"Stellen anzeigen" zeigt die Beziehung zur Arbeit - hier: Talent – Begabung

Wir von der Initiative „Stellen anzeigen“ haben bei unserer letzten Veranstaltung in der Flora die Beziehung zu Existenz, Talent, Menschenbild und Ehrenamt diskutiert. Da jedes einzelne Thema so tiefgreifend ist, werden wir in vier Teilen über die einzelnen Beziehungen berichten, gerade so, wie wir inhaltlich voran kamen. Uns wurde bewusst, dass eine differenzierte Betrachtung der Arbeit uns noch viel Arbeit bereiten wird.

Text von Rainer Kleinau zum Thema: Talent – Begabung

Das Wort "Talent" stammt vom griechischen Wort talanton für Waage / Gewicht ab.
Der Übergang zur Begabung stammt erst aus dem neuen Testament. Hier findet sich bei Matthäus und Lukas jeweils ein Gleichnis vom anvertrauten Talent. In dem Gleichnis werden Knechten 10 Talente Silber anvertraut, um damit Handel zu treiben. Nach einem Jahr kommen die Knechte zurück und haben unterschiedlich guten Erfolg gehabt. Alle bis auf einen kehren mit Gewinnen zurück. Der Knecht ohne Gewinn hatte Angst ausgeraubt zu werden und hat das Silber vergraben. Dadurch hatte dieser Knecht nichts aus seinen Talenten gemacht.

Das Talent als Gewicht gab es schon in Mesopotamien, war aber je nach Kultur immer unterschiedlich beziffert. Beispielsweise wog in Mesopotamien das Talent 30 Kg und in Babylon 60,6 Kg. Egal welches Maß man also anwendet, 10 anvertraute Talente wogen schwer an Vertrauen und Möglichkeiten.

Erst aus den Übersetzungen der Vulgata Bibel aus dem Lateinisch ins Englische, Französische und später ins Deutsche erfolgte auch ein Einzug in den jeweiligen Sprachgebrauch und damit die Umdeutung in Begabung. Der geschickte Umgang mit Geld wurde nur als Beispiel gesehen und der Christ sollte seine Begabung gut einsetzen, da sie ihm von Gott gegeben sind.

Was beschreibt eher Talent, Leistung (z. B. Gewinn), oder Begabung (etwas besonders gut machen können)? Diese Diskussion ist mir von zu viel Rationalismus begleitet, da Erfolg im Handel immer auch mit speziellen Begabungen verbunden ist. Jemand, der mit Zahlen nicht umgehen kann und auch Probleme hat seinen „Gegenüber“ einzuschätzen, wird im Verkauf nicht besonders erfolgreich sein. Es bleibt also, etwas genauer hin zu schauen, welches Talent jemand bei welcher Aufgabe hilft.

Im Umgang mit Talenten in unserer Gesellschaft liegt in meinen Augen ein großes Problem. Nicht alle Talente werden nämlich gleich geschätzt und honoriert. Talente, die mehr Geld für die Firma bringen, sind so auch gesellschaftlich höher angesehen. Warum? Es ist klar, dass eine Firma danach bezahlt, aber warum macht die Gesellschaft da gleich eine Wertung raus? Menschen mit einem Talent im Umgang mit Kindern sind extrem wichtig für die Gesellschaft, haben aber kein besonders hohes Ansehen in der Gesellschaft, weil sie augenscheinlich kein direktes Geld erwirtschaften. Was geschieht dann erst mit Menschen, deren Talent nicht direkt für alle als nützlich eingestuft wird? Zum Beispiel Künstler. In einer Diskussion über das Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) hörte ich einst: „Wie viele Künstler brauchen wir denn noch?" Da frage ich mich, was soll aus unserer Gesellschaft werden, wenn es nur noch Lebewesen mit Talenten gibt, die direkt und unmittelbar der Gesellschaft Geld bringen?

Nun habe ich ein paar Punkte zusammengefasst, in denen ich Talente genauer betrachten möchte. Die Auswahl erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Talent und Arbeit

Dies Thema wird immer wichtiger, meint aber natürlich nur den besseren Einsatz des Personals. In Firmen nennt man dies „Talentmanagement“ und rückt bei Weiterbildungen immer mehr in den Fokus. Vor ein paar Jahren lag der Fokus noch auf der Entwicklung von Soft Skills bei Managern, damit sie besser leiten können. Nun hat man erkannt, dass der häufigste Kündigungsgrund folgender ist: Mitarbeiter fangen bei einer Firma an, aber kündigen wegen einem Vorgesetzten. Daher soll nun Versuch werden, Mitarbeiter unter Berücksichtigung Ihrer Talente einzusetzen und diese Talente als Stärke zu nutzen. Dies gilt natürlich auch für die Talente der Personalführung.

