Die „Schlägel und Eisen-Siedlung“ in Gladbeck – ein Fall für Geisterjäger?

Torhaus in die Eisenstraße
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Beliebtes Ausflugsziel momentan: Die verlassene „Schlägel und Eisen-Siedlung“ in Gladbeck-Zweckel. Seit gut 15 Jahren sich selbst überlassen, wächst die Zahl der Ruinen. Eine Immobilienfirma will sich nun der maroden Bausubstanz annehmen … es sei denn, die Geister der Vergangenheit machen ihr einen Strich durch die Rechnung. Denn angeblich spukt es in der ehemaligen Bergarbeitersiedlung.

Die Kolonie Zweckel

1908 wurde die Zeche Zweckel (damals unter dem Namen „Potsdam“) im Gladbecker Norden abgeteuft. Das Gebiet war zu der Zeit noch überwiegend landwirtschaftlich geprägt, bäuerliche Siedlungen bestimmten das Aussehen. Ab 1912 begann Zweckel nennenswerte Mengen zu fördern, bis 1914 standen große Teile der Zeche (Zechenhaus, Waschkaue, Pförtnerhaus, Maschinenhäuser, Werkstatt, Sieberei, Verladung).

Für die Belegschaft wurde die Zweckeler Kolonie erbaut, die bei Kriegsbeginn aus 572 Wohnungen bestand. Als größte Kolonie Gladbecks repräsentiert Zweckel den Typ der Gartenstadt. Schon Zeitgenossen bewunderte die Anlage mit ihren großzügigen Grünflächen, Baumbestand und abwechslungsreicher Architektur. Zusammen mit der erhaltenen Maschinenhalle der ehemaligen Zeche (heute u. a. Veranstaltungsort der Ruhrtriennale) ist die Zweckeler Kolonie Teil der Route der Industriekultur.

Die Siedlung „Schlägel und Eisen“

Die sogenannte „Schlägel und Eisen-Siedlung“ entlang der Bohnekampstraße wurde 1913 von einer privaten Gladbecker Baugesellschaft ins Leben gerufen. Es waren 600 Wohnungen geplant, deren Bau aber durch den 1. Weltkrieg nicht vollständig durchgeführt wurde. 1920 kaufte der Staat diese Wohnungen auf. Im selben Jahr errichtete die Stadt, die sich nach Kriegsende des Wohnungsbaus angenommen hatte, 30 Bergarbeiterwohnungen in der Bohnekampstraße. Insgesamt entstanden bis 1925 nicht nur 1054 stadteigene Wohnungen im Stadtgebiet, auch neue Straßen und Viertel erweiterten das Bild Gladbecks.

Die Häuser der Siedlung gruppieren sich entlang der Bohnekampstraße, Eisenstraße und Schlägelstraße und umfassen ein Rechteck mit nordwestlich abgerundetem Straßenverlauf (Schlägelstraße). Die Anlage der meist zweigeschossigen Putzbauten mit Walm- und Krüppelwalmdächern wirkt bewusst „malerisch“, der Torbogen zur Eisenstraße weckt Erinnerungen an heimelige Kleinstadtidylle. Ein gern benutzter motivischer Rückgriff auf die „gute alte Zeit“, der freilich im Gegensatz zur Realität der industriellen Arbeit stand. Im weiträumigen, nach Parzellen eingeteiltem Innenbereich befanden sich Gärten und Stallungen, hier wurden Hühner, Tauben, Kaninchen und Meerschweinchen gehalten. Auch diese kleinbäuerliche Lebensform war ein typisches Merkmal der Zechensiedlungen im Ruhgebiet.

Hunting Ghosts

Nachdem die Zeche Zweckel die Förderung 1963 eingestellt hatte, begann auch in Gladbeck das Zechensterben. Der jetzige Zustand der „Schlägel und Eisen-Siedlung“ geht auf eine rund 15 Jahre andauernde Abwanderung und Vernachlässigung zurück; die letzten beiden Mieter verließen im Januar 2013 ihre Wohnungen. Durch die Berichterstattung der lokalen Medien („der gruseligste Ort des Ruhrgebiets“, WAZ, 20.3.2013 und „Geistersiedlung“, WAZ, 30.12.2012) in ein entsprechendes Licht gerückt, macht sich ein regelrechter Tourismus bemerkbar. Neben landläufig Neugierigen sind es Abenteuerlustige und selbsternannte Geisterjäger, deren Erwartungen sich an die Ruinen knüpfen. Bereits seit 2012 ist die Siedlung Thema auf <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.allmystery.de/themen/ue83430">allmystery</a>, dem dienstältesten Internet-Forum für Übersinnliches. Durch die Bewegungen der letzten Zeit dürfte sich das Interesse an dem Ort noch steigern.

Am 24.1.2013 verkündet die WAZ, dass Kwates Immobilien „Schlägel und Eisen“ gekauft hat (bisheriger Eigentümer: die Duisburger Baugesellschaft Akimo). Die ambitioniert auftretende Firma aus Marl plant, die insgesamt 29 Häuser mit 146 Wohnungen zu sanieren und umzuwandeln. Zwei Häuser (Schlägelstraße 10 und 12) sollen abgerissen werden. Vorerst muss für die bestehenden Häuser das Wohnrecht neu beantragt werden, da nach dem langen Leerstand zu prüfen ist, ob sich die Bausubstanz überhaupt noch als Wohnraum eignet. Welche baulichen Maßnahmen auch immer getroffen werden, – das Gesicht der „Schlägel und Eisen-Siedlung“ wird sich verändern. Doch bis es soweit ist, können die Gespensterjäger weiter ihren Dienst in den unheimlichen Gemäuern verrichten …

Tip: Karte der Siedlung auf <a target="_blank" rel="nofollow" href="https://maps.google.de/maps/ms?msid=212488927140075894451.0004d896f184ff2ff8fca&msa=0">Google Maps</a>

Autor:

Axel Weiß aus Duisburg

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