Sprach-Scouts des Kinderschutzbundes Gladbeck: Wie Geschwister in einem fremden Land

Der Kinderschutzbund und der Rotary Club fördern die Arbeit der Sprach-Scouts nicht erst seit 2015. Im Bild v.l.n.r.: Dr. Peter Fischer (KSB), Dr. Hans Jacke (Rotary), Jusef Fakhro (Sprach-Scout), Sunilha Nawroz, Nadine Wieschollek (KSB) und Nicola Katelue (Sprach-Scout). Foto: Kariger
  • Der Kinderschutzbund und der Rotary Club fördern die Arbeit der Sprach-Scouts nicht erst seit 2015. Im Bild v.l.n.r.: Dr. Peter Fischer (KSB), Dr. Hans Jacke (Rotary), Jusef Fakhro (Sprach-Scout), Sunilha Nawroz, Nadine Wieschollek (KSB) und Nicola Katelue (Sprach-Scout). Foto: Kariger
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Tausende Kilometer von Zuhause, eine fremde Kultur, eine fremde Sprache: Was Erwachsene schon vor große Herausforderungen stellt, ist für die kindliche Entwicklung ein noch größerer Einschnitt. Wie gut, wenn man dann jemanden wie einen "großen Bruder" oder eine "große Schwester" hat, die einen in der neuen Welt an die Hand nehmen können - jemanden wie die Sprach-Scouts des Kinderschutzbundes.

Sie gehen einkaufen, Eis essen, spielen Spiele oder machen gemeinsame Ausflüge: Ganz wie große Geschwister kümmern sich junge Gladbecker um Schulkinder, die gerade Deutschland als ihre neue Heimat kennen lernen. Inzwischen gibt es zehn sogenannte "Sprach-Scouts", die ehrenamtlich für den Kinderschutzbund Gladbeck arbeiten. Einer von ihnen ist Jusef Fakhro. "Am Anfang war es schwierig", erzählt der frischgebackene Abiturient, der auch durch sein höfliches und intelligentes Wesen sehr reif für seine 19 Jahre wirkt. Er berichtet, wie er 2015 seine Arbeit mit einem nun zwölfjährigen Jungen aus Afghanistan begann und wie er sich entwickelt hat. "Er war zunächst sehr schüchtern und sprach ja auch nur etwas Englisch", so Fakhro. "Inzwischen spricht er gut Deutsch und ist viel selbstbewusster geworden, geht auch auf andere Kinder zu und stellt viele interessierte Fragen".

EIn- bis zweimal in der Woche nehmen sich die Sprach-Scouts Zeit für die ihnen zugewiesenen Kinder, helfen ihnen bei den Hausaufgaben, unternehmen etwas zusammen und bringen ihnen so die deutsche Sprache näher. Manchmal können dabei rudimentäre Englisch-Kenntnisse als Brücke dienen, aber manchmal müssen die Jugendlichen dabei auch bei Null anfangen.

So erzählt Nicola Katelue von ihrer ersten Begegnung mit der elfjährigen Sunilha, die anfangs weder Deutsch noch Englisch, sondern nur Paschtu und Dari sprach: "Für mich war es natürlich erst einmal eine ungewohnte Erfahrung, in die Familie mit ihren neun Kindern zu kommen. Sunilha war am Anfang sehr verschlossen und wollte gar nicht so recht mit machen, das war nicht einfach für mich." Zum Glück bewies die 18jährige Schülerin der Kessels-Akademie großes Geschick im Umgang mit dem Kind, auch wenn sie dabei auf eine kleine Bestechung zurückgreifen musste. "Wir sind dann immer Eis essen gegangen", lacht Katelue, "so kamen wir uns näher." Mit Händen und Füßen, Zeigen und Malen brachte die Gladbeckerin der jungen Neubürgerin deutsche Begriffe bei, führte sie in die neue Sprache ein. Mit Erfolg: "Inzwischen sprechen die Kinder zuhause alle auch untereinander Deutsch", freut sich Nicola Katelue, "und auch die Eltern üben sich in der neuen Sprache."

Mehr als nur eine Lernhilfe

Mit der Zeit wurden aus den Schülerbegleitern richtige Familienhelfer, erzählen Jusef Fahkro und Nicola Katelue. "Die Eltern bitten uns oft bei Hilfe mit amtlichen Dokumenten oder beim Schriftverkehr", berichtet Katelue. "Und auch die anderen Kinder möchten sich gerne mit uns auf Deutsch unterhalten", ergänzt Fahkro. "Man lernt auch selbst unheimlich viel", sagt er nachdenklich. So könne er nun besser nachvollziehen, wie sich seine eigenen Eltern nach ihrer Flucht aus dem Libanon nach Deutschland gefühlt haben mögen. Und Nicola Katelue hat die ehrenamtliche Arbeit in der Entscheidung bestärkt, Erzieherin zu werden.

Dass die Sprach-Scouts eine unschätzbare Arbeit leisten, davon sind auch der Kinderschutzbund-Vorsitzende Dr. Peter Fischer und die Diplom-Pädagogin Nadine Wieschollek überzeugt, "gerade in Zeiten, wo in Gladbeck 200 Kindergartenplätze fehlen". Ohne die Unterstützung des Rotary Clubs Gladbeck sei die Arbeit aber kaum zu stemmen, betont Fischer. Dr. Hans Jacke von den Rotariern zeigte sich im Gespräch mit den jungen Scouts beeindruckt. Als die beiden Helfer von "ihren Kindern" sprechen, sieht er darin den besten Beweis für die emotionale Verbundenheit und den großen Einsatz der jungen Gladbecker.

Damit das Projekt, dass zunächst sechs Jahre lief und dann nach einer Pause 2015 neu gestartet wurde, unter dem Namen "Sprache verbindet" weiterlaufen kann, werden immer wieder neue Sprach-Scouts ab 16 Jahren gesucht. "Dazu werben wir gezielt in Schulen", führt Dr. Jacke aus. Der Vorteil des jungen Alters liegt für alle Anwesenden auf der Hand. "Wir sind noch viel näher an der Lebenswirklichkeit der Kinder dran, als ältere Menschen", stellt Nicola Katelue fest und schaut dabei zu der kleinen Sunilha. Ein Nicken, ein Lächeln - man sieht, hier sind zwei Menschen mit völlig unterschiedlichen Lebenserfahrungen Freundinnen geworden.

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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