erst jetzt wieder mit Haus- und Fahrzeugkontrollen, und reagieren häufig auch auf Hinweise von Bürgern“, erklärt der OB. „Unser Kontrollsystem wird inzwischen von anderen Städten kopiert, es ist durchaus erfolgreich, aber um das Grundproblem wirklich zu lösen, brauchen wir auch hier Unterstützung von Bund und Land.“ Es habe bereits gute Gespräche in dieser Sache auch in Berlin gegeben. Doch dann kam die Flüchtlingswelle und dann war die so genannte Armutszuwanderung dort bis heute kein Thema mehr.

Zuwanderung Süd-Ost: Nationale und europäische Behörden gefragt

Immerhin hatte sich zuletzt die ehemalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft dieser Herausforderung angenommen. Ob der neue Ministerpräsident dieses Engagement fortsetzt, ist offen. Jedenfalls hat Frank Baranowski auf die schriftlich formulierte Bitte bisher noch keine Antwort erhalten. Hier geht es oft um organisierte Kriminalität. „Da sind in der Tat auch nationale und europäische Behörden beziehungsweise die Gesetzgeber gefragt, um mit dieser Problematik fertig zu werden.“ Solange das nicht passiert, tut die Stadt Gelsenkirchen weiterhin alles, um Wohnsituationen zu prüfen, Schrottimmobilien dicht zu machen und darauf hinzuweisen, dass es Spielregeln gibt, an die sich alle halten müssen. „Das machen wir selbstverständlich, aber dafür nutzen wir Ressourcen, die wir sehr gern anders einsetzen würden.“

Wichtig: Das Sicherheitsgefühl der Bürger

Das Sicherheitsgefühl der Bürger sei aber ausgesprochen wichtig. „Deshalb haben wir ja 2010 den kommunalen Ordnungsdienst mit sechs Mitarbeitern gegründet. Inzwischen sind es übrigens 21 Mitarbeiter und wenn es sein muss, bauen wir das noch weiter aus.“ Mit der Polizei, die personell sicher auch an der Grenze sei, werde ebenfalls eng zusammengearbeitet. Dass die Bundespolizei, die für den Hauptbahnhof zuständig ist, Personal aus Gelsenkirchen abzieht, statt Stellen zu besetzen, das ärgere schon.

Kommt das Projekt "Sozialer Arbeitsmarkt" doch noch?

Genauso wie die Diskussion um das Projekt „Sozialer Arbeitsmarkt“, das eigentlich schon von der Landesregierung abgesegnet war, aber durch den Regierungswechsel jetzt wieder in Frage gestellt ist. „Es geht uns um die Menschen, die im Grunde alle Maßnahmen, die es gibt, durchlaufen haben und trotzdem weiterhin ohne Arbeit sind“, erklärt Frank Baranowski. „Diese Menschen müssen jetzt entweder bis zur Rente von Hartz IV leben oder wir schaffen einen sozialen Arbeitsmarkt für sie, so dass sie zumindest etwas Sinnstiftendes tun können.“ Doch das sieht der neue zuständige Minister Laumann anders. „Ich werde nicht aufgeben zu erklären, warum es auch für die Menschenwürde dieser Gelsenkirchener wichtig ist, dass sie diese Chance bekommen und weiter darum werben, dass wir die dafür vorgesehenen Mittel bekommen“, verspricht der Oberbürgermeister, der übrigens ein bekennender Gesamt-Gelsenkirchener ist und nichts von der imaginären Kanal-Grenze hält. „Ich gehe unglaublich gern auf dem Buerschen Wochenmarkt einkaufen, wohne zufrieden in Horst und freue mich, wenn ich nach 15 Minuten Fahrt meinen Arbeitsplatz in Gelsenkirchen erreicht habe“, lächelt er. Und auch weil er den Buerschen Wochenmarkt als Einkaufsmöglichkeit schätzt, ist ihm wichtig, dass die Markthalle, die einst gebaut wurde, um diesen Markt positiv zu stärken, genau diese Funktion wieder erfüllen kann. „Wir sind in Gesprächen mit dem Eigentümer, haben aber Vertraulichkeit vereinbart“, berichtet der Oberbürgermeister. „Das sind keine einfachen Gespräche, aber es ist ja auch keine einfache Aufgabe.“