Talente erkennen und Talente entwickeln ist also das Zeichen der Zeit, und wir sollten die Vielfalt an Talenten erkennen und nutzen. Mitarbeiter, die nach ihren Talenten eingesetzt werden, sind produktiver und gesünder, da sie sich leichter tun, wenn sie ihren Talenten folgen. Dies steigert auch den Selbstwert. Spezielle Talente können im Beruf auch bestimmte Gruppenprozesse unterstützen, oder das Betriebsklima steigern und sind so erst in zweiter Hinsicht gut für die Firma. Zum Beispiel die „Gute Seele des Betriebs“ ist meist eine Person, die bestimmte Funktionen im Betrieb übernehmen, die gut für das Arbeitsklima sind. Kann man so ein Talent für Gruppendynamiken zulassen ist das gut für ein Unternehmen. Denn so etwas merken und schätzen die anderen Mitarbeiter und kommen gerne zur Arbeit. Mitarbeiter mit solchen Talenten sind meist nicht im ersten Augenblick wichtig für den Umsatz, doch für das Betriebsklima schon.

Talent und Freizeit

Häufig wird Talent im Freizeitbereich gesehen, manchmal sogar mit traurigen Begleitsätzen wie: „Wenn ich erst in der Rente bin“, oder „Dafür habe ich keine Zeit mehr seit…“

Hier ein Plädoyer von mir: Macht so was nicht! Was wäre der Menschheit schon entgangen, wenn sich das jeder gesagt hätte?

Talent und Diskriminierung?

Bei Fehldeutung für spezielle Talente, oder wenn Talente falsch einsetzen werden, ist eine Verurteilung klar. Zum Beispiel, wenn jemand gut und geschickt mit seine Fingern umgehen kann und dies für Taschendiebstahl nutzt, wird dies verurteilt. Aber es gab auch Zeiten, da sind Menschen für Ihr Talent im Umgang mit Heilpflanzen verfolgt worden. So etwas darf natürlich nicht geschehen. Daher ist es wichtig Talente zu erkennen, sie zu fördern und richtig einzusetzen. Dann kommt auch etwas positives für die Gesellschaft zurück, nicht immer im gleichen Moment, aber irgend wann schon!

Talent und Gleichberechtigung

Nicht die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ist hier gemeint, sondern die Gleichberechtigung zwischen den direkt in Geld umzusetzende Talenten und den Talenten die eventuell nicht direkt Geld bringen. Ein Lauftalent läuft auch nicht direkt unter 10 Sekunden auf 100 Meter. Jedem kann sein Talent wichtig sein und daher sollte man anfangen diese Unterschiede zwischen uns zu akzeptieren und zu tolerieren. Man sollte keine Hemmnisse aufbauen und gespannt sein, in welche Richtung die Entwicklung geht! Dies gilt im Übrigen auch für die eigenen Talente.

Talent und Selbstbildnis

Es fällt uns meist leichter Talent bei anderen zu erkennen, wenn es nicht wirklich augenscheinlich ist. Warum das so ist, das ist wirklich eine gute Frage. Möchten wir nicht in irgendetwas gut und vor allem besser sein? Aber meist haben wir Probleme, uns damit selbst in den „Vordergrund“ zu spielen. Ich hoffe, jeden Leser davon überzeugt zu haben, mal auf seine eigenen Stärken zu schauen. Häufig muss man gar nicht lange darüber nachdenken, um auf die ersten Anzeichen zu stoßen: „Ach das mache ich eigentlich ganz gerne und darin bin ich gut!“

Wird ein Talent von einem anderen belächelt, liegt das meist daran, dass der Andere dies nicht kann, oder deren Wert nicht erkennt. Dies sollte uns aber auf keinen Fall davon abhalten zu unseren Talenten zu stehen.

