Der Gelsenkirchener Weg

Der Austauschtag wurde auch wirklich zum Austausch genutzt. Dazu trafen sich die Teilnehmer immer wieder auch abseits ihrer Arbeitsgruppen im Plenum und vertieften die Themen in kleiner und mitunter auch neuer Runde. Foto: Privat
  • Der Austauschtag wurde auch wirklich zum Austausch genutzt. Dazu trafen sich die Teilnehmer immer wieder auch abseits ihrer Arbeitsgruppen im Plenum und vertieften die Themen in kleiner und mitunter auch neuer Runde. Foto: Privat
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Gelsenkirchen ist auf einem guten Weg, das war das Fazit des Austauschtages zu dem der Arbeitskreis Inklusion Vertreter der Gelsenkirchener Schulen eingeladen hatte. Rund 120 waren der Einladung in den Wissenschaftspark gefolgt.

Schulische Inklusion ist ein langer Prozess

Die Umsetzung der schulischen Inklusion ist ein langwieriger, aber auch ein spannender Prozess für alle Beteiligten. Er wirft Probleme auf, sorgt für Diskussionen und bündelt Kräfte, aber er beschert den Schulen auch Zustimmung, die unter anderem messbar sind an deren Anmeldezahlen.
„Der Startschuss für das inklusive Bildungssystem fiel in Gelsenkirchen am 1. April 2011 mit der zweiten Gelsenkirchener Bildungskonferenz. Seit dem Schuljahr 2012/13 wird hier im Rahmen des ‚Gelsenkirchener Wegs‘ an der Umsetzung der schulischen Inklusion gearbeitet. Vor etwa zwei Jahren hat Staatssekretär Ludwig Hecke vom Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes NRW die Umsetzung der Inklusion in den Schulen als Generationsaufgabe bezeichnet und der heutige Austauschtag hat uns gezeigt, dass Gelsenkirchen seinen anderen hinzu kommenden Problemen zum Trotz auf einem guten Weg ist. Und das vor allem dank eines regen und immerwährenden Austausches unter den Beteiligten“, resümierte Stadtdirektor Dr. Manfred Beck die Veranstaltung. Er dankte auch im Namen von Oberbürgermeister Frank Baranowski allen Pädagogen für ihre gute Arbeit.

Zuwanderung als zusätzliche Erschwernis

Als erschwerende Probleme auf dem Weg zur Inklusion sieht Beck die Tatsache, dass Gelsenkirchen in den letzten drei Jahren die höchste Zuwanderungsquote aller Kommunen zu verzeichnen hatte. Das spiegelt sich auch wieder in der hohen Zahl an internationalen Förderklassen, die es in Gelsenkirchen gibt.
Schulamtsdirektor Bernhard Südholt vertrat die Schulaufsicht bei dem Austauschtag und erklärte: „Die Vorgehensweise des ‚Gelsenkirchener Weges‘ ist im Regierungsbezirk Münster bekannt und das Zusammenspiel der modellhaften Zentren, die sich hier miteinander austauschen, hat Vorbildcharakter. Dabei darf man nicht außer Acht lassen, dass ein Umbauprozess in einem solchen Ausmaß auch immer zu Problemen führt. Das schöne daran ist aber, dass es auch Zustimmung gibt.Denn wir reden hier von einer radikalen Veränderung der Schullandschaft.“

Nach dem "ob" geht es um das "wie"

Der Schulamtsdirektor betonte, dass der Austauschtag bewiesen habe, dass man in Gelsenkirchen wieder einen Schritt weiter gekommen ist, weil sich nicht mehr die Frage nach dem ‚ob‘, sondern bereits die nach dem ‚wie‘ stellt. Das bedeutet, dass die Diskussion zwischen den Beteiligten nun um die fachliche Auseinandersetzung geht. Und damit darum, was in der Schule getan werden muss, um Kindern mit und ohne besonderem Förderungsbedarf gerecht zu werden.
Wichtig ist Südholt dabei, dass der Prozess sich immer am Wohle der Kinder orientiert und dabei strukturiert erfolgt. „Das ist nicht immer einfach für die Beteiligten, das wissen wir“, betonte Südholt.

Inklusion auf viele Schultern verteilt

Der Gelsenkirchener Weg zeichnet sich dadurch aus, dass die Steuergruppe Inklusion ein breites Netzwerk darstellt. Darin vereint sind die Schulaufsicht, Inklusionskoordinatoren, Inklusionsfachberater, Kompetenzteam Gelsenkirchen mit Inklusionsmoderatoren, Regionale Schulberatungsstelle, Schulträger und Kommunales Bildungsbüro. So kommen alle Informationen auch einem breiten Feld von Beteiligten zu und der Prozess gewinnt deutlich an Transparenz. „Die meisten Irritationen entstehen durch mangelnde Information, dem wird auf dem Gelsenkirchener Weg vorgebeugt“, erklärte Bernhard Südholt.
Doerte Kubessa ist im Bereich Lehrerfortbildung im Kompetenzteam der Stadt Gelsenkirchen und sie stufte den Tag aus Sicht der Steuerungsgruppe ein „als Meilenstein auf dem Weg zum inklusiven Lernen. Wir haben jetzt alle lange an Konzepten gearbeitet, jetzt war dieser Austauschtag nötig, um auch Ideen aus der Praxis mit einbeziehen zu können. Das gibt uns neuen Input.“

Inklusion in der Grundschule

Der Schulleiter der Gemeinschaftsgrundschule an der Erzbahn, Fridtjof Unger, gab zu: „Ich war anfangs skeptisch. Wir waren die erste Grundschule mit gemeinsamem Unterricht, dabei haben wir festgestellt, dass sich jede Schule in dieser Umstellung weiter entwickeln muss.“ Den Austauschtag bewertete Unger sehr positiv: „Es wurden auch Kritikpunkte diskutiert, denn das gehört zum Austausch dazu und das kann am Ende auch auf das eigene Schulleben einwirken. In Gelsenkirchen finde ich es sehr gut, dass hier auf allen beteiligten Ebenen gemeinsam gearbeitet wird.“
„Man muss mit dem Herzen dabei sein und wollen, dass Kinder mit besonderem Förderbedarf beim gemeinsamen lernen klar kommen“, fand Robert Pescht, der Schulleiter der Gesamtschule Horst klare Worte zur Umsetzung des inklusiven Lernens an weiterführenden Schulen.

Und auch in der weiterführenden Schule

Die Gesamtschule Horst hat mit schwierigsten räumlichen Bedingungen zu kämpfen, weil die Anmeldezahlen jedes Schuljahr aufs Neue dafür sorgen, dass sechs 5. Klassen eingerichtet werden müssen. Trotzdem müssen immer noch Schüler abgelehnt werden, weil mehr einfach nicht angenommen werden können. Das beweist die hohe Akzeptanz der Schule bei Eltern und Schülern und bestätigt die gute Arbeit.
Einen Vorteil sieht Pescht in der Tatsache, dass es an der Gesamtschule Horst bereits erprobte Konzepte gibt, auf die bei der Inklusion zurückgegriffen werden kann. Denn die Schule versucht schon seit langem Kinder gut einzugliedern, die an Lese-Rechtschreib-Schwäche oder einer Matheschwäche leiden, die Deutsch als Zweitsprache haben, eine internationale Förderklasse besuchen und nun auch Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf. Robert Pescht vertritt eine klare These: „Eine Schule ist dann gut, wenn an ihr Heterogenität gelebt wird. Und da liegt unsere Stärke. Darum sind wir über das ‚ob‘ schon lange hinaus.“

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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