Moralischer Tiefflug nach Germanwings-Katastrophe

Europa zeigt sich zutiefst erschüttert. Die jüngste Flugzeug-Katastrophe der Germanwings-Maschine riss 150 Menschen aus ihrem Leben. Das Unglück geschah so nah. So mittendrin. Jeder von uns hätte in dem Flugzeug sitzen können.

Dann folgte auf unsägliches Entsetzen und Trauer grenzenlose Wut: Die Katastrophe soll sich durch absichtliches Herbeiführen eines Einzelnen ereignet haben. Und nicht aufgrund eines technischen Versagens. Hand auf‘s Herz: Haben wir nicht Letzteres erleichtert aufgenommen? Und waren dankbar, dass wir nicht in jenem Flugzeug saßen. Zunächst einmal. Restzweifel bleiben.

Dann: Die Berichterstattung der Medien zu diesem verheerenden Unglück. In dieser schlimmen Zeit überkam auch mich Scham, Journalistin zu sein. Mit dem Ziel der Effekthascherei blieb bei Vielen die Moral auf der Strecke. Grenzen zwischen Boulevard und Qualitätsjournalismus wurden aufgeweicht. Fotos von Menschen, deren Wohnstätten oder aber Namen wurden veröffentlicht. Da kann einem schlecht werden! Aus der Seele spricht mir ein Beitrag, den Michael Busch, Erster Vorsitzender des Bayerischen Journalisten-Verbands, auf Facebook veröffentlicht hat:

"Es gibt Tage, da schäme ich mich Journalist zu sein. Heute ist so ein Tag. Pressekodex, die Würde des Menschen, Rücksicht auf die Opfer, Rücksicht auf die Familien der Opfer, ja, auch Rücksicht auf die Familie des vermeintlichen Täters - all das spielt keine Rolle.

Es gibt Tage, da schäme ich mich Journalist zu sein. Heute ist so ein Tag. Die Schnelligkeit der Berichterstattung, das Bedürfnis schneller als alle anderen zu sein, führt dazu, dass die Menschlichkeit verliert. Die Tragödie wird zum elenden Schauspiel, die Nachricht spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Es gibt Tage, da schäme ich mich Journalist zu sein. Heute ist so ein Tag. Klickzahlen und Einschaltquoten zählen, und am Ende der Gewinn, den die Führungskräfte der Medien sich versprechen. Gewinn, der durch Unmenschlichkeit teuer erkauft wurde.

Es gibt Tage, da schäme ich mich Journalist zu sein. Heute ist so ein Tag. Und es wird nicht der letzte Tag dieser Art sein - befürchte ich. Die Rufe, dass wir innehalten müssen, um unser Handeln genauer zu betrachten, verhallen ungehört.
Ich weiß, es sind nicht alle, aber es sind zuviele, die da mitmachen. Ich weiß, dass die Kolleginnen und Kollegen vor Ort meist das Endglied einer langen Kette sind und ihren Job riskieren, wenn sie nicht liefern, was angefordert wurde.
Ich mag nicht lamentieren, aber ich mag stolz auf unsere Gilde sein. Ich bin stolz auf jede Kollegin und jeden Kollegen, der den Versuchungen widersteht und einen sauberen Journalismus praktiziert. Diese Menschen haben es in der Hand, uns Journalisten glaubwürdig zu machen.

Ich kann die Kolleginnen und Kollegen nur auffordern, den Pressekodex zu achten und damit eine menschliche Einstellung. Damit die Tage, an denen wir uns schämen müssen, weniger werden."

Hier auch eine Stellungnahme des Presserats zum Opferschutz nach dem Germanwings-Absturz:http://www.presserat.de/presserat/

Autor:

Marjana Križnik aus Düsseldorf

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