Kortison: Fluch oder Segen? Angst vor Nebenwirkungen ist in den meisten Fällen aber völlig unbegründet

Der Gladbecker Apotheker Christoph Witzke ist davon überzeugt, dass die oft vorhandene Angst vor kortisonhaltigen Produkten oftmals völlig unbegründet ist. | Foto: Privat
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Gladbeck. Wer ein Mittel einnehmen muss, das ähnlich wie Kortison wirkt, hat oft Angst vor Nebenwirkungen. Dabei gibt es als "typisch" eingestufte Nebenwirkungen, es gibt aber auch durchaus Möglichkeiten, eben diese Nebenwirkungen zu vermeiden.

Kortison ist zweifelsohn einer der stärksten Wirkstoffe, der je entdeckt wurde. Viele Menschen, die unter chronischen Krankheiten wie Asthma oder Rheuma leiden, versorgen ihren Körper täglich mit Kortison – oder besser gesagt mit Glucocorticoiden. So heißen die künstlich hergestellten Hormone nämlich richtig.

Viele Patienten, die ein Glucocorticoidpräparat verschrieben bekommen, haben jedoch Angst, weiß Christoph Witzke, Apotheker aus Gladbeck, aus Erfahrung. So wird oftmals eine Gewichtszunahme befürchtet. "Eine Sorge, die jedoch nicht immer begründet ist," versichert Apotheker Witzke.

Kortison wirkt entzündungshemmend

Glucocorticoide zählen zu den wirksamsten Entzündungshemmern, die die Medizin kennt. 1935 wurden sie von US-Forschern in der menschlichen Nebennierenrinde entdeckt, 15 Jahre später gab es dafür den Medizinnobelpreis. Ärzte setzen künstlich hergestellte Glucocorticoide gegen Entzündungen und überschießende Immunreaktionen ein – entweder lokal oder systemisch.

Zu den Präparaten, die lokal angewendet werden, zählen Nasensprays, Hautcremes oder Asthmasprays. Wer solche Medikamente verordnet bekommt, etwa gegen allergischen Schnupfen oder Neurodermitis, muss sich keine Sorgen machen. Die Ängste stammen vielmehr noch aus früheren Zeiten, wo Glucocorticoide in hohen Dosierungen verwendet wurden und entsprechend starke Nebenwirkungen hatten. Denn normalerweise gelangt der Wirkstoff bei lokaler Anwendung gar nicht oder nur in sehr geringen Mengen in den Blutkreislauf.

Nach Asthmaspray-Anwendung Mund spülen

Bei Cremes kann bei sehr großflächiger und lange dauernder Anwendung allerdings die Haut dünn werden. Normalerweise wirken Glucocorticoide jedoch schnell. Entsprechend rasch kann der Patient aufhören, das Produkt zu verwenden. Wird aber zum Beispiel Asthma mittels eines Kortisonsprays therapiert, rät Witzke dazu, nach jeder Anwendung die Zähne zu putzen und etwas zu trinken. Die Tröpfchen setzen sonst auch im Mund die Immunabwehr herab, was zum Auftreten unangenehmer Pilzinfektionen führen kann.

Bei vielen Patienten werden Glucocorticoide aber auch systemisch, also in Tablettenform, angewendet. Das bedeutet, dass der Wirkstoff ins Blut gelangt. Bei Autoimmunerkrankungen wie der Rheumatoiden Arthritis richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper und verursacht unter Umständen chronische und schwere Entzündungen mit den daraus resultierenden Schmerzen.
Weil das Immunsystem dabei großen Schaden anrichten kann, dämpft man es in bestimmten Fällen mit Glucocorticoiden. Die Patienten werden gleichzeitig mit anderen Medikamenten behandelt, die ebenfalls das Immunsystem und Entzündungsprozesse im Körper beeinflussen.

Viele Patienten quälen dauerhaft bohrende Schmerzen in all ihren Gelenken. Manche Gelenke müssen ausgetauscht werden, weil sie so stark beschädigt sind. Damit nicht noch mehr kaputt geht, bekommen die Patienten über viele Jahren Glucocorticoide. Häufig treten im Laufe der Zeit vermehrt Knochenbrüche auf. Der Grund ist eine Nebenwirkung der Therapie: brüchige Knochen.

Glucocorticoide halten Körperzellen davon ab, Entzündungsmediatoren zu bilden, also Stoffe, die Entzündungen auslösen und aufrechterhalten. Gleichzeitig helfen sie dem Körper, diese selbst zu hemmen. Besser kann man gegen Entzündungen kaum vorgehen. Leider verändern Glucocorticoide aber eben nicht nur Entzündungsprozesse, sondern greifen zum Beispiel auch in den Stoffwechsel ein. Daher haben sie manchmal Nebenwirkungen.

Kortisontherapie fördert Osteoporose/Diabetes

Neben Osteoporose können Patienten, die über einen längeren Zeitraum Glucocorticoide nehmen müssen, einen Diabetes mellitus entwickeln. Andere bekommen Probleme mit den Augen – zum Beispiel einen Grauen oder Grünen Star. Weil das Immunsystem heruntergeregelt wird, sind die Patienten zudem infektanfälliger. Auch das Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen ist erhöht.
Die größte Angst haben Patienten allerdings vor einer Nebenwirkung, die eigentlich gar nicht gefährlich ist: dem sogenannten Cushing-Syndrom. Betroffene nehmen vor allem in der Körpermitte zu und bekommen unter anderem ein Vollmondgesicht und einen Stiernacken. Diese äußerlichen Veränderungen können allerdings sehr belastend sein.

Nur so lange wie nötig einnehmen

So wie bei allen anderen Medikamenten gilt aber auch hier: Die Dosis macht das Gift. Fünf Milligramm des gängigsten Präparates Prednisolon pro Tag helfen bei den meisten Menschen mehr, als sie schaden. Nimmt jemand allerdings länger als ein halbes Jahr lang mehr als 10 Milligramm, richtet das meist mehr Schaden an, als es nutzt. Grundsätzlich sei das Ziel, Glucocorticoide früher oder später wieder zu reduzieren und dann in Absprache mit dem Arzt ganz abzusetzen. Allerdings funktioniert das eben nicht immer.

Calzium zuführen

Patienten, die regelmäßig Glucocorticoidpräparate nehmen müssen, können jedoch auch selbst etwas tun, um unerwünschte Wirkungen einzudämmen. Osteoporose etwa beugen Betroffene vor, wenn sie sich Calziumhaltig ernähren und viel Sport treiben: Calcium ist in Milchprodukten und Fisch enthalten. Auch Vitamin D ist wichtig für die Knochen. Dafür sind fetter Seefisch und Avocados ein guter Lieferant.

Außerdem wandelt die Haut UV-Strahlung in Vitamin D um. Daher rät Christoph Witzke, mindestens 30 Minuten täglich in der freien Natur zu verbringen, am Wochenende auch länger. Wichtig ist es auch, nicht zu rauchen – unabhängig von der Glucocorticoidtherapie: Zigarettenrauch erhöht nicht nur das Risiko an Rheuma zu erkranken, es verschlimmert die Krankheit sogar zusätzlich. Der Gladbecker Apotheker Christoph Witzke ist davon überzeugt, dass die oft vorhandene Angst vor kortisonhaltigen Produkten oftmals völlig unbegründet ist.

Autor:

Uwe Rath aus Gladbeck

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