Höhere Krankenkassenbeiträge in Deutschland? Auch Gladbecker Apotheker protestieren heftig gegen EU-Urteil

Erhebt heftige Vorwürfe betreffs des "EuGH"-Urteils zur Öffnung des deutschen Marktes für Versandapotheken aus dem Ausland und befürchtet bereits eine drastische Steigerung des Krankenkassenbeiträge in Deutschland: Christoph Witzke, Apotheker aus Gladbeck. | Foto: Privat
  • Erhebt heftige Vorwürfe betreffs des "EuGH"-Urteils zur Öffnung des deutschen Marktes für Versandapotheken aus dem Ausland und befürchtet bereits eine drastische Steigerung des Krankenkassenbeiträge in Deutschland: Christoph Witzke, Apotheker aus Gladbeck.
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Gladbeck. Das Urteil des "Europäischen Gerichtshofes" (EuGH) ist zwar erst wenige Tage alt, doch die Debatte um die Folgen für Deutschland ist bereits im vollen Gange und von fast ungewohnter Heftigkeit: Am 19. Oktober erlaubten die Richter des "EuGH" Versendern aus dem Ausland, Arzneimittel mit Rabatt nach Deutschland zu schicken.

Bei vielen Verbrauchern wurde die höchstrichertliche Entscheidung zunächst mit Wohlwollen registriert, als Erfolg für den kleinen armen Patienten gegen die deutsche Apothekenlobby gefeiert. Doch der Gladbecker Apotheker Christoph Witzke warnt eindringlich, stellt die allesentscheidende Frage "Ist das wirklich ein Erfolg für den Verbraucher?"

Rabatte für ausländische Apotheken

Wichtig ist nach Meinung von Witzke, erst einmal zu wissen, warum im Ausland ansässige Apotheke deutlich billigere Preise machen können, als dies in Deutschland der Fall ist. "Ausländische Versandapotheken dürfen mit Rabatten einkaufen – können dadurch auch den Kunden Rabatt einräumen – und verdienen dennoch mehr als die deutsche Apotheke vor Ort," erläutert Witzke. "In Deutschland zahlen die Hersteller einen Rabatt an die Krankenkassen, um die Beiträge der Krankenkasse zu stabilisieren, den Apothekern sind dafür Ein- und Verkaufspreise vorgeschrieben und Ein- und Verkaufsrabatte verboten."

Christoph Witzke ist daher davon überzeugt, dass das Urteil des "EuGH" in Wirklichkeit eine Entscheidung betreffs der Frage „Dürfen Großkonzerne aus dem Ausland attraktive deutsche Patienten zu Lasten der deutschen Präsenzapotheke beliefern?“ war. Und Witzke verweist darauf, dass es sich bei deutschen Apotheken ausschließlich um kleine und mittlere Familienbetriebe handele, die in Deutschland Arbeitsplätze schaffen und hier auch Steuern zahlen. Des Weiteren würden von den Apotheken vor Ort Gemeinwohlpflichten wie Notdienst, Betäubungsmittelabgabe und Anfertigen von Rezepturen erfüllt. All diese Tätigkeiten würden aber keineswegs kostendeckend bezahlt und seien daher kaufmännisch gesehen ein Verlustgeschäft. Diese Dienstleistungen könnten daher nur durch das Tagesgeschäft finanziert werden. "Versandapotheken aus dem Ausland erfüllen diese Aufgaben nicht und versuchen nur das attraktive Geschäft zu machen," beklagt sich Witzke.

Gewinn wird in ausländische Konzerne überführt

Christoph Witzke: "Im Endeffekt wird hiermit versucht Umsatz, Gewinn und Arbeitskraft den deutschen Familienbetrieben zu entziehen und in ausländische Konzerne zu überführen." Dabei würden die ausländischen Konzerne in Deutschland keine Steuern zahlen, keine Arbeitsplätze schaffen, keine flächendecken und persönliche Beratung anbieten, keinen Notdienst unterhalten, keine Betäubungsmittel liefern, keine Akutversorgung anbieten und auch nur eingeschränkt Rezepturen anfertigen.

Die USA sind aus Sicht der Gladbecker Apothekers ein warnendes Beispiel für einen "freien Markt": Die Arzneimittelkosten sind in den Vereinigten Staaten pro Kopf weitaus höher als in Deutschland. Und das, obwohl die Preise freigegeben sind, die Versorgung aber von Konzernen dominiert wird.

"Dies ist kein Erfolg der Verbraucher, dies ist ein Erfolg der Großkonzerne gegen die Familienbetriebe. Eine der letzten privat dominierten Branchen wird damit mit Hilfe des Europäischen Gerichtshofes vom Kapital angegriffen," ereifert sich Christoph Witzke.

"Wir sind nicht die bösen Apotheker!"

"Wir sind nicht die bösen Apotheker, die den Patienten die Rabatte vorenthalten, sondern die Konzerne im Ausland können mit gigantischen Rabatten einkaufen, davon einen Teil an die Patienten zurückgeben und unter dem Strich pro Packung dennoch mehr verdienen als die familiengeführte Apotheke vor Ort. Es geht darum, dass Konzerne einen attraktiven Teil der Medikamentenversorgung übernehmen möchten und nicht um Rabatte für die Patienten," hebt Witzke mahnend den Zeigefinger.

Ein Bonus für die Versicherten für das Einlösen eines Rezeptes zu Lasten der Krankenkassen würde zudem den Arzneimittelkonsum fördern, befürchtet Apotheker Witzke. Kranke würden somit für das Erzeugen von Versicherungsleistungen zu Lasten der Gesellschaft belohnt. Dies erzeuge zusätzliche Kosten und führe zu höheren Beiträgen in der Krankenversicherung. Und Versicherte, die unter einer chronischen Krankheit leiden würden, könnten sich schon jetzt in Deutschland von der Zuzahlung befreien lassen.

Die Forderungen von Christoph Witzke sind eindeutig: "Als deutscher Apotheker fordere ich gleiche Wettbewerbsbedingungen von der EU! Wenn meine europäische Konkurrenz mit Rabatten einkaufen darf, steht mir das auch zu! Wenn die Versandapotheken keinen Notdienst sicherstellen können, müssen diese hierfür einen Ausgleich zahlen. Dies gilt auch für Rezepturen und Betäubungsmittelversorgung!"

Zu Lasten des deutschen Sozialsystems

Es dürfe nicht sein, dass Gelder des deutschen Sozialsystems zu Lasten der deutschen Familienunternehmen, deren Mitarbeiter und Familien, des Sozialsystems und des Steuerzahlers zu ausländischen Konzernen überführt würden, erläutert Christoph Witzke.

"Ich wünsche mir, dass dies von der Gesellschaft und der Politik gesehen wird und unverzüglich unterbunden – nicht zuletzt zu unser allem Wohle," hat Christoph Witzke die Hoffnung auf eine Besserung aus Sicht der deutschen Apotheker aber noch nicht restlos verloren.

Autor:

Uwe Rath aus Gladbeck

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