Die letzten Deutschen Es war im Jahre 2030.. .

Ich wurde wach vom Ruf des Muezzins, der über Lautsprecher von der

benachbarten Moschee in mein Ohr drang. Ich hatte mich längst daran gewöhnt.

Früher war sie mal eine Kirche gewesen, aber sie war schon vor vielen Jahren

zur Moschee umfunktioniert worden, nachdem es der islamischen Gemeinde in

unserem Viertel in ihrer alten Moschee zu eng wurde.

Die wenigen verbliebenen Christen hatten keinen Einspruch gewagt.

Unser türkischer Bürgermeister, Herr Mehmezal meinte, es sei längst an der

Zeit, der einzig wahren Religion mehr Platz zu schaffen.

Die wenigen Deutschen die noch in unserer Gegend wohnen, schicken ihre

Kinder alle in die Koranschule, damit sie es leichter haben sich zu

integrieren. In den Schulen wird in Türkisch unterrichtet, auch in Arabisch,

je nach der Mehrheit. Die wenigen deutschen Kinder müssen sich eben

anpassen; Kinder haben ja wenig Mühe mit dem Erlernen von Fremdsprachen.

Alex, unser 10-jähriger, spricht zu Hause meist gebrochen Deutsch, fällt

aber immer wieder ins Türkische; da wir das nicht können, schämen wir uns.

Alex ist das einzige Kind mit deutschen Eltern in seiner Klasse, er

versucht sich so gut er kann anzupassen.

Ich will die Nachrichten im Radio einschalten, finde aber erst nach langem

Suchen einen deutschsprachigen Sender. Seit die Frequenzen nach dem

Bevölkerungsanteil vergeben werden, müssen wir uns eben umstellen.

Der Sprecher sagt, dass auf Druck der fundamentalistischen Partei des

einzig richtigen Weges' im Bundestag ein Kopftuchzwang für alle Frauen

eingeführt wird. Meine Frau trägt auch eins, um weniger aufzufallen; sie

wird jetzt nicht mehr sofort als Deutsche erkannt und freundlicher

behandelt.

Außerdem soll auf einstimmigen Beschluss ein 'Tag der deutschen

Schande' eingeführt werden, der an die Intoleranz der

Deutschen erinnern soll, insbesondere an die Ausländerfeindlichkeit. Ich

sehe aus dem Fenster auf die Strasse. Die Barrikaden sind noch nicht

weggeräumt und rauchen noch; aber die Müllabfuhr ist schon am

Aufräumen. Gestern hatten sich serbische und kroatische Jugendliche in

unserer Strasse eine Schlacht geliefert - oder waren es türkische und

kurdische? Unsere Scheiben sind diesmal heil geblieben.

Meine Frau hat wieder Arbeit gefunden, in einem türkischen Restaurant, als

Aushilfe. Da Ausländer bei der Arbeitsvergabe vorrangig behandelt werden,

ist das ein großes Glück. Ich muss nicht mehr zum Arbeitsamt;

mein Berater, Herr Hassan Muftluft sagt, ich sei als Deutscher nicht mehr

vermittelbar und hat mir einen Sprachkurs in Aussicht gestellt. Ich habe

natürlich zugestimmt, so eine Chance bekommt man nicht alle Tage.

Mein Vermieter, Herr Ali Yueksel, erwähnte gestern beiläufig, dass er die

Wohnung einem seiner Brüder und dessen Familie versprochen habe und wir

sollten uns schon einmal nach etwas anderem umsehen. Auf meinen schüchternen

Einspruch hin meinte er nur, er habe gute Beziehungen zu den örtlichen

Behörden. Nun müssen wir also raus, aber besonders schwer fällt uns der

Abschied aus unserer Gemeinde nicht.

Wahrscheinlich werden wir, wie viele unserer alten Bekannten und Nachbarn,

in die anatolische Steppe auswandern. Die türkische Regierung hat dort allen

deutschsprachigen großzügigerweise ein Stück Land angeboten. Es ist eine Art

Reservat für uns, wir wären dort unter uns und könnten unsere Sprache und

Kultur pflegen. Diese Idee beschäftigt uns schon lange!

Aus einer an mich gesendeten Mail.

Autor:

Marlene (Lena) Scheuren aus Gevelsberg

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