Ein Nachmittag auf Sohle 7: Über eine Grubenfahrt auf "Prosper-Haniel"

Endlich wieder Tageslicht: Die unveränderte Farbe der Arbeitskleidung weist die Zurückgekehrten einwandfrei als Gäste aus, die nicht eine Minute arbeiten mussten. Anstrengend war die Grubenfahrt trotzdem. | Foto: Eraslan Kocabey
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  • Endlich wieder Tageslicht: Die unveränderte Farbe der Arbeitskleidung weist die Zurückgekehrten einwandfrei als Gäste aus, die nicht eine Minute arbeiten mussten. Anstrengend war die Grubenfahrt trotzdem.
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„Im Falle eines Kohlebrandes“, erklärt unser Bergführer Uwe Kopath seelenruhig, „nehmt ihr euren Atemschutzfilter aus dem Gürtel. Ein Atemzug Kohlenmonoxyd kann schon tödlich sein, darum bitte auch nicht durch die Nase atmen.“ Der Bergmann erklärt der Besuchergruppe noch einige Verhaltensregeln, die unter Tage zu befolgen sind. In wenigen Minuten würden wir uns knappe 1.200 Meter unter der Erde befinden: Sohle 7 - ein kleines Abenteuer für jeden Gast, Alltag für die Kumpel des Bergwerks „Prosper-Haniel“ in Bottrop.

Einfach zu sagen, dass der Bergbau im Ruhrgebiet eine lange Tradition hat, wird der Sache nicht gerecht. Neben der wirtschaftlichen Bedeutung, die der Kohle- und Stahlindustrie in der Region zukam, ist auch Zusammensetzung der Gesellschaft nicht zuletzt durch kohlebedingte Immigration geprägt. „Umso wichtiger, dass auch die jüngeren Generationen etwas über den Bergbau lernen“, findet Walter Hüßhoff, Ehrenvorsitzender der IG BCE Gladbeck. Auf seine Initiative finde auch ich mich am Schacht zehn des Bergwerks ein, Hüßhoff selbst darf selbst nicht mehr in den Berg einfahren - aus Altersgründen, wie er sagt. „Die extremen Bedingungen unter Tage erfordern eine körperliche Topverfassung.“

Körperliche und psychische Strapazen

Nachvollziehen kann ich diese Worte erst, als ich in voller Bergmannsgarderobe (inklusive Unterwäsche) mit der Gruppe in den Schacht einfahre. Mit Leuchte, Akku und Atemschutzfilter wiegt die Ausrüstung etwa zehn Kilo, die sich umso schwerer anfühlen, je tiefer wir in die Schächte vordringen. Lärm, Dunkelheit, Wärme, die hohe Luftfeuchtigkeit - schon nach einigen Minuten bekomme ich ein vages Gefühl davon, was hier unten geleistet wird, welche körperlichen, aber auch psychischen Strapazen die Bergleute zu ihrem Alltag gemacht haben.

Glücklicherweise legen wir den größten Teil der Strecke mit der „Dieselkatze“ zurück, einer Transportbahn, die mit sturer Unverwüstlichkeit durch die Tiefe poltert. Schließlich erreichen wir unser Ziel: einen niedrigen Tunnel, Streb genannt, in dem eine Art gewaltiger Hobel unter einem Heidengetöse Kohle aus dem Flöz schneidet. „Glückauf“, begrüßen uns die Kumpel, dann erklärt mir Jose-Carlos Goncalves, ein ehemaliger Bergmann, der uns begleitet, einige technische Details zur Maschine, die ich aber akustisch nicht ganz verstehe. Nur so viel: Sieben Meter raspelt das Ungetüm aus Stahl am Tag von der Breite des Flözes. Wie eine riesige Raupe bohrt es sich dabei in die Kohle, bis keine mehr da ist.

Schicht im Schacht

Oder zumindest bis Ende 2018; dann werden die Subventionen, die seit Jahrzehnten in den Steinkohleabbau fließen, eingestellt. Auch für „Prosper-Haniel“ bedeutet dies: Schicht im Schacht. Wieder oben angekommen, fragt jemand aus der Gruppe, ob die Arbeiter unter Tage es nicht als störend empfinden, jeden Tag Touristen an ihrem Arbeitsplatz zu empfangen. „Nein“, sagt Uwe Kopath, „das bestimmt nicht. Wir Bergleute sind sehr stolz auf unsere Arbeit, die meisten Kumpel freuen sich, zeigen zu können, was sie in der Grube leisten.“ Und das können sie - zu ihrem eigenen Leid - nicht mehr lange.

Autor:

Jens Steinmann aus Herne

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