Talente und deren Kategorien bei Wikipedia:

Kognitive Begabungen
- Intelligenz: Hochbegabung
- Gedächtnis: Photographisches Gedächtnis
- Mathematik: Verständnis logischer Zusammenhänge; siehe auch logisches Denken, Logik, Mathematisches Verständnis, mathematischer Blick
- Informatik
- Intuition, EQ

Musik, Sprache, Unterhaltung
- Sprachgefühl
- Kunst, musische Begabung
- Entertainment

Bewegungskoordination
- Sport
- Handwerk
- Geschicklichkeit, Reaktionsvermögen

Organisationstalent
- Organisation: (militärische) Führung, Management, Marketing, Politik

Bei unserem Gesprächsabend stellte ich folgende Frage, um eine Diskussion über Talente zu beginnen:

„Was wäre Deine Aufgabe in einem Dorf im Mittelalter?“

Mittelalter nicht wegen der damals herrschenden Geschlechterrollen, sondern um die Talente ohne technisierte Umwelt zu begreifen.

Nun übernehme wieder ich (Sandra Stoffers) die Zusammenfassung des Abends zu diesem Thema:

Bei der Beantwortung dieser Frage kam Erstaunliches heraus. So antwortete ein Teilnehmer, er wäre gerne Barbier gewesen. Denn im Mittelalter waren sie nicht nur für die Körperbehaarung zuständig. Sie waren auch der Heilkunde zugewandt und behandelten Wunden, Knochenbrüche und zogen sogar Zähne. Ein Berufsstand, der zwar nicht wirklich als ehrenhaft angesehen wurde, gebraucht wurde er allemal. Und man war nie alleine, die Menschen kamen zu einem, erzählten Geschichten und man wusste, was im Dorf passierte. Findet hier eine Beziehung zur Integration und „dazugehören“ statt? Steckt in diesem Talent der Wunsch nach sozialer Interaktion?

„Streitmacht“, hörten wir einen Teilnehmer sagen. Es gab auch verdutzte Blicke in der Runde. Man müsse das Dorf sichern und aufpassen, dass man nicht überfallen würde. Abgesehen davon, dass die Frage dahingehend war, was man gerne getan hätte, wurde hier das Ziel und die Wichtigkeit in den Vordergrund gestellt. Findet hier eine Beziehung zur Sinnhaftigkeit eines Talentes statt? Ist Abschottung und Sichern das Talent, was man sich im Mittelalter wünscht?

Eine Dame in der Runde hätte sich gerne organisatorischen Aufgaben gewidmet. Es erstaunte uns nicht, da gerade den Frauen ein organisatorisches Talent nachgesagt wird. Eigentlich ist diese Frauen-Männer-Diskussion mühselig, aber die Strukturfindung innerhalb einer Organisationseinheit war bereits in der frühesten Geschichte Aufgabe der Frau.

Ein weiterer Teilnehmer sähe sich gerne als Gammler. Zunächst dachte ich an faulenzen, herumhängen, etc. Aber nein, so stimmt auch mein erster Eindruck zu diesem Talent nicht. Schaut man bei Wikipedia so liest man:

„Gammler ist eine abwertende Bezeichnung, die sowohl in der alten Bundesrepublik wie auch in der DDR für jugendliche Anhänger der Rockmusik verwendet wurde, die meist lange Haare trugen sowie mit Jeans und Parka bekleidet waren. Vielfach wurden vor allem in den 1960er und frühen 1970er Jahren in Medien, aber auch im Staatswesen, Jugendliche oder junge Erwachsene, die den damaligen jugendlichen Subkulturen angehörten, so bezeichnet.“

Bereits im Vorfeld wurde uns durch diesen Teilnehmer eine Affinität zu entsprechender Musik mitgeteilt. Also liegt die Wahrheit in der Aussage, Gammler sein zu wollen, nicht wirklich dort, wo man sie als erstes vermutet. Denn laut Duden bedeutet gammeln „alt werden“, was wiederum eine positive Beziehung zur Arbeit darstellen könnte, wenn dieses Talent weitergedacht werden würde.

Eine weitere Dame wäre gerne Kämmerer gewesen. Ihre Neigung auch im jetzigen Leben läge im Umgang mit Zahlen. Gestern wie heute hat die Dame eine Beziehung zu ihrem Talent und kennt es auch.

Es war eine durch und durch interessante Gesprächsrunde. In Kürze wird ein weiterer Teil unseres Themenabends veröffentlicht werden.

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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