Was ist typisch deutsch?

Die Schüer der Internationalen Förderklassen bilden gemeinsam mit ihren „Betreuern“ ein Team und am Ende winkt zwar kein Sieg in einem Fußballspiel, aber ein Film, der deutlich macht, dass Rassismus weder auf dem Fußballplatz noch in unserer Stadt etwas zu suchen hat. Foto: Gerd Kaemper
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  • Die Schüer der Internationalen Förderklassen bilden gemeinsam mit ihren „Betreuern“ ein Team und am Ende winkt zwar kein Sieg in einem Fußballspiel, aber ein Film, der deutlich macht, dass Rassismus weder auf dem Fußballplatz noch in unserer Stadt etwas zu suchen hat. Foto: Gerd Kaemper
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Einen ganz anderen Fußballfilm entwickelt derzeit ein Team von Schülern aus den internationalen Förderklassen des Eduard-Spranger-Berufskollegs. Die „Mannschaft“ von Lehrerin Simone Hagenow-Schneider geht dabei der Frage nach dem Rassismus im Fußball nach.

Auf dem Platz ist okay, aber nicht in der Nachbarschaft

Was auf den ersten Blick paradox erscheint, entspricht im realen Leben doch der Wahrheit. Denn auch wenn zum Beispiel im Profikader des FC Schalke 04 „nur“ ein gutes Drittel der Spieler einen deutschen Pass haben, jubeln ihnen Woche für Woche zigtausende Fans auf dem Platz und einige Millionen am Fernseher zu. Und doch gibt es rassistische Aussagen im Umfeld des Fußballs, der Deutschen liebsten Spiels.
So sorgte vor gar nicht langer Zeit eine Aussage des stellvertretenden AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland für Aufregung, als er erklärte, den Fußballspieler Jerome Boateng würden die Leute gut finden, als Nachbarn wollen sie ihn aber nicht haben.
Das brachte die Schalker Fan-Initiative auf die Idee gemeinsam mit dem Eduard-Spranger-Berufskolleg und dem DGB-Haus der Jugend als lokales Bündnis für Bildung ein Projekt zu initiieren, das durch das Bundesprogramm "Kultur macht stark" gefördert wird.
Mit im Boot ist auch der FC Schalke 04, der dem „Team“ das Drehen in der Veltins-Arena ermöglichen wird, einen Trikot-Satz zur Verfügung stellt und ihm die Gelegenheit gibt eine Gastrolle in einem Schalker Nachwuchsteam zu spielen.
„Wenn alles klappt, wie wir hoffen, dann wird Gerald Asamoah diese fiktive Mannschaft für den Film trainieren“, freut sich Sven Schneider von der Fan-Ini.
Initiiert wurde das Projekt durch Lehrerin Simone Hagenow-Schneider, die die ausführenden Profis schon einmal an einem Kolleg in Dortmund erlebt hatte. Bei Schulleiter Manfred Abstiens stieß sie offene Türen ein: „Ich freue mich sehr über die Realisierung des Projektes.“
Professionelle Anleitungen erhalten die Schüler von Filmemacherin Ulrike Korbach, Theaterpädagogin und Regisseurin Charlotte Zilm sowie Musiker Marcus Scheltinga. Außerdem wird das ganze Projekt wissenschaftlich begleitet von Nina Ratering, die es zum Thema ihrer Masterarbeit erhoben hat. Am Ende soll ein Kurzfilm herauskommen unter dem Titel „Dem Ball is egal, wer ihn filmt“, in Anlehnung an den Leitspruch der Schalker Fan-Ini „Dem Ball is egal, wer ihn tritt“. Dazu ist eine richtige Premiere geplant mit Party und allem, was dazu gehört.
Bis dahin liegt noch eine Menge Arbeit vor den Schülern aus aller Herren Länder, denn sie stammen aus Afghanistan, Albanien, Bosnien, Griechenland, Nigeria, Philippinen, Syrien... und präsentieren sich damit so bunt wie die meisten Fußballbundesliga-Mannschaften, aber auch die Stadt Gelsenkirchen.
Vor allem in den Sommerferien findet der Dreh statt. Doch schon jetzt sind die Schüler fleißig bei der Arbeit, denn sie entwickeln nicht nur die Geschichte, die sie erzählen wollen, sondern sind auch mit der Kamera unterwegs, betätigen sich als Interviewer, führen Regie, sorgen für den passenden Ton und die richtigen Schnitte, damit am Ende ein professioneller Film herauskommt.
Charlotte Zilm vermittelt den Schülern immer wieder, dass sie ein Team sind, also ein Fußball-Team. Sie haben feste Positionen auf dem Platz und wissen, dass sie gemeinsam für den Sieg antreten, egal ob als Verteidiger oder auch Angreifer. Und natürlich gehört das Aufwärmen dazu, ehe es ins Spiel, in diesem Fall die weitere Planung rund um das Projekt, geht.
In der Schule trägt Lehrerin Hagenow-Schneider ihren Teil bei, indem sie mit den Schülern Fragen für eine Umfrage in der Gelsenkirchener City entwickelte, bei denen es darum ging, was typisch deutsch ist, warum auch Menschen mit ausländischen Wurzeln gern hier leben oder wie man möglichst schnell Deutscher werden kann.
Interessant sind die Ergebnisse der Umfrage. Als typisch deutsch wurden zum Beispiel genannt: Pünktlichkeit, die Liebe zu Autos, Aldi, Bier, Fußball oder auch Schnitzel mit Bratkartoffeln und Spiegelei.
Und beim Durchsehen der Aufnahmen fällt Ulrike Korbach direkt auf, dass man sich Szeneninfos aufschreiben muss: „Schau mal: Du trägst bei dieser Aufnahme ein anderes Trikot als in der Aufnahme davor. Wir wissen, dass die Filmsequenzen an unterschiedlichen Tagen aufgenommen wurde, aber der Zuschauer darf das nicht merken. Darum müsste immer jemand festhalten, welches Kostüm, welcher Hintergrund, welcher Text und auch welche Frisur in der letzten Szene zu sehen waren.“
Schulleiter Manfred Abstiens ist schwer beeindruckt: „Ich finde das ganz toll, wie ihr mit dem Mikro auf die Menschen zu geht! Der größte Teil der Gelsenkirchener akzeptiert Menschen aus anderen Herkunftsländern, denn die wenigsten hier haben über Generationen eine deutsche Herkunft. Wenn dann in einem Interview ein Bürger mit ausländischen Wurzeln sagt, dass er an Deutschland die Sicherheit schätzt, denn ist das für mich ein Zeichen dafür, dass sich die Zugereisten auf unsere Demokratie einlassen, weil sie sie schätzen.“
Und wenn dann Calvin aus Nigeria in einer Filmsequenz in richtig gutem Deutsch loslegt „ich bin Fußballer in einer Nachwuchsmannschaft des FC Schalke 04 und hätte ein paar Fragen an Sie...“ und sich mit den Worten „...vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen“ bedankt, dann schlägt das Herz der Deutschen und Gelsenkirchener, deren Vorfahren ebenfalls einmal als Zugereiste nach Gelsenkirchen kamen, gleich ein paar Takte schneller.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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