Stadtentwicklung: Heinrich-König-Platz und Bochumer Straße

Trotz aller Probleme gibt es auch Positives zu berichten. „Aber natürlich! Da ist zum Beispiel der Heinrich-König-Platz, der wieder genutzt werden kann. Der Feierabendmarkt kommt hervorragend an, also war es die richtige Entscheidung damals, das Loch am Heinrich-König-Platz zu schließen“, findet Frank Baranowski. „Und auch auf der Bochumer Straße sind wir einen großen Schritt weiter: Wir konnten inzwischen 28 Objekte erwerben, fünf wurden abgerissen, fünf renoviert, in zwei Häusern leben bereits Studenten und ein neues Start-Up-Unternehmen macht sich dort auf den Weg. Auch die Renovierung der Heilig-Kreuz-Kirche beginnt bald. Außerdem konnten wir eine weitere Schlüsselimmobilie erwerben, so dass dort bald richtig sichtbar wird, was sich verändert.“ Zu erwähnen sei auch der Stadtteilpark auf dem ehemaligen Kokereigelände in Hassel, die Nachnutzung der Zeche Westerholt oder die baulichen Verbesserungen, die man dank Finanzspritzen von Bund und Land für Kitas und offene Ganztagsgrundschulen anbieten kann. „Die Schulen, die mitmachen wollen, können das Ende der Kreidezeit einläuten“, schmunzelt der gelernte Lehrer über die technischen Neuerungen, die das „Tafel wischen“ vom Stundenplan streichen. Nicht zu vergessen die positive Entwicklung im Gewerbegebiet „Schalker Verein“. „Die Fläche füllt sich Stück für Stück mit Unternehmen und damit auch mit neuen Arbeitsplätzen.“

Vorfreude aufs Theaterfest

Wenn das städtische Leben nach den Sommerferien weitergeht, dann freut er sich aufs Theaterfest, auf ein spannendes Musiktheater-Programm mit dem Musical „Jesus Christ Superstar“ zum Beispiel. „Dass Schalke einen starken Saisonauftakt gezeigt hat, lässt natürlich auch hoffen“, sagt er, der im Hans-Sachs-Haus nicht nur über eine Dachterrasse verfügt, sondern auch über einen Rathausbalkon...
Für die Bundestagswahl wünscht er sich eine hohe Wahlbeteiligung und ein Ergebnis, dass eine Bundesregierung hervorbringt, die sich dem Thema Städte und Gemeinden noch stärker als bisher widmet - vor allem was auskömmliche Finanzierung angeht. Dass der türkische Präsident Erdogan Wahlempfehlungen abgibt, findet Frank Baranowski unangemessen. „Empfehlungen an deutsche Staatsbürger abzugeben, das steht ihm nicht zu.“ Die Nähe zur türkischen Politik von Menschen, die schon hier geboren sind, sei für ihn persönlich irritierend. „Sicher ist auch, hier ist Integration nicht optimal gelaufen. Da müssen wir mit Hochdruck dran arbeiten“ Und er hat für jeden Verständnis, der die Warnung des Bundesaußenministers ernst nimmt und derzeit nicht in die Türkei fährt.
Im Gespräch zu bleiben, ist auch bei diesem Thema eine gute Idee, genau wie beim „Sozialen Arbeitsmarkt“, der Frage der personellen Ausstattung der Bundespolizei am Hauptbahnhof oder der auskömmlichen Finanzierung der Städte durch Bund und Land. Das ist etwas, das Oberbürgermeister Frank Baranowski antreibt, der die Probleme seiner Stadt klar sieht, aber auch das Positive, das bereits geleistet wurde und geleistet wird, dabei nicht vergisst.

Autor:

Silke Heidenblut aus Essen

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